Adieu, Tristesse! 2
Mehr als Brot und Spiele
Solche Entwicklungsräume zu schaffen, sieht Geschäftsführer Bojan Bozic als eine der Stärken des Linzer Unternehmens eRecruiter, das Software für Bewerbermanagement anbietet. „Wir sind so klein, dass niemand in einer Schublade arbeitet.“ Mit aktuell 40 Mitarbeitern und einem „Riesenwachstum“ ergeben sich laufend neue Perspektiven für die einzelnen Teammitglieder. „Wer möchte und sich einbringt, kann sich weiterentwickeln“, betont Bozic. „Heute haben viele ein anderes Aufgabengebiet als noch vor zwei Jahren.“ Umso wichtiger sei es, bei Neueinstellungen nicht nur auf die fachliche Qualifikation, sondern auf das passende Mindset zu achten. „Wenn es gelingt, die richtigen Leute ins Boot zu holen, dann gehen sie auch durch harte Zeiten mit.“
Vertrauensbasierte Arbeitszeitmodelle und ein lockeres Open-Office-Konzept sorgen für eine gute Stimmung im Team, erzählt Bozic. Wovon er wenig halte, ist ein „aufoktroyiertes Spaßprogramm“: „Oft bieten Unternehmen Brot und Spiele, damit sie die gewünschte Leistung aus den Mitarbeitern holen. Der Effekt davon ist nach kurzer Zeit verpufft.“ Wichtiger als eine dauerhafte Bespaßung sei ihm, sein Team zu inspirieren, aus dem Alltag herauszuholen und „die große Frage nach dem Warum“ zu stellen. „Der Grund, warum man bei uns arbeitet, ist nicht die Arbeitszeit, das Gehalt oder der Tischfußballtisch, sondern weil man eine gute Antwort auf die Frage nach dem Sinn seiner beruflichen Tätigkeit findet“, meint Bozic. „Besonders für die junge Generation steht die Frage nach dem Warum ganz oben. Die Leute wollen teilhaben am Unternehmen und den Entscheidungen.“
Deswegen hole man im Auftritt nach Außen die Menschen hinter dem Produkt in den Vordergrund: Wenn das Team zum Beispiel gemeinsam am Marathon in Linz oder Wien teilnimmt, „dann posten sie Fotos auf Instagram und Facebook und transportieren so die Firmenkultur“. Und zu dieser gehöre eben auch das Wohlbefinden des Teams, betont Bozic: „Wenn die Leute auf ihre berufliche Laufbahn zurückblicken, sollen sie sagen, eRecruiter war geil und was Besonderes, noch cooler als alle anderen. Mit diesem Gedanken bekommt man automatisch einen ganz anderen Blickwinkel auf das Thema Arbeitgebermarke.“
Keine Zwangsbespaßung
Spaß kann nicht nur im Rückblick auf die Karriere eine wichtige Rolle spielen, sondern auch ganz am Anfang: „Bei meinem Bewerbungsgespräch habe ich gefragt, ob gelacht werden darf, weil ich gerne und viel lache“, erinnert sich Gerlinde Tröstl an ihren Einstieg bei Markas. Die Antwort war eindeutig ja “ und sollte auch in jedem anderen Unternehmen so lauten: „Wenn die Stimmung und das Betriebsklima positiv sind, ist die Motivation höher, gehen Tätigkeit leichter von der Hand, betrachtet man Fehler aus einem anderen Blickwinkel. Humor macht das Arbeitsleben und das Leben generell leichter.“
Markas ist ein international tätiges Familienunternehmen für Facility Services wie Reinigung, Housekeeping, Logistik und Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern, Schulen oder Hotels mit Sitz in St. Pölten. „Die Tätigkeiten sind körperlich anstrengend und durchaus stressig. Von unseren Kunden erfahren unsere Mitarbeiter auch oftmals nicht genügend Wertschätzung“, beschreibt Tröstl. Umso wichtiger sei die Motivation der Mitarbeiter “ eine der wichtigsten Aufgaben der Führungskräfte in den jeweiligen Institutionen. „Durch unsere dezentrale Organisation erreichen wir unsere 2.000 Mitarbeiter nur sehr gefiltert, daher investieren wir viel in die Entwicklung der Führungskräfte vor Ort. Denn sie sind es, die Tag für Tag die Dienstleistung vor Ort koordinieren und unsere Mitarbeiter motivieren.“
