Und tschüss! 2
Vietnam
„Extremer Unterschied zwischen Arm und Reich“
Zwei Jahre, nachdem Hannes Kinast gemeinsam mit seiner Frau das Haus fertig gebaut hatte, kam das Angebot von seinem Arbeitgeber für die Leitung der vietnamesischen Tochterfirma. Für Kinast nicht ganz überraschend.
„Wenn man in einem internationalen Konzern Karriere machen will, dann ist ein Auslandsaufenthalt zu erwarten.“ Der 35-Jährige arbeitet seit 2006 für den Papiererzeuger Delfort mit Firmensitz in Traun und leitete vor seinem Wechsel ins Ausland im Mai 2017 die Produktion des Tochterunternehmens Dr. Franz Feurstein in Traun. Gemeinsam mit seiner Frau hat Kinast dann die Entscheidung getroffen, den Job anzunehmen und für drei bis vier Jahre in Vietnam zu leben. „Es waren durchaus gemischte Gefühle dabei, denn wir sind gerne in ßsterreich und mir hat meine Arbeit bei Feurstein sehr viel Spaß und Freude gemacht. Aber meine Position in Vietnam ist ein weiterer Aufstieg in Bezug auf meine Verantwortung und es hat auch zur Lebensplanung meiner Frau und mir gepasst.“ Das Umfeld reagierte positiv “ die Familie habe sich gleich bereit erklärt, sich um das neu gebaute Haus zu kümmern.
Anfängliche Verständigungsschwierigkeiten
Ein Dreivierteljahr vor dem Jobwechsel ins Ausland gab es bei Delfort die ersten Gespräche mit Kinast. Dazu Rainer Dobringer, Head of Corporate HR bei Delfort: „Da tauchen dann plötzlich viele Themen wie Versicherungen oder Steuern auf, und diese versuchen wir von Anfang an den Mitarbeitern abzunehmen, damit sich diese aufs Arbeiten konzentrieren können.“ Die Unternehmensgruppe hat mit weltweit sechs Papierfabriken, vier Druckereien und sechs Sales-Offices reichlich Erfahrung mit Expats. Aktuell arbeiten 20 Mitarbeiter der Gruppe außerhalb ihres Heimatlandes. Die Suche sei nicht leicht, „hat bisher aber immer gut funktioniert“, sagt Dobringer. Zur Vorbereitung werden interkulturelle Trainings und als Entscheidungshilfe eine Orientierungsreise angeboten: „Bei einem Look-and-See-Trip können unsere Mitarbeiter ihren zukünftigen Arbeitsplatz und Wohnort kennenlernen.“ Für Kinast war dieser Trip sehr wichtig, „um einen gewissen ßberblick zu bekommen, auf was man sich da einlässt“: „Ich habe beim Look-and-See-Trip einen guten Eindruck vom Umfeld vor Ort bekommen.“
Und eingelassen habe er sich auf alle Fälle auf eine „ganz andere Kultur“: Die Vietnamesen haben eine strenge hierarchische Kultur und das merkt man auch im privaten Leben. Im Berufsleben zeigt sich die Hierarchie etwa bei Firmenfeiern, wo sich der Portier oder Chauffeur mit den Abteilungsleitern nicht unterhalten würde. Dass das asiatische Land anders ist, erlebe man etwa auch im Straßenverkehr: Der Verkehr ist chaotisch, Verkehrsregeln werden oft missachtet. Es gibt viele Mopeds, die kreuz und quer fahren und einem auch am Gehsteig entgegenkommen.
Hohe Loyalität gegenüber Arbeitgebern
Neben dem Verkehr ist für Kinast in Vietnam der extreme Unterschied zwischen Arm und Reich auffällig: „In der Stadt sieht man Blechhütten neben Palästen, uralte Mopeds neben Ferraris.“ Kinast lebt in Ho-Chi-Minh-City, der größten Stadt und gleichzeitig dem wirtschaftlichen Zentrum Vietnams: „Dort versucht man, eine westliche Metropole in einem asiatischen Land zu sein und dementsprechend ist alles verfügbar was wir brauchen.“ Trotz allem genießt Kinast nach ein paar Monaten in Asien wieder einen österreichischen Aufenthalt.
