„Wir wollen das Ding richtig groß aufziehen“
Mit individuellen, ausklappbaren Balkonen will Florian Holzmayer weltweit Menschen einen Platz in der Sonne ermöglichen. Den ersten „Balcosy“ bastelt er in seiner WG – nach einer intensiven zweijährigen Entwicklungsphase ist das einzigartige Produkt jetzt skalierfähig.
Florian Holzmayer kann sich noch genau daran erinnern, wie alles begonnen hat. Seit eineinhalb Wochen ist Lockdown, der junge Mann sitzt im Schlafzimmer seiner Linzer Altbauwohnung und sehnt sich nach Sonne. Draußen beginnt der Frühling, durch die hohen Häuser rundum verirren sich aber nur wenige Sonnenstrahlen in den düsteren Innenhof – genau vor sein Fenster, aber nicht bis ins Zimmer. „Ich habe dann kurzerhand Arbeitsbretter am Fenster angeschraubt und mich rausgesetzt“, sagt er und lacht. Nur wenige Tage später kommen seine Mitbewohner und andere Mitglieder der Hausgemeinschaft auf ihn zu, auch sie wollen einen eigenen Balkon. Holzmayer beginnt zu recherchieren: Alleine in Wien haben 44 Prozent der Einwohner:innen keinen Zugang zu privaten Freiflächen. In Berlin, Hamburg oder anderen Städten in Mitteleuropa, in denen Gründerzeithäuser verbreitet sind, ist die Situation ähnlich. „Und auch Bewohner:innen von Neubauten fallen in unsere Zielgruppe. Da hab ich mir gedacht: Boah, so viel Potential!“, erinnert sich der Gründer. Gleich am nächsten Tag fährt er ins Bauhaus und kauft Material. Er beginnt daheim zu basteln – im Wohnzimmer, in seiner kleinen Werkstatt unter seinem Hochbett und im Keller. Die ersten Entwürfe sind aus heutiger Sicht nicht ungefährlich: Der mobile Balkon wird nur auf den Fensterrahmen gesteckt. Die Grundidee von damals ist geblieben, heute wird der „Balcosy“ links und rechts mit Dübeln im Mauerwerk befestigt.
„2 Minuten, 2 Millionen“ als Marketinginstrument
Seit dem ersten Entwurf ist viel passiert. „Ich bin mit meiner Idee bei tech2b gelandet, dort wurde ich gut aufgefangen und bei den ersten Schritten unterstützt“, sagt Holzmayer, „danach wurde das Bautechnische Institut mein Kooperationspartner, das war notwendig, um die Bastleridee zu professionalisieren.“ Um auf den Markt zu gehen, startet Holzmayer ein Crowdfunding-Projekt. „Wir haben allerdings nichts in Marketing investiert und die Mindestsumme ist nicht zustande gekommen“, erinnert er sich. „Aus heutiger Sicht war das Glück, denn das Produkt war als Prototyp noch nicht bereit für den Markt. Einen ersten Proof of Concept konnten wir uns aber abholen, denn sieben Stück wurden damals trotzdem bestellt.“
Der tatsächliche Markteintritt beginnt im April 2022. Holzmayer präsentiert seinen Balcosy bei „2 Minuten, 2 Millionen“, findet dort aber keinen Investor. „Das war aber auch gar nicht das Ziel, wir wollten in Wirklichkeit nur Aufmerksamkeit kreieren“, verrät er. Dieses Vorhaben gelingt: Mittlerweile ist das Produkt am Markt und wird zahlreich angefragt. „85 Prozent der Anfragen kommen aus Wien, mittlerweile steigt aber auch die Zahl der Linzer Interessent:innen“, erzählt Holzmayer. Seine langfristige Ambition geht ohnehin weit über Österreich hinaus. „Wenn ich in einigen Jahren in den Flieger steige, will ich bei einem Blick aus dem Fenster während des Landeanflugs Balcosys sehen – und zwar egal wo“, sagt der Gründer. Man spürt, dass er es ernst meint – wenn Holzmayer über sein Produkt und das Team spricht, beginnen seine Augen vor Begeisterung zu leuchten. „Es gibt so viele Menschen, die von unserem Konzept überzeugt sind und etwas beitragen wollen, die Dynamik ist einfach unglaublich motivierend“, sagt er. Holzmayer freut sich über jeden Kontakt. „Wer unsere Idee sieht und gerne mitwirken will, soll sich melden. Wir brauchen nicht nur Mitarbeiter:innen, sondern auch Kapital – wir wollen das Ding richtig groß aufziehen“, sagt er. Derzeit werden die Balcosys nur am B2C-Markt verkauft, man steht aber bereits in Kontakt mit Studentenwohnheimen, Bauträgern und Immobilienunternehmen.
„Viele wollten die Test-Balcosys gar nicht mehr hergeben“
Der heutige Balcosy ist ein Möbelstück, das nach außen geklappt werden und bei Bedarf rückstandslos entfernt werden kann. „Die Zertifizierung als Möbelstück hat rechtliche Gründe: Der Balcosy kann so genehmigungsfrei montiert werden“, erklärt der Gründer. Ein großer Bestandteil der zweijährigen Entwicklungsphase war die haftungstechnische Absicherung. Gefertigt wird der Balcosy bei einem Partnerbetrieb in Eferding, sechs bis acht Stunden dauert die Produktion derzeit. „Wir werden unser Produkt aber weiter optimieren, um besser skalieren zu können“, sagt Holzmayer.
Am meisten schätzt der Gründer den direkten Kontakt mit Kund:innen. „Wir hatten vergangenes Jahr eine ausführliche Beta-Testphase, und die Balcosys von damals hängen immer noch, weil viele sie einfach nicht mehr hergeben wollen“, sagt er und lacht. Es sei für ihn eine besondere Freude, an so einem hochemotionalen Produkt arbeiten zu dürfen. „Manche Kund:innen erzählen mir, wie schön es ist, endlich draußen lesen zu können und dabei die Sterne zu sehen“, sagt Holzmayer. Auch in seiner Linzer Wohnung hängt noch einer der ersten Prototypen – der nur noch wenig mit dem aktuellen Produkt zu tun hat. Eines hat sich seitdem aber verändert: Auch seine Mitbewohner haben sich zwei Balcosys besorgt, die Nachbar:innen ebenso – und einige Häuser weiter hängen mittlerweile auch welche. _
Da hab‘ ich mir gedacht: Boah, so viel Potential!
Florian Holzmayer
Gründer, Balcosy
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