Es kommt nicht auf die Größe an!
Mehr Gehalt oder eine familiäre Umgebung? Internationale Karrierechancen oder kurze Entscheidungswege und Raum für eigene Ideen? Auf der Suche nach dem richtigen Arbeitgeber spielen viele Faktoren eine Rolle. Bei der näheren Betrachtung zeigt sich: Viele Vorurteile, die Unternehmensgrösse betreffend, sind längst überholt – die Arbeit in einem kleinen Familienbetrieb bedeutet nicht automatisch, keine Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu haben. Es ist auch nicht jeder, der eigene Ideen umsetzen möchte, in einem grossen Konzern falsch. Was den besten Köpfen auf Arbeitssuche wirklich wichtig ist, hat ausserdem meist gar nichts mit der Unternehmensgröße zu tun.
Bettina Schrenk ist Leiterin der Entwicklung bei Greiner Packaging Österreich, einem Tochterunternehmen des 8.400 Mitarbeiter starken oberösterreichischen Weltkonzerns Greiner. „Neben dem internationalen Netzwerk hat mich besonders die Technologievielfalt im Unternehmen gereizt“, antwortet Schrenk auf die Frage, warum sie sich für einen großen Industriebetrieb und gegen einen Klein- oder Mittelbetrieb (KMU) entschieden hat. Im Gegensatz dazu wirkt Ernst Angerers Unternehmensumfeld wie eine andere Welt – er ist Leiter der Elektrotechnik bei Dorner- Mayer. An seinem Standort in Wels arbeiten fünfzehn Mitarbeiter. „Ich kenne jeden Mitarbeiter hier persönlich und weiß, wie jeder einzelne tickt. In einem weltweiten Konzern zu arbeiten, kann ich mir nicht vorstellen“, meint er. Bernd Diesenberger, Prokurist bei Molto Luce in Wels, geht es ähnlich. „Für mich war es immer sehr wichtig, in einem kleineren, eigentümergeführten Betrieb zu arbeiten, weil die Wege sehr kurz sind und schnelle Entscheidungen getroffen werden“, erklärt Diesenberger. Mit circa 270 Mitarbeitern hat der Betrieb die Schwelle eines KMUs aber bereits überschritten.
Ob ein Unternehmen als klein oder groß gilt, kann nach unterschiedlichen Parametern definiert werden. Die Europäische Kommission zieht zur Definition die Beschäftigtenzahl, den Umsatz in Millionen Euro sowie die Bilanzsumme in Millionen Euro heran. Demnach gilt ein Betrieb als mittleres Unternehmen, wenn er maximal 249 Mitarbeiter beschäftigt und entweder einen Umsatz von höchstens 50 Millionen Euro oder eine Bilanzsumme von nicht mehr als 43 Millionen Euro aufweist. In Oberösterreich überwiegen deutlich Kleinstunternehmen. Sie haben maximal neun Mitarbeiter und überschreiten einen Umsatz sowie eine Bilanzsumme von je zwei Millionen Euro nicht. Die größte Gruppe machen mit über 64 Prozent aller Betriebe Einzelunternehmen aus. Zwanzig Prozent beschäftigen einen bis vier Mitarbeiter. Nur 0,1 Prozent der oberösterreichischen Betriebe haben mehr als 500 Beschäftigte. Österreichweit zeigt sich diese kleinteilige Unternehmenslandschaft noch deutlicher – der Prozentsatz der Unternehmen mit ein bis vier Mitarbeitern liegt bei 86,5 Prozent. 0,1 Prozent der Betriebe beschäftigen mehr als 500 Mitarbeiter.
