Benzin im Blut
Seit drei Generationen verkaufen die Reichharts in Mauthausen BMWs und sind weit über die Landesgrenzen bekannt. Ein Besuch bei einer Familie, die Benzin im Blut hat.
Hier ist jeder Zentimeter Platz genauestens verplant: Es wird geschraubt, poliert, Mechaniker begutachten Motoren. Erst 2013 wurde das Hauptgebäude von BMW Reichhart grunderneuert und die Werkstatt ausgebaut. „Wir sind trotzdem ständig voll belegt“, sagt Stefan Reichhart. Der 22-Jährige arbeitet neben seinem Wirtschaftswissenschaften-Studium an der JKU seit vier Jahren im Unternehmen und ist mittlerweile im Management tätig. „Ich habe als Verkäufer angefangen, dann die Marketingleitung übernommen, mittlerweile mache ich auch Einkauf, Controlling und Management – so viel wie es meine Zeit neben dem Studium erlaubt“, sagt Reichhart. Er gehört zur dritten Generation von Reichharts, die mittlerweile das Unternehmen leiten. Zur zweiten gehört Franz Reichhart: Seit 1980 arbeitet er im Betrieb, 1993 übernahm er ihn von seinem Vater, dem Gründer von BMW Reichhart. Beteiligt ist aber die ganze Familie: Seine Frau hilft mit, der zweite Sohn Simon kümmert sich neben dem Zivildienst um den EDV-Bereich, die Tante macht die Buchhaltung.
Nur eine einzige Chance
Seit Reichhart im Geschäft ist, hat sich für die Autohändler einiges verändert: „Heute sind die Kunden viel informierter als früher, wenn sie kommen, wissen sie schon genau, was sie wollen“, sagt er. Im Schnitt würden Käufer heute nur mehr 1,4 Mal ins Autohaus kommen, bis sie sich für ein neues Fahrzeug entscheiden und zuschlagen. „Es gilt also, sie vom Kauf zu überzeugen, wenn sie da sind“, sagt der Geschäftsführer. Meist hätte man nur eine einzige Chance – und die gilt es zu nützen. „Ohne eine gute Beratung geht nichts“, sagt Stefan Reichhart. „Während manche eine detaillierte, seriöse Beratung bis ins Detail wollen, ist bei anderen der Schmäh wichtiger“, sagt er. Auch das Internet gewinnt ständig an Bedeutung, die Autos können mit 360-Grad-Fotografie von den Kunden schon vorab im Netz begutachtet werden.
Mit seinen 22 Jahren Jahren hat Stefan Reichhart bereits umfangreiche Erfahrungen als Verkäufer gesammelt, er kümmert sich so „nebenbei“, wie er sagt, um das Geschäft mit Gebrauchtwagen. Nicht ohne Erfolg: „Im vergangenen Jahr konnte ich den Umsatz mit den Gebrauchtwagen verdoppeln“, sagt Reichhart, er sucht gezielt nach gefragten Modellen, 2015 kaufte er um drei Millionen Euro ein. Auch den Verkauf reformiert der JKU-Student. Die Bachelorarbeit schrieb er über zwei Familienunternehmen, besonders intensiv beschäftigte er sich mit Unternehmensgründung und -entwicklung. „Ich bin ein großer Freund von Mitarbeitermotivationsmodellen“, sagt er, „ich habe ein Provisionssystem eingeführt, die Kompetenzen und Verantwortungen sind genau zugewiesen.“ Stefan Reichhart zeigt auf eine Tafel in einem Besprechungsraum im zweiten Stock, die Verkaufszahlen einzelner Mitarbeiter und ihre Ziele werden hier regelmäßig analysiert und aufgelistet. Die anderen Führungskräfte haben mehr Mitspracherechte bekommen. „Sie haben aber auch mehr Verantwortung, das Modell wird von vielen Schultern getragen“, führt er aus. Im vergangenen Jahr wurde der gesamte Umsatz um fünfzehn Prozent gesteigert.
Und plötzlich fiel alles ins Wasser
Wäre die Geschichte nur ein klein wenig anders verlaufen, es gäbe das Familienunternehmen heute nicht mehr. Schuld daran sind aber nicht die Geschäftsführung oder die Mitarbeiter – sondern das Jahrhunderthochwasser im Jahr 2002. Franz Reichhart erinnert sich noch daran, als wäre es gestern gewesen. „Auf einmal war das Wasser da, so schnell, dass wir einen Teil der Autos nicht mehr wegfahren konnten“, sagt er. Er deutet auf den kleinen Tisch in seinem Büro. „Hier ist das Wasser einen Meter hoch gestanden.“ Alle elektrischen Leitungen, die Hebebühnen wurden zerstört, die Buchhaltung wurde ebenfalls vernichtet. „Der Schaden betrug zwei Millionen Euro“, sagt er, „und dann stellte unsere Bank die Haftungen fällig.“ Doch das Unternehmen findet einen neuen Kreditgeber und kann sich wieder erholen. „Damals haben wir alle zusammengeholfen, das hat uns einen großen Auftrieb gegeben“, erklärt er. Zusammenhalt und ein gutes Betriebsklima ist dem Geschäftsführer auch 2016 wichtig. Heute zählt das Unternehmen 40 Mitarbeiter, Tendenz steigend. Vor allem Mechaniker-Lehrlinge sind dringend gesucht, es sei aber schwer, motivierte und fähige junge Menschen zu finden. „Bei vier Bewerbungen kommen manchmal drei gar nicht erst zum Vorstellungstermin“, sagt Stefan Reichhart.
Auch wenn das Unternehmen einen großen Kreis zu seinen Stammkunden zählt, die etwa zwei Mal im Jahr kommen würden, wird die Vermarktung über das Internet immer wichtiger. „Wir haben viele Kunden, die extra von Graz oder Wien anreisen, weil sie von unserem Angebot überzeugt sind“, erzählt Franz Reichhart. Was ist das Besondere an diesem Angebot? „Wir bieten Fahrzeuge an, die andere Händler so nicht haben“, sagt der Geschäftsführer, „in der Ausstattung haben wir auch unterschiedlichste Varianten.“ Absolutes Alleinstellungsmerkmal: BMW Reichhart ist der einzige autorisierte Händler für antriebsstarken und hochpreisigen BMW M-Modelle. Bei unserem Besuch hat das Unternehmen gerade 155 Autos im Bestand, insgesamt umfasst das Sortiment 130 verschiedene Modelle. Seit Juni ist BMW Reichhart auch offizieller BMW i-Partner von BMW. „Elektroantriebe werden langsam mehr, man darf vor keinen Veränderungen zurückschrecken“, sagt Franz Reichhart. Ob Elektroautos in Zukunft dominieren werden, traut er sich nicht einzuschätzen. „Prognosen sind schwierig, es tut sich extrem viel.“ In einem Punkt ist er sich aber sicher: Zumindest bei seinen Kunden wird vollständig autonomes Fahren in den nächsten Jahren noch kein Thema sein. „BMW-Fahrer wollen die Freude am Fahren genießen und nicht wie in einem Taxi herumchauffiert werden“, sagt er._
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