Individuell und automatisiert: Geht das?
Er ist eigentlich altbekannt, aber dennoch neu. Er wurde lang unterschätzt, gewinnt aber durch die Digitalisierung wieder an Bedeutung. Er punktet in einer schnelllebigen Welt nicht durch Schnelligkeit, hat aber dennoch großes disruptives, gesellschaftsveränderndes Potential. Er kann automatisieren, aber ganz individuell. Die Rede ist vom 3D-Druck.
„Den 3D-Druck, besser gesagt die additive Fertigung, gab es schon vor 30 Jahren und damals glaubte man, jeder würde in ein paar Jahren einen 3D-Drucker zuhause haben. Letztlich hat man die Komplexität für die breite Masse unterschätzt“, sagt Universitätsprofessor Matthias Fink. Ein 3D-Drucker für jedermann zuhause sei nach wie vor eine Utopie. Kein unrealistisches Szenario sei jedoch die Entstehung von Dienstleistungsnetzwerken. Nicht jeder Gewerbe- oder Handwerksbetrieb werde einen solchen Drucker brauchen, noch ihn sich leisten können. Aber Kooperationen für die Herstellung bestimmter Teile seien durchaus wirtschaftlich sinnvoll und profitabel, so Fink: „3D-Druck ermöglicht es vor allem kleinen Handwerksbetrieben, in größerem Maßstab, aber dennoch individuell zu produzieren.“
Es muss nicht für alle Sinn machen
Bei fünfstelligen Summen für kleinere Drucker werde man daher auf Drucker-Partnerschaften mit anderen Firmen setzen. Also auf eine hochspezialisierte 3D-Druck-Branche, etwa in Form von Joint Ventures, wo man sich einen Drucker teilt und für jedes Spezialproblem Teile drucken kann, zum Beispiel Gewinde oder Winkel für Installateure, Fahrradsattel, Skischuhe, Prothesen, Zahnersatz, Gelenke oder Laufschuhe. Auch kann etwa ein Goldschmied mittels 3D-Druckverfahren Teile von Schmuckstücken anfertigen oder ein Konditor Tortenformen oder Marzipanfiguren drucken. Das traditionsbewusste Gewerbe und Handwerk dürfe sich gegenüber neuen Technologien nicht verschließen, so der Spartenobmann von Gewerbe und Handwerk, Leo Jindrak. Mitgliedsbetriebe zu informieren, aufzuklären und anzustoßen, mit einer Kosten-Nutzen-Rechnung abzuwägen, ob die Anschaffung eines 3D-Druckers oder Joint Ventures Sinn mache, sei das vorrangige Anliegen der Wirtschaftskammer. „Wir Gewerbe- und Handwerksbetriebe müssen die neuen Technologien als Unterstützung zum traditionellen Handwerk sehen. Technologien wie der 3D-Druck eröffnen uns völlig neue Möglichkeiten, können Zeit und Kosten sparen sowie unsere Leistung für den Kunden noch effizienter machen“, sagt Jindrak. In diese Kerbe schlägt auch der Spartengeschäftsführer des Gewerbes und Handwerks, Heinrich Mayr: „Wir unterstützen die oberösterreichischen Gewerbe- und Handwerksbetriebe dabei, wettbewerbsfähig zu bleiben, hier bietet der 3D-Druck attraktive Möglichkeiten. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, über diese Potentiale zu informieren und bei den Betrieben ein Bewusstsein dafür zu schaffen.“ Aus diesem Grund hat die Sparte Gewerbe und Handwerk gemeinsam mit dem Institut für Innovationsmanagement der JKU in einer Studie unter der Leitung von Professor Fink die Potentiale der additiven Fertigung für den Wirtschaftsstandort Österreich erheben lassen._
3D-Druck: Was kommt wirklich auf uns zu?
„Der 3D-Druck ermöglicht eine gleichzeitig automatisierte, aber individuelle Produktion, beim Vergleich zwischen alter und neuer Produktion dürfen nicht nur die reinen Produktionskosten verglichen werden und die additive Fertigung ist nicht zwangsweise für jeden Betrieb sinnvoll“, fasst Studienleiter Matthias Fink die Ergebnisse zusammen.
- 01 Additive Fertigung erlaubt eine gleichzeitige Automatisierung und Individualisierung der Produktion.
Automatisierte Individualisierung ermöglicht es, auf eine größere zu produzierende Stückzahl zu überführen. So können die Produkte individueller als bisher gestaltet und gleichzeitig automatisiert hergestellt werden. Zum Beispiel können bei einem Set für Schienbeinschoner oder bei Ski-Schuhen die Schienbeine und die Füße eingescannt werden und dann mit dem Drucker automatisiert individuelle Teile gedruckt werden. Der Schlüssel liegt also in der größeren Skalierbarkeit. Neue Wettbewerbsvorteile können entstehen, wenn es dem Gewerbe und Handwerk gelingt, das Alleinstellungsmerkmal der persönlichen Kundenbeziehungen für die Individualisierung und Automatisierung zu nutzen. „Handwerk ist somit erstmals skalierbar“, so Fink.
- 02 Bei alter und neuer Produktion (3D-Druck) dürfen nicht nur die reinen Produktionskosten verglichen werden.
Ob additive Fertigungsverfahren eingesetzt werden, darf nicht auf einem reinen Vergleich der Kosten der bisherigen mit der neuen Produktion entschieden werden. „Der Vergleich zwischen alter und neuer 3D-Druck-Produktion muss auf Basis der mit dem jeweiligen Verfahren erfüllten Kundenbedürfnisse und dem damit erzielten Mehrwert erfolgen“, sagt Fink. Weil die additive Fertigung auch mehr ermöglicht als die alte Produktion, kann es sein, dass der tatsächliche Mehrwert größer ist und damit trotzdem ein Kostenvorteil entsteht, obwohl die neue Produktion teurer ist. Der Fokus liegt daher nicht auf einem reinen Kostenvergleich, sondern auf dem Vergleich der befriedigten Kundenbedürfnisse.
- 03 Additive Fertigung ist nicht für jeden Handwerksbetrieb geeignet.
Die Nutzung eines 3D-Druckers ist kein Muss. Die Unternehmen sollten sich aber mit diesem Thema auseinandersetzen, um die Vor- und Nachteile abzuwägen. Besonders für kleine Betriebe können Wettbewerbsvorteile entstehen, wenn das Angebot etwa durch Firmen-Kooperation und Joint Ventures klug genutzt wird, weil man keine Fixkosten tragen muss. „Viele Betriebe werden auch in Zukunft keinen 3D-Drucker nutzen – zumindest keinen eigenen“, sagt Fink.
„Wir müssen neue Technologien als Unterstützung zum traditionellen Handwerk sehen.“
Leo Jindrak, Spartenobmann Gewerbe und Handwerk, Wirtschaftskammer Oberösterreich
„Der 3D-Druck bietet unseren Betrieben attraktive Möglichkeiten, die wir bewusst machen wollen.“
Heinrich Mayr, Spartengeschäftsführer Gewerbe und Handwerk, Wirtschaftskammer Oberösterreich
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