„Sich abzuschotten funktioniert auf Dauer nicht“
Turbulent: So lässt sich die außenwirtschaftliche Lage der letzten Jahre in nur einem Wort wohl am besten beschreiben. Als Exportkaiser begegnet das Produktionsland Oberösterreich durch den Ukrainekrieg und die Coronakrise ständig neuen Herausforderungen. Im Interview spricht Landeshauptmann Thomas Stelzer darüber, worauf es in unsicheren Zeiten ankommt und ob man den Wohlstand auch in Zukunft sichern kann.
Mehr als ein Viertel aller nationalen Exporte stammen aus Oberösterreich. Was muss getan werden, damit man auch künftig Exportkaiser bleibt?
Thomas StelzerWir setzen alles daran, dass das so bleibt, da diese Stärke Arbeitsplätze sichert. Jeder zweite Arbeitsplatz in Oberösterreich wird de facto durch Exporte gesichert. Nach den Lockdowns in der Coronakrise haben sich die Exporte schnell erholt und das Vorkrisenniveau wieder erreicht oder sogar übertroffen. Allerdings ist die momentane weltpolitische Lage wieder eine neue. Bei diesen Herausforderungen müssen wir gemeinsam mit den Unternehmen alles daran setzen, dass wir uns weiterhin auf den Weltmärkten behaupten können.
Ein Blick auf den Fachkräftemonitor zeigt deutlich: Das Fachkräfteangebot sinkt, während die Nachfrage jährlich steigt. Allein in Oberösterreich soll es bis 2030 einen Engpass von bis zu 129.000 Fachkräften geben. Wie deckt man diesen Bedarf nachhaltig, um auch in Zukunft „liefern“ zu können?
Thomas StelzerDas Positive ist: Wir haben nahezu Vollbeschäftigung. Die Kehrseite der Medaille ist allerdings, dass uns ganz, ganz viele Arbeitskräfte fehlen. Was können wir dagegen tun? Auf der einen Seite müssen wir die Unbeschäftigten mit Qualifikations- und Schulungsangeboten wieder zurück in den Arbeitsalltag bringen. Auf der anderen Seite können wir durch ein stärkeres Teilzeitangebot vielen Menschen Möglichkeiten schaffen, für die keine Vollzeitstelle in Frage kommt. Außerdem bietet ein gut organisierter und kontrollierter Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland große Chancen, etwa durch die jüngste Neuregelung der Rot-Weiß-Rot-Karte.
Kann Oberösterreich mittel- und langfristig ein Produktionsland bleiben?
Thomas StelzerAuf jeden Fall! Wir setzen stark auf Innovationen und die fortschreitende Digitalisierung. Bildung, Forschung und Qualifikation sind für uns von zentraler Bedeutung – diesen Themen verdanken wir unseren Vorsprung gegenüber anderen Regionen. Daher freuen wir uns sehr auf die neue Digital-Universität in Linz, um weiterhin einen Schritt voraus zu sein. Ohne Innovation würde uns dies nicht gelingen.
Fehlt in der Gesellschaft das Bewusstsein dafür, dass wir den heimischen Wohlstand nach wie vor durch unseren eigenen Input erarbeiten müssen?
Thomas StelzerIch glaube, die allermeisten haben den Gedanken und den Antrieb, etwas voranbringen zu wollen. Die grundsätzliche Einstellung, durch eigene Leistung etwas zu erreichen, ist für jede:n Einzelne:n in unserer Gesellschaft gegeben. Vielleicht müssen wir für die Dimension in Summe ein noch größeres Bewusstsein schaffen, allerdings wirft die weltpolitische Lage natürlich viele Fragen auf. Wir leben in unsicheren Zeiten, weshalb sich viele Gedanken darüber machen werden, wie sehr die eigene Branche oder der eigene Arbeitsplatz betroffen ist.
Müssen wir neue Quellen des Wohlstandes erschließen, um die derzeitigen Herausforderungen zu meistern?
Thomas StelzerIm internationalen Vergleich gibt es kaum derart gesicherte Regionen wie unsere. Ich bin überzeugt, dass das so bleibt, da unsere Leistungen für Sicherheit gesorgt haben und sorgen werden. Jedoch ist die Welt nicht mehr so wie vor dem Ukrainekrieg oder vor Corona, einiges sortiert sich gerade neu. Dadurch definiert man vielleicht den Begriff Wohlstand anders, das unterscheidet sich ohnehin für jede:n Einzelne:n. Dahingehend wird sich zwar einiges tun, aber wir als Region werden eine der wohlhabendsten der Welt bleiben.
Mit dem Automotivbereich steht einer der stärksten Wirtschaftsmotoren vor einem großen Umbruch. Schweden hatte zuletzt eine Wachstumsrate von 366 Prozent bei den E-Autos, gestattet ab 2030 keine Neuzulassungen mehr für fossile Kraftstoffantriebe und baut den Anteil an Biokraftstoffen aus. Durch welche Maßnahmen sichert man hierzulande diesen Wohlstandsbringer?
Thomas StelzerDie Unternehmen in diesem Bereich sind längst Teil der Transformation und gestalten diese aktiv mit. Verbrennermotoren erzielen hierzulande nach wie vor hohe Absätze, zeitgleich wird aber mit der E-Mobilität eine echte Alternative vorangetrieben. Unsere Aufgabe wird sein, diese Parallelität in den kommenden Jahren zu bedienen, bis langfristig die alternativen Antriebsformen überhandnehmen.
