„Ohne Mensch keine Automatisierung“
Warum spielt der Faktor Mensch in Automatisierungsprozessen eine so große Rolle? Was ist der aktuelle Stand zum Einsatz von Robotern in der Industrie? Und welche Veränderungen der bisherigen Arbeitswelt werden dadurch künftig auf uns zukommen? Wir diskutieren mit drei Experten.
Unsere drei Gesprächspartner haben sich erst kürzlich persönlich kennengelernt, nämlich bei der Veranstaltung „Automate Upper Austria“ von Business Upper Austria. Sie kommen aus der Forschung, aus der Lehre und aus der Praxis und für uns nehmen sich Thomas Edtmayr von Fraunhofer Austria, Alfred Ritirc von Lenze Austria und Ronald Pommer von der FH Oberösterreich und der London Metropolitan University noch einmal Zeit, die wichtigsten Erkenntnisse des Events mit ihrer Expertise zu reflektieren.
Warum, denken Sie, spielt der Faktor Mensch nach wie vor so eine große Rolle in der Automatisierung?
Alfred Ritirc: Aus meiner Sicht ist es ganz klar: ohne Mensch keine Automatisierung. Er ist und bleibt ein wichtiger Know-how-Träger und Umsetzungsbegleiter. Schlussendlich soll die Automatisierung die Menschen unterstützen, die Qualität steigern und eine gewisse Kontinuität in Arbeitsprozesse bringen. Dazu braucht es auch Menschen, die die Automatismen kennen und bedienen können.
Thomas Edtmayr: Die menschenleere und zu 100 Prozent automatisierte Fabrik sehe ich auch in naher Zukunft nicht kommen. In Teilbereichen wird das zwar funktionieren, aber im Wesentlichen wird die Automatisierung immer ein Hand-in-Hand-Arbeiten von Mensch und Maschine sein. Dazu müssen die Menschen die Maschinen akzeptieren, verstehen und es müssen ihnen gewisse Ängste genommen werden.
Ronald Pommer: Man muss auch bedenken, dass wir zwei Drittel unserer wachen Lebenszeit am Arbeitsplatz verbringen. Robotik ohne Menschen ist schon allein deswegen unmöglich, weil ihnen sonst ein großer, sinnstiftender Anteil ihres Lebens genommen werden würde. Darüber hinaus wird sich die Kommunikation in automatisierten Systemen stark an den Bedürfnissen und am Verhalten des Menschen orientieren müssen, wenn sie langfristig effektiv sein soll und akzeptiert werden möchte. Und im Grunde bestimmen Menschen jetzt, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen wird.
Es herrscht oft die Angst davor, Roboter oder KI würden uns ersetzen. Kann denn die Automatisierung auch dazu beitragen, neue Arbeitsplätze zu schaffen oder die Arbeitsbedingungen zu verbessern?
Thomas Edtmayr: Bereits bei der Erfindung des Computers entstand eine Panik vor Massenarbeitslosigkeit. Das hat sich damals nicht bewahrheitet und wird es auch heute nicht. Die Menschen werden durch Automatisierung produktiver in dem, was sie tun. Es wird Automatisierungstechniker:innen brauchen und somit werden neue Jobs entstehen. Auch unter dem Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit gibt es Auswirkungen. Zum Beispiel wird es dort, wo es um Ergonomie des Arbeitsplatzes geht, Verbesserungspotentiale geben und monotone Tätigkeiten werden wegfallen.
Ronald Pommer: Was man dabei schon beachten muss: Für Menschen, die mit diesen veränderten Arbeitsbedingungen nicht umgehen können, wird dies eine starke Zutrittsbarriere zu neuen Jobsettings sein. Die Menschen, die veränderungsbereit sind, werden auch in Zukunft sehr wichtig für die Arbeitswelt sein. Außerdem können die Unternehmen durch Automatisierung ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern und so wiederum neue Arbeitsplätze sichern.
In der Wirkung erkennen Menschen den Sinn.
Ronald Pommer
Veränderungsbegleiter in Automatisierungsprozessen und Dozent, FH Oberösterreich, London Metropolitan University
Herr Edtmayr, was ist denn aus Ihrer Forschungssicht der aktuelle Stand zum Einsatz von Robotern in der Industrie?
Thomas Edtmayr: Wir von Fraunhofer Austria haben dazu eine Studie durchgeführt. 75 Prozent der befragten Industrieunternehmen setzen bereits klassische Industrieroboter ein, vor allem im Bereich von „Pick and Place“ oder Schweißrobotik. In Ausnahmefällen kommen auch Roboter für Inspektionen oder Qualitätskontrollen zum Einsatz. Wo es noch großes Potential gibt, sind kollaborative Roboter, sogenannte Cobots, bei denen Mensch und Maschine gemeinsam arbeiten. Dazu braucht es vor allem ein geeignetes Arbeitsumfeld und auch hier steht und fällt alles mit dem Menschen. Er muss den Cobot, der manchmal sogar einen menschlichen Vornamen hat, als Kollegen akzeptieren. Außerdem muss die Programmierung noch einfacher werden, um auch eine TÜV-Zertifizierung bei Veränderungen zu ermöglichen.
