Die eierlegende Wollmilchsau 2
„Agrarbranche darf kein Feigenblatt für Handel sein“
An dem billigen Preis sind aber nicht nur die Konsumenten schuld. „Die Agrarbranche muss sich wieder stärker selbst auf die Beine stellen und darf sich nicht als Feigenblatt im Lebensmitteleinzelhandel benutzen lassen, es darf nicht sein, dass sich Lebensmittelhändler egal ob Spar, Billa, Merkur oder andere regionale Lebensmittel zu sehr hohen Preisen aus Imagegründen ins Regal stellen, die Hauptumsätze aber mit Billigmarken wie Clever und S-Budget machen“, sagt Pöchtrager. Der Wissenschaftler kritisiert auch die Lebensmittel-Kennzeichnung in ßsterreich. „Das AMA Gütesiegel ist das bedeutendste Siegel im Lebensmittelbereich, es ist aber auch auf Clever-Produkten oben, da verstehe ich Konsumenten, die dann zu Billigstprodukten greifen“, sagt er. Auch Hiegelsberger wünscht sich eine umfassende Herkunfts-Kennzeichnungspflicht für verarbeite Lebensmittel. „Die Konsumenten sollen bei ihren Lebensmitteln echte Wahlfreiheit haben, das wäre ein wichtiger Schritt hin zu fairen Preisen“, sagt er. Für Pöchtrager müssen sich dafür auch die Bauern selbst besser organisieren: Die Landwirtschaftskammer als Interessenvertretung solle sich stärker auf die Füße stellen. Man habe aber die Zeichen der Zeit erkannt. „Die Interessenvertretung befindet sich in einem großen Wandel, man weiß, dass gegen die Geschwindigkeit des Strukturwandels vorgegangen werden muss“, sagt Pöchtrager.
Je weniger die Landwirte als Gruppe werden, desto schwerer wird es für sie, Gehör für ihre Anliegen zu finden, auch im politischen Prozess schwindet der Einfluss, erklärt Franz Sinabell, ßkonom und Wissenschaftler des ßsterreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO). Er ist verwundert, dass nicht noch mehr Bauern jedes Jahr aufgeben und forscht derzeit zum Strukturwandel der Landwirtschaft. „Angesichts der Triebkräfte am Markt ist es erstaunlich, dass sich der Strukturwandel nicht noch stärker vollzieht, die Landwirte machen irgendwas richtig, was ich bisher noch nicht verstanden habe“, sagt er. Für Sinabell stellen neben der Preisentwicklung und Witterungsbedingungen regulative ßnderungen wie etwa Verbote von bestimmten Pflanzenschutzmitteln die Landwirte vor die größten Herausforderungen. „Durch das Verbot eines Rübenherbizids wurden dieses Jahr etwa 20.000 Hektar Rüben in ßsterreich weniger angebaut, für Landwirte, die bereits am Limit sind, wird die konventionelle Produktion deutlich erschwert“, erklärt der ßkonom. Werden ertragssichernde oder ertragssteigernde Substanzen verboten, erhöhte das den Druck auf Bauern weiter. Während immer mehr Pflanzenschutzmittel verboten werden, wird wenig in die Forschung neuer Mittel investiert. Sinabell: „Der wichtigste Lösungsansatz wäre aus meiner Sicht die Forschung und Entwicklung. Durch neue Innovationen könnte die Produktion von hochwertigen Lebensmitteln unter den Restriktionen weiterhin sichergestellt werden.“
Innovationen für mehr Effizienz
Ein heimisches Unternehmen, das im Spannungsfeld Ressourcenschonung und leistungsorientierte Produktion die Wettbewerbsfähigkeit von Landwirten erhöht, ist Agromed. Das Unternehmen beschäftigt sich allerdings nicht mit Pflanzenschutzmitteln zur Optimierung der Produktion, sondern mit Tierfutter. „Unsere Kernkompetenz liegt bei Produkten aus Lignocellulose, ein natürlicher Wirkstoff aus Holz, den Tiere unter anderem für einen gesunden Darm benötigen“, sagt Agromed-Geschäftsführer Helmut Grabherr. Mittels Spezialverfahren werden Naturfasern aus unbehandeltem Frischholz gewonnen, das aus nachhaltig bewirtschafteten Waldbeständen Europas stammt. Das Ziel ist die laufend verbesserte Qualität und Steigerung der Produktivität in der Tiernahrung. Grabherr: „Wenn man ausgewogenes Futter verwendet, dann funktioniert zum Beispiel die Verdauung besser, was zur Folge hat, dass es Tieren besser geht und die Nahrung besser umgesetzt werden kann.“ Die Wirkungsbereiche der Agromed-Produkte reichen je nach Baumart und Zusammensetzung von der Unterstützung und Entwicklung einer positiven Darmflora über die Förderung des natürlichen Wachstums bis hin zur Unterstützung des Immunsystems. Nur um Tierwohl geht es dabei freilich nicht “ auf diese Art und Weise kann auch die Produktivität erhöht werden. „Wir liefern zeitgemäße Antworten auf die Herausforderungen des Marktes und nehmen uns die Prozesse aus der Natur zum Vorbild, um die Qualität des Futters und die Gesundheit der Tiere auf natürlichem Wege zu sichern und Ernährungslücken zu füllen“, sagt Grabherr. Das Unternehmen wurde 1999 in Kremsmünster gegründet, derzeit arbeiten etwa 20 Mitarbeiter im Betrieb. Etwa 30 Prozent der Produkte werden im DACH-Raum abgesetzt, der Rest vorwiegend nach Lateinamerika und Südostasien exportiert. Im Vergleich zu dortigen Verhältnissen sind die österreichischen Landwirtschaftsbetriebe mit einer durchschnittlichen Größe von 45 Hektar winzig. „Wir haben in ßsterreich keinen wirklich großen landwirtschaftlichen Betrieb, darum würden wir uns im internationalen Wettbewerb relativ schwertun“, sagt Grabherr. Er sieht es positiv, dass man sich in ßsterreich durch den Fokus auf regionale Produkte gewissermaßen vom Rest der Welt abkoppelt.
160.000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es derzeit noch in ßsterreich, 250.000 Menschen arbeiten für sie. „Denen müssen wir in Zukunft auch eine Perspektive geben“, sagt Siegfried Pöchtrager. Dafür müssten alle anpacken “ von den Landwirten selbst über die Konsumenten, Medien bis zur Politik. Hannes Royer, Landwirt und Gründer des Vereins Land schafft Leben, lässt sich seinen Optimismus nicht nehmen, wenn es um den Fortbestand der österreichischen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion geht. Royer: „Ich bin mir sicher, dass irgendwann die Wende kommt und wir es schaffen werden, die kleinstrukturierte Landwirtschaft in ßsterreich zu erhalten. Diese Wende kann mit der Corona-Krise ihren Anfang nehmen. Jetzt ist das Bewusstsein für die Wichtigkeit regionaler und nachhaltiger Produkte hoch. Wenn wir uns als Konsumentinnen und Konsumenten jetzt klar machen, dass wir mit jeder bewussten Kaufentscheidung steuern, ob es auch in Zukunft noch österreichische Lebensmittel aus unserer Landwirtschaft und unserem Lebensraum gibt, haben wir viel gewonnen.“_
„Das Ansehen der Landwirtschaft ist verlorengegangen, das muss sich wieder ändern.“
Siegfried Pöchtrager
Wissenschaftler, BOKU Wien
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