Positive Stimmung heiße aber nicht, dass es nur noch lustig zugehe, warnt Tröstl: „Die nötige Ernsthaftigkeit und das Verantwortungsbewusstsein dürfen nicht leiden.“ Auch für die Mitarbeiter sei eine dauerhafte Zwangsbespaßung nicht wünschenswert: „Als Unternehmen kann man nicht 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr für das Glück und das Wohlbefinden verantwortlich sein, das sind die Menschen zum Großteil selbst. Die Mitarbeiter sollen auch abschalten können und ihre Freizeit für ihr Privatleben nutzen“, spricht sich Tröstl gegen ein ßberhandnehmen von gemeinsamen Aktivitäten vom Kegelabend über Firmenfeiern bis zu Betriebsausflügen aus. „Spaß bei der Arbeit: ja. Zwanghaft Spaß erzeugen: eher nein.“
Wohldosierte Verrücktheiten
Die Gefahr von überbordender Spaßkultur sieht auch Humorexperte Szeliga: „Man muss wissen, wann Schluss mit lustig ist. Es macht keinen Sinn, wenn der Chef nur mehr ein Kasperl ist, weil dann die Seriosität leidet oder keine Anweisungen mehr befolgt werden.“ Der Trick sei es, wohldosierte ßberraschungen und kleine Verrücktheiten zum richtigen Zeitpunkt im Büroalltag zu platzieren. „Wenn an einem heißen Tag der Chef mit einer Eiskappe am Kopf Eis an die Mitarbeiter verteilt, dann ist er vielleicht trotzdem eine Stunde später der taffe Chef, aber die Mitarbeiter spüren, der hat sich was überlegt für mich.“ Regeln zu brechen und originelle Veränderungen zu wagen, schaffe Sympathie innerhalb und außerhalb des Unternehmens. „Wie cool ist es, wenn ich in eine Bank gehe, wo alles um Zahlen, Daten, Fakten geht, und der Berater bringt mich zum Lachen. Wenn ich etwas Positives erlebe, dann erzähle ich das gerne weiter. So werden die Menschen zu Botschaftern.“
Und das helfe gleichermaßen bei der Kundengewinnung, der Mitarbeiterbindung oder guten Geschäftsbeziehungen: „Wir alle wollen Zeit mit Menschen verbringen, die uns guttun, die uns erheitern, mit denen es lustig ist“, ist Szeliga überzeugt. „Wenn jemand mit einem Lachen in die Arbeit geht, dann denkt man eher, dem gebe ich einen Auftrag. Humorvolle Menschen klettern die Erfolgsleiter viel schneller nach oben.“ Schließlich ist jeder Kunde, jeder Geschäftspartner, jeder Mitarbeiter ein Mensch mit seiner ganzen Bandbreite an Gefühlen. „Diese Emotionen, egal ob positiv oder negativ, haben einen Sinn und gehören in den Berufsalltag eingebunden.“
Das Kind in uns allen
So sieht es auch Psychologin Walenta: „Die Mitarbeiter kommen als Menschen ins Unternehmen hinein und bringen all ihre sozialen Bedürfnisse mit.“ Und dazu zähle nun mal auch das Bedürfnis nach Spiel und Spaß: „In uns allen stecken Kinder, wir wollen spielen, kreativ und lustig sein, nur dann können wir unsere Tätigkeit ganz ausfüllen. Alle Aktivitäten in Richtung Spaß sind sinnvoll, solange sie authentisch sind und zur Unternehmenskultur passen.“
Ein Allheilmittel sei Humor dennoch nicht, räumt Szeliga ein: „Wenn die Qualität des Jobs nicht mehr passt, dann ist alles andere Kosmetik. Man kann das mit netten Aktionen noch ein bisschen in die Länge ziehen, zufrieden und glücklich werden die Menschen sicher nicht.“ Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, von der Art der Tätigkeit über die angemessene Bezahlung und das Arbeitspensum bis hin zu einem wertschätzenden Umgang miteinander, sagt Szeliga. „Humor ist Geschmacksträger des Erfolges, aber nie das Hauptnahrungsmittel.“
„Flow ist der Zustand, wenn man richtig Spaß in der Arbeit hat und alles rundherum vergisst.“
Christa Walenta
Wirtschaftspsychologin und Studiengangsleiterin, Ferdinand Porsche FernFH
„Oft bieten Unternehmen Brot und Spiele. Der Effekt davon ist nach kurzer Zeit verpufft.“
Bojan Bozic
Geschäftsführer, eRecruiter
„Als Unternehmen kann man nicht allein für das Glück der Mitarbeiter verantwortlich sein.“
Gerlinde Tröstl
Geschäftsführerin, Markas
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