Herr Ritirc, Sie setzen bei Lenze schon auf Virtual Reality bei der Arbeitsplatzgestaltung. Können Sie Beispiele aus der Praxis geben?
Alfred Ritirc: Wir verwenden Virtual Reality als Planungs- und Trainingstool. Für Ersteres haben wir unsere gesamte Fabrik digitalisiert und mit einem Partner aus der Industrie mittels VR-Brille alle Arbeitsplätze dementsprechend geplant. Das ermöglicht Mitarbeiter:innen auch, als Avatare im virtuellen Arbeitsplatz zu agieren. Wir können durch die VR-Welt Planungsfehler schon frühzeitig erkennen, Laufwege optimieren und die Ergonomie sicherstellen. Als Trainingstool eignet sich VR, um die Arbeitsabläufe darzustellen und so auch beispielsweise neuen Mitarbeiter:innen zu ermöglichen, selbstständig neue Arbeitsschritte zu erlernen.
Die Automatisierung wird immer ein Hand-in-Hand-Arbeiten von Mensch und Maschine sein.
Thomas Edtmayr
Geschäftsbereichsleiter für Arbeitsgestaltung und Digitalisierung, Fraunhofer Austria
Welche zukünftigen Möglichkeiten der digitalisierten Fabrik sehen Sie noch?
Alfred Ritirc: Die gesamte Augmented-Reality-Welt wird in Zukunft noch einige Möglichkeiten bieten. Schon jetzt haben wir viele Arbeitsschritte digitalisiert, haben ein vollautomatisiertes Lager und fahrerlose Transportsysteme. Mit der Verwendung von intelligenten Werksstückträgern kann noch vieles gestaltet werden. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Zusammenarbeit entwickeln wird, wenn möglicherweise in der Zukunft humanoide Roboter eingesetzt werden.
Thomas Edtmayr: Was wir im Forschungsumfeld als weitere Möglichkeit ansehen, sind digitale Zwillinge, die unter anderem dazu beitragen, das eigene Produktionsprogramm so zu planen, dass man ein Energieminimum erreicht und trotzdem höchst produktiv ist. Doch auch im Office-Bereich wird es Erleichterungen durch Automatisierung geben. Man denke nur daran, wie leicht es in Zukunft durch KI-Anwendungen sein wird, zwischen verschiedenen Sprachen zu übersetzen.
Wie können die Führungsebenen und das HR-Management nun sicherstellen, dass die Mitarbeiter:innen die Entwicklungen der Automatisierung auch mittragen?
Alfred Ritirc: Wichtig ist, die festgelegten Geschäftsziele mit den Maßnahmen und Strategien der einzelnen Teams in Einklang zu bringen. Es braucht in jedem Fall gutes Change-Management, nicht nur bei der Ankündigung von Neuerungen, sondern während des gesamten Prozesses.
Thomas Edtmayr: Und es braucht Kompetenzmanagement im Unternehmen: Welche Kompetenzen brauche ich bei meinen Mitarbeiter:innen? Was muss ich outsourcen? Und wie kann ich die Kompetenzen meiner Mitarbeiter:innen weiterentwickeln?
Ronald Pommer: Das HR-Management muss „alternsgerechtes Arbeiten“ ermöglichen, also darauf achten, welcher Lebenszyklus welche Arbeitsumgebung verlangt. Unternehmen, denen das gelingt, werden Magneten für Mitarbeiter:innen sein. Das Onboarding oder gewisse Events können durch Automatisierung komplett anders aussehen. Auch Mitarbeiterbeteiligungsmodelle und Bezahlkonzepte müssen neu gedacht werden. Und Menschen sollten die Gelegenheit bekommen, zu Mitgestalter:innen zu werden. Jene Mitarbeiter:innen, die besonders veränderungsbereit sind, könnten als Vertrauenspersonen für andere agieren und sie bei der Reise begleiten. Insgesamt bedarf es in Zukunft noch viel stärker eines Managements mit Herz, Hirn und Hand. Geben wir den Menschen die Chance, in automatisierten Arbeitsumgebungen wirksam zu sein, dann werden sie mit Begeisterung mitmachen, weil sie darin Sinn erkennen._
Der Mensch ist und bleibt ein wichtiger Know-how-Träger und Umsetzungsbegleiter.
Alfred Ritirc
Werksleiter Asten, Lenze Austria
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