Programmierer: Und es gibt sie doch.
Wenige Köpfe sind am Arbeitsmarkt umkämpfter als jene von guten Programmierern. Während schon so manche HR-Abteilung an der Suche nach IT-Fachkräften verzweifelt ist, kann das Linzer Software-Unternehmen Catalysts nicht nur seinen hohen Bedarf an neuen IT-Spezialisten decken, sondern sogar noch welche an Partnerunternehmen weitervermitteln. Möglich macht das eine einzigartige, langfristige Strategie.
Hätte es zu Beginn des Hochmittelalters einen Fachkräftemonitor gegeben – er hätte (hoffentlich) einen eklatanten Mangel an Steinmetzen prophezeit. Das bevorzugte Baumaterial wandelte sich langsam von Holz zu Stein, mit dem neuen Werkstoff konnten die meisten nicht auf hohem Niveau umgehen. Eine normale Mauer aufstellen? Weniger problematisch. Aufwändig verzierte und spielerische Fassadenelemente gestalten? Ohne Fachwissen ein Ding der Unmöglichkeit. Händeringend suchten die damaligen Auftraggeber gut ausgebildete Steinmetze – und versuchten sie mit einem attraktiven Arbeitsumfeld anzulocken. Die Steinmetze des Hochmittelalters sind heute gute Programmierer, die komplexen Bauleistungen komplexe Codezeilen. Für viele Unternehmen wird die Suche nach IT-Fachkräften zum Überlebensfaktor. So war es auch beim Linzer Software-Unternehmen Catalysts. „Wir haben in den vergangenen Jahren erkannt, dass es nicht unsere größte Herausforderung ist, die richtigen Kunden zu finden“, erinnert sich Catalysts-Brand-Manager Patrick Haebig, „die größte Herausforderung ist es, die richtigen Köpfe für unser Unternehmen zu finden.“ Innerhalb von zwölf Jahren ist das Unternehmen von einer auf 240 Personen gewachsen, das jährliche Wachstum beträgt 30 bis 40 Prozent. Die Kunden kommen mittlerweile fast von selbst: Nischen-Weltmarktführer, die Lösungen für ihre komplexen IT-Probleme suchen, wenn die eigenen Experten nicht mehr weiterwissen oder Kapazitäten fehlen. „Deswegen brauchen wir Programmierer, die auf hohem Niveau arbeiten und auf der Suche nach Herausforderungen sind“, sagt Haebig. Genau diese Zielgruppe wurde schon bald vom Unternehmen angesprochen. 2007 startete Catalysts einen Programmier-Wettbewerb an der Johannes Kepler Universität.
„Wir haben in den vergangenen Jahren erkannt, dass es nicht unsere größte Herausforderung ist, die richtigen Kunden zu finden, sondern die richtigen Mitarbeiter.“
Patrick HaebigBrand-Manager, Catalysts
Wie verändert sich der Code, wenn je zwei Programmierer gemeinsam an ihm schreiben? Und wie kommt ein Contest an, bei dem sich Programmierer miteinander messen können? „Die Rückmeldungen waren gut, die Leute haben uns gefragt, ob wir wieder solche Wettbewerbe veranstalten können“, erinnert sich Haebig. Welche Dimensionen sich daraus entwickeln, hätte man damals aber wohl selbst nicht gedacht. Mittlerweile finden jährlich zwei solcher Contests statt – mit etwa 5.000 Teilnehmern weltweit und mehr als 100 parallelen Austragungsstätten insgesamt. Fällt der Startschuss, haben Programmierer von den USA bis Indien vier Stunden lang Zeit, bis zu acht Level mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad zu lösen. „Die Aufgaben ergeben sich oft aus unseren Kundenprojekten, wo wir knifflige Probleme lösen mussten“, sagt Haebig. Ohne Hintergedanken werden die aufwändigen Contests nicht organisiert: Catalysts profitiert gleich doppelt. Einerseits steigt der eigene Bekanntheitsgrad in der Szene enorm, andererseits kann man die besten Programmierer identifizieren und ihnen Angebote machen. Haebig: „Natürlich wollen wir nicht alle 5.000 und alle wollen auch nicht zu uns – davon profitieren Partnerunternehmen und Sponsoren des Contests.“ Die bekommen die Möglichkeit, an die Entwickler heranzutreten.
