Der Plan B
„Leben ist das, was passiert, während du fleißig dabei bist, andere Pläne zu schmieden“, sagte einst John Lennon. Ein Zitat, für das er heute wohl mehr Zustimmung bekommen würde als je zuvor. Covid-19 stellt die Welt auf den Kopf. Veranstaltungsverbote, leere Schulen, verlassene Universitäten und Menschen in Isolation. Nicht nur die Gesellschaft erlebt diese Ungewissheit, auch die Wirtschaft ist aktuell gefordert. Und was hat es eigentlich zu bedeuten, dass im chinesischen Wort für Krise („weiji“) gleichzeitig das Wort für Chance steckt?
Eine der wichtigsten Stärken der Zukunft (und wohl auch schon der Gegenwart) sei es, offen für Veränderungen zu sein, denn die Welt werde sich immer schneller drehen. Eine oft gehörte und viel gelesene Aussage in den vergangenen drei Jahren. Stellt die aktuelle Gesundheitskrise genau diese Veränderungsbereitschaft nun auf die Probe? Einen Tag nach dem sogenannten Tag X, dem 10. März 2020, als die Bundesregierung das erste einschneidende Maßnahmenpaket verkündet hat, haben wir in Wirtschaftskreisen nach den möglichen Auswirkungen dieser Gesundheitskrise gefragt.
Die Ereignisse überschlagen sich momentan – Schulen und Universitäten werden geschlossen, das soziale Leben wird auf ein Minimum reduziert und Unternehmen wird nahegelegt, ihre Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken. Wie ernst ist die Lage für die heimische Wirtschaft?
AchleitnerWir befinden uns in einer herausfordernden Situation – nicht nur die Wirtschaft, sondern die gesamte Gesellschaft ist gefordert. Wichtig ist, jetzt nicht in Panik zu verfallen, denn das hilft niemandem. Vielmehr geht es darum, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Schritte zu setzen und die Ausbreitung des Virus zumindest einzudämmen und die Auswirkungen der Folgen bestmöglich abzumildern, für alle Bereiche unserer Gesellschaft, so auch für die Wirtschaft.
Was sind aktuell die drei größten Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich im Umgang mit dem Coronavirus?
AchleitnerIch möchte es nicht am Wirtschaftsstandort alleine festmachen, sondern an Oberösterreich insgesamt. Jeder von uns ist gefordert, Eigenverantwortung zu zeigen und seinen Beitrag zu leisten, Empfehlungen einzuhalten und auch persönlich Einschränkungen mitzutragen. Aus der Sicht der Wirtschaft hat es oberste Priorität, keine Arbeitsplätze zu verlieren und Überbrückungsliquidität für grundsätzlich gesunde Unternehmen herzustellen.
„Es ist sinnvoller, jetzt kurzfristige Kosten aufgrund umfassender Maßnahmen in Kauf zu nehmen, als monatelange Ausfälle zu haben.“
Markus Achleitner
Wirtschaftslandesrat Oberösterreich
Inwiefern sind die Auswirkungen des Coronavirus für die oberösterreichische Wirtschaft (Standort, Industrie, KMUs) bereits abzuschätzen? Was bedeutet das für den Tourismus?
AchleitnerEs gibt Auswirkungen, aber wie umfassend die sein werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand sagen. Das wird vor allem davon abhängen, ob es gelingt, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, in Europa und auch weltweit. Deshalb ist es sinnvoller, jetzt kurzfristige Kosten aufgrund umfassender Maßnahmen in Kauf zu nehmen, als monatelange Ausfälle zu haben. Der Tourismus ist natürlich von allen Branchen am massivsten betroffen, deshalb wird es hier auch die größte Unterstützung brauchen.
Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Politik die oberösterreichischen Unternehmen in dieser Situation?
AchleitnerDie Bundesregierung hat bereits ein umfassendes Unterstützungspaket angekündigt und ich glaube, das sind die richtigen Maßnahmen: Haftungen für Unternehmen anzubieten, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken, weiters Kurzarbeit zu ermöglichen, um auch in dieser schwierigen Zeit keine Arbeitsplätze zu verlieren. Das hat sich bereits 2009 bewährt. Gerade die Tourismusbetriebe sind auf Überbrückungshilfen besonders angewiesen. Es darf nicht passieren, dass an sich gesunde Unternehmen durch die aktuellen Ausfälle und Stornos in Konkurs gehen.
Ganz stark betroffen von der Coronakrise sind China und Italien, zwei wichtige Handelspartner Österreichs. Was bedeutet das für Oberösterreich?
AchleitnerAls Exportbundesland treffen uns natürlich jegliche Verschiebungen, wobei sich in China die Lage erfreulicherweise wieder stabilisiert. Ganz entscheidend ist generell, dass die Liefer- und Wertschöpfungsketten innerhalb Europas aufrechterhalten bleiben. Italien ist unser zweitwichtigster Handelspartner, daher ist es natürlich wesentlich, wie sich die Situation dort entwickelt – ebenso aber auch bei unserem Haupthandelspartner Deutschland.
Krise bedeutet auf Chinesisch gleichzeitig Chance. Aber was könnte die Chance so einer Krise sein?
AchleitnerDiese Krise ist auch eine Chance, weil angesichts der Lieferausfälle auch die globalisierten Logistikketten hinterfragt werden. Wenn ein konkretes Umdenken einsetzt, die Wertschöpfungsketten wieder stärker zu regionalisieren, Unternehmen wieder größere Lager für erforderliche Ressourcen anlegen und Produktionen wieder zurück nach Europa verlagert werden, dann ist das durchaus eine Chance, gerade auch für den Standort Oberösterreich. Manche Stimmen sprechen bereits von einer möglichen Reindustrialisierung Europas, das wäre natürlich eine sehr positive Konsequenz aus der jetzigen Krise.