Im beruflichen Arbeitsalltag musste Kinast sich erst einmal an das „vietnamesische Englisch“ gewöhnen: „Am Anfang versteht man wenig, aber man gewöhnt sich daran und bis zur Ebene der Schichtleiter können alle Mitarbeiter gut Englisch.“ Bei der Führung versuche man den österreichischen Teamspirit ins Unternehmen zu bekommen. Die Vietnamesen würden das durchaus begrüßen und daher sehr gerne in europäisch geführten Unternehmen arbeiten. „Unsere Mitarbeiter zeigen große Begeisterung und sind motiviert, zu lernen“, sagt Kinast. Das Team sei sehr jung und zeige hohes Engagement, sich weiterzuentwickeln. „Wir verspüren eine hohe Loyalität der Mitarbeiter gegenüber dem Unternehmen.“
Kontakt zum Unternehmen halten
Als eine erste Bilanz nach rund einjährigem Aufenthalt sagt Kinast: „Wenn man mehrere Kulturen kennenlernt, profitiert man extrem von deren Vielfalt.“
Als einen wichtigen Punkt für Expats bezeichnet Kinast die Aufgabe, den Kontakt zum Unternehmen zu halten. „Der persönliche Kontakt zu meinen Kollegen im Headquarter beziehungsweise an den anderen Standorten ist unerlässlich, um immer up-to-date zu bleiben“, sagt Kinast und gibt das Interview deswegen auch am ersten Tag seines zweiwöchigen Heimaturlaubs am Firmensitz in Traun. Denn er nutzt den Heimaturlaub auch gleichzeitig für ein Meeting mit den Vorständen. Von Seiten des Unternehmens werden die Manager aus allen Standorten mehrmals im Jahr zu Meetings an den Firmensitz eingeladen.
Planung der Rückkehr
Delfort plant die Rückkehr seiner Expats rund ein Jahr davor und klärt dabei die Möglichkeiten der künftigen Tätigkeit im Heimatland. Für Kinast war die Zukunft im Unternehmen nach seiner Rückkehr aus dem Ausland ein wesentliches Entscheidungskriterium überhaupt nach Vietnam zu gehen: „Ich habe das Vertrauen und weiß, dass sich bei uns im Unternehmen ständig Möglichkeiten ergeben “ das gibt mir die Sicherheit, mich richtig entschieden zu haben.“
„Wenn man in einem internationalen Konzern Karriere machen will, dann ist ein Auslandsaufenthalt zu erwarten.“
Hannes Kinast
Expat in Vietnam
Thailand
„Scheitern gehört dazu“
Die Abenteuerlust nennt Armin Sonnauer als einen Grund, warum er 2016 für den Linzer Softwarehersteller MIC nach Thailand gegangen ist, um dort eine neue Niederlassung aufzubauen und einige Jahre zu leiten.
„Ich habe immer schon gerne neue Dinge ausprobiert und daher war das ein willkommenes Angebot für mich.“ Und damit ist Sonnauer laut Margit Bencic, Human Ressource-Leiterin bei MIC, auch der ideale Expat, denn dieser ist Anfang/Mitte 30 und hat noch keine Familie beziehungsweise keine Kinder. Ungewöhnlich dagegen war der Weg, wie Sonnauer zu seinem Job gekommen ist: Der jetzt 34-Jährige hatte bereits einige Jahre woanders gearbeitet und wollte sich vom MIC-Geschäftsführer nur ein Dienstzeugnis abholen. „Rausgekommen ist er mit einem neuen Job in Thailand“, erzählt Bencic, dass MIC normalerweise die Expat-Stellen für die weltweiten Standorte intern ausschreibt. Der Hersteller einer spezifischen Softwarelösung zum Verzollen von Produkten wächst stark, im vergangenem Jahr ist die Mitarbeiteranzahl um fünfzehn Prozent auf 290 gestiegen. Das Linzer Unternehmen hat mittlerweile weltweit acht Standorte. Nach der Eröffnung der thailändischen Niederlassung laufen aktuell die Vorbereitungen für einen neuen Standort in Mexiko-City. MIC entsendet pro Niederlassung immer zwei Mitarbeiter aus dem Firmensitz und diese sind bei einer Neugründung in die Vorbereitung der Offices, wie der Auswahl der Räumlichkeiten oder auch dem Recruiting, eingebunden. Zur Vorbereitung der zukünftigen Expats in ßsterreich gehört bei MIC unter anderem ein Leadership-Training und ein Sprachkurs. Die Mitarbeiter bekommen grundsätzlich zunächst einen Vertrag für drei Jahre: „Dieser ist verlängerbar und auf individuellen Wunsch aber sicher auch verkürzbar “ wir beharren da auf nichts, denn der Job im Ausland muss immer für beide Seiten wirklich passen, damit schlussendlich alle davon profitieren“, sagt Bencic.
