Business as usual hat ausgedient
Tatort: Linz/Urfahr. Der Fall, den es zu klären gilt: Wie Marken Menschen etwas bedeuten, in einer Welt, die gefühlt immer mehr aus den Fugen gerät. Im „Verhör“: Christian Schmid, der seit Frühsommer die Beratungsgeschicke der etablierten Werbeagentur upart leitet.
„Nächster Halt, next stop: Wildbergstraße“, hallt es durch die Linzer Bim. Noch bevor sich die Türen zum Ausstieg öffnen, ist an der Glasfront des Gebäudes gegenüber schon ein markanter weißer Schriftzug zu erkennen: upart. Am Eingang kurz die „Klngl“ gedrückt, warten drinnen ein modernes Büro und eine Siebträgermaschine, die schwarzen Glücksbringer zubereitet. Und natürlich: Christian Schmid, der bereits in einem Besprechungsraum auf uns wartet. „Wann wird es endlich wieder normal?“ Nach der Begrüßung sticht diese Frage direkt ins Auge. Sie leuchtet förmlich aus dem Bildschirm an der Wand heraus und regt so nicht nur uns zum Nachdenken an, sondern veranlasst auch ihn, die Hintergründe zu erzählen. „Vor etwas mehr als zehn Jahren hatten wir als Gesellschaft die Auswirkungen der Finanzkrise zu verdauen. Ich war damals beruflich in Wien tätig und wir fragten uns: Wann wird unsere Welt wieder normal, also im Sinne von berechenbar und weniger Druck? Heute wissen wir, es wurde nie wieder normal.“
Was der langjährige Branchenkenner damit zum Ausdruck bringen möchte, ist klar: die Multi-Krise verändert sich ständig und nimmt in ihrer Intensität zu. „Das Gefühl zu haben, dass das ja gar nicht mehr aufhört, macht was mit den Leuten.“ Wir werden mit Nachrichten bombardiert und es sind bei weitem nicht alle positiv. „Waren es 2003 noch rund 6.000 Botschaften, die täglich auf uns Menschen einprasselten, reden wir heute von etwa 15.000 Stück.“ In der Informationsflut über den Klimawandel, die Energiekrise, den Krieg und die Inflation belegen Statistiken, mit welcher zunehmenden Skepsis und Sorge Menschen in die Zukunft blicken – und das durch alle Generationen und Altersgruppen. Authentizität kann für Marken und Unternehmen in dieser Flut zur „Rettungsboje“ werden. „Doch in vielen Fällen neigen sie leider dazu, ihre Kund:innen als wandelnde Geldbörsen zu sehen.“
„Marken und ihre Kundenbeziehungen leben nicht auf einer Insel“
„Dieser berühmte Leitsatz ‚Der Kunde steht im Mittelpunkt‘ ist ein schöner Gedanke. Aber trifft er auch wirklich zu? Oder brauchen wir einen Wandel weg vom Kundenfokus hin zu einem ‚Lebensfokus‘?“ Fest steht, dass Konsument:innen noch nie eine so große Auswahl an Marken zur Verfügung stand, die sie beliebig und bei Bedarf wechseln können. Schmid legt den Unternehmen daher nahe, sich selbst lebenszentriert zu überdenken. Sich für all jenes zu interessieren, was das Leben ihrer Kund:innen beeinflusst. „Wie können wir hier als Marke nützlich sein, wo können wir unterstützen? Das sind Fragen, die es zu stellen gilt. Denn in einer Zeit wie jetzt, in der es mehr Markenwechsel gibt denn je, tun sich auch große Chancen auf.“
„Es geht viel um Zukunftsfitness“
Aber wie nutzt man diese effizient? „Indem man den Menschen ins Zentrum rückt.“ Vertrauen gewinnen, aufbauen und halten sei entscheidend. „Für dieses nehmen Verbraucher:innen sogar bis zu 20 Prozent Unterschied im Preis in Kauf, da dieser nicht mehr der allein entscheidende Faktor ist.“ Der Experte weiß, dass klassische Werte wie Sicherheit, Loyalität und Verständnis vor allem dann punkten, wenn Konsument:innen verunsichert sind. „Einfach, weil sie sich davon Stabilität erhoffen.“ Speziell in der Beratung bringt das Veränderungen mit sich. „Business as usual ist für viele nicht mehr möglich und diese multiplen Krisen sind nicht von heute auf morgen zu lösen.“ Schmid greift zu einem Diagramm, das die Erwartungshaltung von Auftraggeber:innen in der Zusammenarbeit mit Werbe- und Kommunikationsagenturen abbildet. Noch vor „Kreativität und innovative Ideen“ steht an erster Stelle die Kategorie „Strategieverständnis und Konzeption“.
Ein Beleg dafür, dass die strategische Kompetenz mehr und mehr ins Zentrum der Wertstiftung einer Agentur rückt. „Damit meine ich die Fähigkeit, in diesem gesellschaftlichen Kontext die Marke mit den Menschen bedeutungsvoll zu verbinden. Wofür es wiederum die Fähigkeit braucht, Menschen, ihre Ansprüche, ihre Erwartungen und Sehnsüchte zu antizipieren. Um in weiterer Folge die Marke und ihre Botschaften danach auszurichten.“
Aus diesem Grund nimmt upart sich selbst nicht nur als Sparringspartner, sondern ein Stück weit sogar als „kreative Unternehmensberatung“ wahr, die ihre Kund:innen dabei unterstützt, gesellschaftliche Herausforderungen für ihr Unternehmen richtig einzuordnen, um relevante Angebote machen zu können. In erster Linie handelt es sich dabei um Unternehmen, die nicht nur am Erfolg von heute, sondern an dem, was morgen möglich sein kann, interessiert sind. „Wir betonen immer wieder: Es geht nicht nur darum, interessant zu sein, du musst auch interessiert sein!“ Und will eine Marke in der Praxis wirklich nützlich sein, dann braucht es konkrete Taten. „Also ein bisschen weniger Storytelling und mehr Storydoing.“_
Nah am Menschen – das ist mein Ansatz, wie man heute Werbung machen muss.
Christian Schmid
Leitung Beratung, upart
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