„Big picture“ versus Spezialistentum
Je nach Größe bringt ein Unternehmen seine Vorteile aber auch in eigenen Anforderungen an die Mitarbeiter mit sich. „Der Verantwortungsbereich in einem Großunternehmen ist meist fachspezifischer. In KMUs sind durch flachere Hierarchien Entscheidungen nachvollziehbarer. Auch die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit ist intensiver. Mitarbeiter begleiten dadurch länger – oder sogar zur Gänze – ein Projekt oder einen Prozess“, weiß Axel Kühner, Vorstandsvorsitzender von Greiner. Wer in einem Konzern arbeiten möchte, müsse also die Bereitschaft mitbringen, in eher arbeitsteiligen Strukturen tätig zu sein. Als Anforderung an Mitarbeiter in einem KMU sieht er den Willen, früh Verantwortung für ein Projekt zu übernehmen. Dass in größeren Unternehmen eher Spezialisten und in kleineren Unternehmen Generalisten gefragt sind, dem stimmt auch Diesenberger zu. „Weil es in großen Betrieben meist viele kleinere Business Units gibt, ist der Verantwortungsbereich abgegrenzter. Mitarbeiter in einem KMU haben ein gesamtheitliches Bild über das Unternehmen – sie brauchen ein „big picture“ vom Betrieb.
„Es sollte nicht von der Betriebsgrösse abhängen, wo man sich bewirbt.“
Christine WolfmayrKarriereberatung WK OÖ
Wer klar definierte Aufgaben sucht, tut sich in einem Konzern wahrscheinlich leichter“, meint Diesenberger. Die Ansicht, man könne an der Betriebsgröße festmachen, ob jemand für eine Stelle geeignet sei, teilt Christine Wolfmayr nicht. Sie leitet die Karriereberatung der WK OÖ in Linz. „Es sollte nicht von der Betriebsgröße abhängen, wo man sich bewirbt“, erklärt Wolfmayr, „auch kleine Unternehmen beschäftigen Spezialisten, wenn sie sie benötigen. Und in großen können in den einzelnen Einheiten Ge- neralisten gefragt sein.“
Bei der Wahl des Praktikums machen sich viele angehende Arbeitskräfte das erste Mal auf die Suche nach einem für sie attraktiven Unternehmen. Für Wolfmayr steht auch hier die Unternehmensgröße nicht im Vordergrund. „In einem größeren Unternehmen kann ich vielleicht mehrere Abteilungen durch- laufen und verschiedene Betriebsabläufe kennenlernen – das kann ein Vorteil sein“, weiß Wolfmayr. Wenn ein kleinerer Betrieb mehrere Abläufe vereint, könne das hier aber genauso möglich sein. Bernd Diesenberger, selbst Mitarbeiter in einem Unternehmen mit 270 Mitarbeitern, sieht in einem Praktikum bei einem großen Unternehmen durchaus gute Chancen: „Konzerne bieten viele Möglichkeiten, weil sie meistens international aufgestellt sind. Nachdem es so viele Stellen gibt, bietet sich ein größerer Spielraum als bei KMUs. Dise tutn sich bei einem Praktikum wahrscheinlich schwerer.“
Der Mitarbeiter als Kunde
Während Schul- und Uni-Absolventen, angehende Lehrlinge und ausgebildete Arbeitskräfte nach den richtigen Unternehmen suchen, sind auch die Betriebe auf der Jagd nach den besten Köpfen. Große Unterschiede in der Mitarbeiterrekrutierung zwischen großen und kleinen Betrieben gebe es nicht, meint Employer Branding-Experte Achim Feige: „Entscheidend für einen kleinen Betrieb ist, nicht die großen zu imitieren, sondern die Stärken eines KMUs herauszustellen und zu nutzen. Alle digitalen Plattformen stehen jedem offen. Auch Recruiting- Messen oder soziale Netzwerke wie XING und LinkedIn können von jedem genutzt werden.