Persönlicher Profit
Sonnauer nennt als einen großen persönlichen Profit nach knapp zwei Jahren in Bangkok seinen Freundeskreis aus über fünfzehn verschiedenen Nationen: „Wenn man Lebensgeschichten aus allen Teilen der Welt hört, beginnt man gewisse Dinge zu überdenken. Man verliert sämtliche Vorurteile und merkt, dass die Angst vor Fremden völlig unbegründet ist.“ Generell sehe man viele Dinge anders und komme drauf, dass der eigene Weg nicht immer auch für andere richtig ist. Natürlich gebe es auch Schattenseiten: Thailand ist kein Industrieland. Wenn Leute merken, dass man aus Europa kommt, dann werde da schon mal versucht, etwa bei Taxifahrten oder Veranstaltungseintritten eine gewisse Abzocke zu betreiben. Für den automatischen Handy-Abbuchungsvertrag vom Konto brauchte Sonnauer viele Versuche: „Gewisse Services sind einfach nicht auf demselben Standard, wie wir es in Europa gewöhnt sind.“ Um voranzukommen, bleibe einem nichts anderes übrig, als Mopedtaxis zu benutzen, die sich kreuz und quer zwischen den Autos im Stau durchschlängeln: „Die sind nicht ungefährlich, da sie durch den Stau sehr eng an den Autos vorbeifahren “ aber immer noch besser, als täglich im Stau zu stehen.“ Sprachliche Differenzen gehören im täglichen Leben beim Einkauf auf der Straße, Taxifahren oder in kleinen Restaurants dazu: „Das ist ganz normal, dass ich da machmal mit meinen Thai-Kenntnissen scheitere.“ Und genau mit solch einer Einstellung müsste man auch ins Ausland gehen: „Es klappen nicht alle Dinge im fremden Land so, wie man das von zu Hause kennt “ wenn man das aber erwartet, wird man nirgends glücklich werden.“
Anbindung der ausländischen Standorte an das Headquarter
Im beruflichen Leben sei der große Unterschied zu ßsterreich das starke hierarchische Denken. „In Thailand ist eine offene Diskussion über verschiedene Hierarchien im Unternehmen undenkbar.“ Netzwerke haben eine viel größere Bedeutung: „Wenn man sich nicht vernetzt, geht man unter.“ Korruption bekommt man als Expat nur am Rande mit: „Das passiert stark in den Thai-Kreisen.“ In der Niederlassung arbeiten neben Sonnauer und seinem österreichischen Kollegen, mit dem er gemeinsam den Standort aufgebaut hat, noch ein Deutscher, der bereits längere Zeit in Thailand gelebt hat sowie vier Thais, eine Inderin und eine Bangladeshi: „Diese versuchen zu verstehen, wie die europäische Kultur tickt und wir treffen uns dann irgendwo in der Mitte. Wir deutschsprachigen Kollegen versuchen eine Kommunikation in Deutsch weitgehend zu vermeiden, damit wir sprachlich niemanden ausschließen.“ Für die Anbindung der ausländischen Standorte an das Headquarter ist von beiden Seiten Flexibilität gefordert: Mit Bangkok und Mexiko-City hat MIC zukünftig zwei Niederlassungen in verschiedenen Zeitzonen. Dazu Bencic: „Wir werden Führungskräfte-Meetings zu verschiedenen Zeiten machen, sodass die Niederlassungen regelmäßig zu für sie vernünftigen Zeiten dabei sein können.“
Nicht zu viele Heimaturlaube
Sonnauer war bisher zwei Mal auf Heimaturlaub in ßsterreich “ das erste Mal nach vierzehn Monaten. „Ich habe mir vorgenommen, dass ich mich erst einmal einleben und zurechtfinden will, bevor ich das erste Mal heimfliege, und das war auch eine kluge Entscheidung“, rät Sonnauer zu nicht allzu vielen Heimataufenthalten. Denn dann komme man in eine Bequemlichkeit, knüpfe weniger Kontakte und finde sich gleichzeitig schwerer mit den anderen Gegebenheiten zurecht. Zu diesen gehört auch ein Großstadtleben: Bangkok hat in etwa gleich viele Einwohner wie ganz ßsterreich. Entgegen der landläufigen Vorstellung, dass in Asien sämtliches günstiger sei, ist dies speziell in Großstädten häufig nicht der Fall. Viele Produkte, vor allem Importwaren, seien teilweise um ein Vielfaches teurer als in Europa. Wenn man einen sehr langen Anfahrtsweg zur Arbeit vermeiden will, dann erspare man sich gegenüber Wohnungsmieten in Wien nichts. Gedanken ans Zurückkommen macht sich Sonnauer noch keine. Er ist überzeugt, dass der Aufenthalt eine wertvolle Erfahrung für sein späteres berufliches Leben ist: „Es gibt nicht so viele Leute, die längere Zeit im asiatischen Raum gearbeitet haben “ das ist ein großer Benefit für Unternehmen, die dorthin exportieren.“ MIC hat noch keine Erfahrung mit Mitarbeitern, die vom Ausland heimgekommen sind. Die Zeichen würden aber weiterhin auf kräftiges Wachstum hinweisen: „Damit entstehen immer wieder neu zu besetzende Positionen._
„Wenn man Lebensgeschichten aus allen Teilen der Welt hört, beginnt man gewisse Dinge zu überdenken und verliert sämtliche Vorurteile gegenüber Fremden.“
Armin Sonnauer
Expat in Thailand
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