„Es ist eine Herkulesaufgabe“ 2
Eine Erkenntnis aus der Krise: Unter den Menschen, die an Covid-19 verstarben, hatte nur ein sehr geringer Anteil keine Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen oder Krebs. Rauchen, ungesunde Ernährung, wenig Bewegung und Stress begünstigen solche Krankheiten nachweislich. Sollte ein gesunder Lebensstil demnach in Zukunft nicht mehr nur Privatsache sein, sondern Teil gesamtgesellschaftlicher Prävention?
Stelzer_Ein gesunder Lebensstil ist sicher wichtig und deshalb bin ich froh darüber, dass wir in diesem Zusammenhang schon viel erreicht haben: Vorsorgeuntersuchungen, Bewusstseinsbildung im Bildungssystem in Bezug auf gesunde Ernährung und Bewegung. Aber letztlich ist der persönliche Lebensstil schon immer auch eine Frage der Eigenverantwortung.
Aber warum kommt es beim gesunden Lebensstil mehr auf die Eigenverantwortung an als bei der Entscheidung für oder gegen eine Impfung? Sie haben sich für eine Corona-Impfpflicht ausgesprochen.
Stelzer_Mein Grundzugang für gesellschaftliches Zusammenleben ist, dass man auf maximale Freiheit und damit aber als Partner der maximalen Freiheit auf viel Eigenverantwortung setzt. Warum ich mich in dem Fall bei der Covid19-Erkrankung für eine Impfpflicht ausspreche: Weil im Leben unserer Generation nichts so tief in unsere Gesellschaft, in die Gesundheit, in die Wirtschaft eingegriffen hat wie Corona. Eine verlässliche Impfung, die eine Erkrankung verhindern kann, befürworte ich daher bei so einer gewaltigen Herausforderung. Aber natürlich muss diese gut erforscht und getestet sein.
Viele sehnen sich nach der „alten Normalität“ zurück. Könnte eine „neue Normalität“ nicht besser sein?
Stelzer_Wir wollen uns natürlich alle möglichst viel von unserem gewohnten Leben zurückholen, das ist verständlich. Weil wir ein sehr gutes Leben hatten und wir es im weltweiten Vergleich immer noch haben. Aber natürlich, wenn ich an uneingeschränkte Reisefreiheit und fast unbegrenzte unternehmerische Möglichkeiten denke, dann gibt“s da noch ein großes Feld, das vor uns liegt. Und das kann anders als bisher aussehen, es können andere Schwerpunkte kommen. Gerade wenn ich an die Wirtschaft denke. Es kann vielleicht für uns die Medizintechnik noch interessanter werden, es können andere Produktionsschritte, andere Forschungsgebiete interessanter werden. Auf jeden Fall glaube ich, dass wir wieder viele Möglichkeiten vor uns haben.
Wird man diese Möglichkeiten jetzt anders ergreifen als vor der Krise?
Stelzer_Den Investitionsschub, den wir jetzt brauchen, um wieder stark zu werden, kann man sehr gut mit dem Klimaschutzgedanken koppeln “ zum Beispiel beim öffentlichen Verkehr und umweltgerechter Industrieproduktion. Arbeitsprozesse werden nun oft anders gestaltet, Stichwort Homeoffice. Das sind Entwicklungen,die wären womöglich gekommen, aber vielleicht nicht so rasant wie jetzt.
Welche Lehren haben Sie persönlich aus den vergangenen Monaten gezogen?
Stelzer_Erstens: Dass nichts auf dieser Welt gesichert ist. Zweitens, dass es genau deshalb sehr sinnvoll ist, Reserven anzulegen “ dass das nichts Altbackenes ist, sondern offensichtlich zur menschlichen Herausforderung dazugehört. Und was auch eine Lehre ist, die sich gerade in so einer krisenhaften Situation zeigt: Zwar gut zu überlegen und sich auch viele Meinungen einzuholen, dann aber zügig zu entscheiden und nicht zuzuwarten, bis einen irgendetwas überrollt oder die Dinge noch schlimmer werden. Ein zügiges, schnelles Entscheiden braucht es immer, aber in der Krise ganz besonders.
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