“ Das Wichtigste sei in jedem Fall die Weiterempfehlung von eigenen Mitarbeitern. „Eine Tatsache, der man sich immer wieder bewusst sein muss, ist, dass die wichtigsten Multiplikatoren nach außen, in Bezug auf die Positionierung und den Imageaufbau des Unternehmens, die eigenen Mitarbeiter sind“, ist auch Unternehmensberater Georg Platzer überzeugt. Hier sieht er einen entscheidenden Vorteil für kleine Betriebe: „Ein kleiner Familienbetrieb ist sehr oft in den örtlichen regionalen Strukturen verankert. Hier läuft ohnehin sehr viel über Mundpropaganda.“ Seiner Erfahrung nach können kleine Betriebe außerdem sehr davon profitieren, sich gegenseitig über Aktivitäten im Mitarbeiterbereich auszutauschen. Dass kleine Unternehmen keine internationalen Karrieren bieten können, sieht er nicht als Nachteil: „Für kleinere Betriebe gibt es sehr gute Chancen, mit den großen internationalen zu konkurrieren, weil nicht alle Arbeitskräfte genau jene Chancen wahrnehmen wollen, die ein internationales Unternehmen bietet. Viele fühlen sich in kleinen Strukturen wohler, wollen auch nicht nach Brasilien oder Nordamerika und genießen es in der Nähe ihres Wohnortes einen Job zu haben“, so Platzer. Die Kernpunkte der Mitarbeiterrekrutierung und -bindung gelten ohnehin für alle Unternehmen. „Ich muss mir als Arbeitgeber immer überlegen: Was kann ich dazu beitragen, dass meine Mitarbeiter motiviert sind? Und das ist nicht immer das Geld“, so Platzer. Bei Analysen sei ihm aufgefallen, dass für Jungakademiker, besonders bei den besten Absolventen, Weiterbildung eine enorme Rolle spiele – aber nicht nur was die Position betrifft, sondern auch die persönliche Weiterentwicklung. Unternehmen seien daher umso mehr gefordert, sich stark mit der Erwartungshaltung der Zielgruppe auseinanderzusetzen. „Ich muss meinen zukünftigen Mitarbeiter als Kunden sehen, ich will ja etwas von ihm – noch dazu in Zeiten, wo ich weiß, dass es noch zehn andere gibt, die ihn haben wollen.“_
10 Gebote für eine starke Arbeitgebermarke
Georg Platzer ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Ramsauer & Stürmer. Um Unternehmen den Aufbau eines attraktiven Arbeitgeberimages und die Identifikation von Handlungsnotwendigkeiten zu erleichtern, hat Ramsauer & Stürmer einen Employer Branding Quick Check als Selbstbewertungsbogen entwickelt. Dieser umfasst die vier Punkte: Attraktivität der Arbeitgeberleistungen im Vergleich zum Mitbewerb, Erfolg der Aktivitäten zur Imageentwicklung als attraktiver Arbeitgeber, Rahmenbedingungen im Unternehmen sowie die Auswertung. Der Fragebogen kann auch online inklusive elektronischer Auswertung durchgeführt werden. www.arbeitsplatz-oberoesterreich.at/attraktive_arbeitgeber
01 Mitarbeiter und Führungskräfte als „Markenbotschafter“ gewinnen
02 Den zukünftigen Personalbedarf (qualitativ und quantitativ) erheben
03 Bedürfnisse der Zielgruppe(n) genau analysieren
04 Mit den direkten und indirekten Beziehungen zu den zielgruppen auseinandersetzen (indirekt über Universitäten, Social Media,…)
05 überblick über derzeitige Arbeitgeberleistungen gewinnen und diese anhand ihrer Attraktivität für Mitarbeiter beurteilen
06 Positionierung und Aktivitäten der Mitarbeiter bestimmen – eigenes Profil klar davon abgrenzen
07 Festlegen, mit welchen Arbeitgeberleistungen und Positionierungsinhalten welche Zielgruppe erreicht werden soll
08 Positionierungsmaßnahmen als Projekte mit klaren Ergebnissen definieren und Wirksamkeit überprüfen
09 Abklären, welche unterstützungsleistungen seitens des Landes OÖ, der Wirtschaftskammer OÖ sowie des AMS bestehen
10 Inhalte glaubwürdig und nachvollziehbar vermitteln – authentisch sein!
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