Finden, binden, weiterentwickeln
Sind die richtigen Programmierer gefunden, beginnt der nächste Schritt der Strategie, die Catalysts „find, bind, develop“ nennt – die Fachkräfte an das Unternehmen binden. Heißt: ihnen ein möglichst angenehmes Arbeitsumfeld zu bieten. Um Mitarbeitern das Pendeln zu ersparen, werden an vielen Standorten kleine Büros errichtet. Dazu kommen eine flache Hierarchie, flexible Arbeitszeiten und Homeoffice sowie Wissensaustausch untereinander. Jede Woche wird die Sitzordnung in den Büros per Zufallsgenerator geändert. Bürokratische Hürden und konventionelle Prozesse werden soweit es geht vermieden oder hinterfragt. „Als ich neu im Unternehmen war, sind einige Mitarbeiter einfach mitten in meinem ersten Meeting aufgestanden und gegangen. Ich war erstaunt“, erinnert sich Haebig. Was in manch anderen Unternehmen ein mittleres Drama ausgelöst hätte, ist bei Catalysts ganz normal. Niemand wird gezwungen, Besprechungen bis zum Schluss zu ertragen. „Wenn jemand das Gefühl hat, dass er nichts mehr beizutragen hat oder die Informationen für ihn irrelevant sind, kann er einfach aufstehen und niemand wird ihm böse sein.“
Dazu kommen noch weitere Maßnahmen, die Haebig als einen „Haufen Kleinigkeiten“ bezeichnet: Etwa gemeinsames Essen; ein Geldtopf, den die Mitarbeiter selbst verwalten können, um etwa Events zu organisieren; ein eigener Friseur oder Masseur-Besuche im Betrieb. Diese Maßnahmen lohnen sich: Vier Mal wurde Catalysts von seinen Mitarbeitern auf kununu.com zum beliebtesten Arbeitgeber Österreichs gewählt.
Von der Arbeitgebermarke können sich auch schon junge Talente überzeugen – jährlich werden 60 Praktikumsplätze an Schüler und Studierende vergeben. Jeder von ihnen bekommt einen erfahrenen Mitarbeiter als Coach zugewiesen. „Der weicht ihm nicht von der Seite, solange es nötig ist“, sagt Haebig, „die Praktikanten arbeiten an echten Projekten mit.“ Daran würden übrigens nicht selten auch die Coaches profitieren, die immer wieder ihr eigenes Know-How durch die Inputs der Praktikanten erweitern können._
Wie finde und behalte ich als Start-up gute Programmierer?
Vier Tipps von Patrick Haebig
- 01 Auf Entwicklerkonferenzen sichtbar werden _Wenn du zeigst, dass du etwas drauf hast, sind Entwicklerkonferenzen ideal, um den Bekanntheitsgrad zu steigern und Vertrauen aufzubauen.
- 02 Nähe zu Schulen und Universitäten _Gerade durch Präsenz vor Ort können wertvolle Kontakte zu Talenten und motivierten Menschen geknüpft und die eigene Bekanntheit gesteigert werden. Die Nähe zu den richtigen Hebeln suchen. Einzelne Studierende kennenlernen ist manchmal mühsam, gute Kontakte zu Professoren erleichtern vieles.
- 03 Eigene Strukturen hinterfragen _Viele große Unternehmen haben Prozesse, die 2018 schon obsolet sind. Es gilt, ständig die eigenen Strukturen zu hinterfragen und flexibel zu bleiben.
- 04 Die richtige Fehlerkultur _Wir alle lernen aus Fehlern – auch Mitarbeiter sollen Fehler machen dürfen.
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