Wie kann man das vonseiten der Politik vorantreiben?
Thomas StelzerIm Bereich Forschung und Innovation leisten wir Unterstützung, um diese Prozesse zu beschleunigen und mitzufinanzieren. Darüber hinaus versorgen wir Unternehmen für ihre Erweiterungen mit der benötigten Infrastruktur, etwa durch Flächen, Straßen, die öffentliche Verkehrsanbindung oder den Breitbandausbau. Wir schaffen also die notwendigen Rahmenbedingungen.
Welche Lehre(n) sollte man aus den Krisenzeiten jetzt ziehen, um langfristig unabhängig zu werden und zugleich die Exportstärke auszubauen?
Thomas StelzerWir werden immer nur dann wachsen können, wenn wir weltoffen sind. Nichtsdestotrotz müssen wir uns die Frage stellen, wo die Stärken und Schwächen der Globalisierung liegen. Dahingehend stehen wir vor der Entscheidung, welche Produkte und Bestandteile wir wieder innerhalb der eigenen Grenzen produzieren möchten – selbst um den Preis, dass dadurch eingangs höhere Kosten entstehen könnten. Im Gegenzug sichert man dafür aber die heimische Versorgung und die eigene Entwicklungshoheit. Letztendlich kommt es auf die Mischung an, weil sich abzuschotten auf Dauer nicht funktionieren wird._
Wir werden immer nur dann wachsen können, wenn wir weltoffen sind.
Thomas Stelzer
Landeshauptmann Oberösterreich
# Gedankensprung
mit Landeshauptmann Thomas Stelzer
Oberösterreichs Exportstärke in einem Satz erklärt_ Weltoffene Leute, die anpacken und etwas erzeugen, das die Welt fasziniert.
Im Falle einer Rezession müssen wir_ schauen, dass wir auch beim Wachstum wieder an vorderster Stelle stehen.
3 Dinge, für die „Made in Upper Austria“ als Qualitätssiegel bekannt ist_ Umwelttechnik, Automotiv und ganz viele andere Wirtschafts- und Industriebereiche sowie unsere Lebenskultur
Ohne diese Importware könnte ich nicht leben_ mein Smartphone (lacht)
Diese Schulnote würde ich Oberösterreichs Exportleistung 2022 bisher geben_ unter den derzeitigen Umständen einen Einser
Und diese Schulnote dem restlichen Land_ Gut, aber man kann und soll besser werden
Startups und Neuexporteur:innen empfehle ich_ mutig zu sein, alles zu beginnen und sich von einem Scheitern nicht
unterkriegen zu lassen.
#Weitere Artikel
„Ein unglaubliches Land quasi vor der Haustüre“
Als neuer Honorarkonsul der Russischen Föderation für Oberösterreich will Wolfgang Mayer, Geschäftsleiter für Unternehmenskommunikation, Marketing und Sponsoring bei Backaldrin, die Zusammenarbeit der beiden Länder vertiefen. Im Interview spricht er über seine neuen Aufgaben, die Möglichkeiten des Wirtschaftsstandortes Russland und warum er ein gesteuertes „Russland-Bashing“ in den Medien sieht.
„Unternehmergerechte Politik ist wie das Bohren harter Bretter“
Umso wichtiger ist es daher, das geeignete Werkzeug dafür mitzubringen. Dazu gehört für Angelika Winzig, Abgeordnete im Europäischen Parlament, die Dinge anzupacken und unbürokratische Lösungen zu finden. Wie sie selbst als Unternehmerin mit dieser Denkweise einst zur Politik gekommen ist und was sie in Brüssel bewegt? Wir schreiben ihr auf WhatsApp …
Im Dialog für die Zukunft Oberösterreichs
Oberösterreich ist laut aktuellem Ranking unter die Top 20 der EU-Industrieregionen aufgerückt. Für Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner ist diese Entwicklung sehr erfreulich, aber kein Ruhekissen. Sondern vielmehr ein Ansporn, noch besser zu werden.
„Vertrauenswürdige KI ist ein wichtiger Erfolgsfaktor“
Oberösterreich soll bis 2030 zu einer Modellregion für Human-Centered Artificial Intelligence werden. Welche Zutat für Landeshauptmann Thomas Stelzer im Erfolgsrezept dieser KI-Hochburg auf keinen Fall fehlen darf? Ethische Standards, die die nötige Sicherheit und einen vertrauenswürdigen Umgang mit dieser Zukunftstechnologie gewährleisten.
Auslaufmodell: Vollkasko-Mentalität
„Wir werden nur so erfolgreich und auch so sozial ausgewogen bleiben, wenn viele Leute bereit sind, ihre Talente, ihre Kompetenzen einzubringen und Leistung zu zeigen.“ Der Kurs für ein erfolgreiches Oberösterreich ist für Thomas Stelzer daher klar: Als Landeshauptmann setzt er die Segel in Richtung Arbeit und Leistung, die sich spürbar lohnen (müssen).
DurchGESETZt & durchzusetzen
Ein Auszug aus neuen Gesetzen, Beschlüssen und Verordnungen des oberösterreichischen Landtages und des österreichischen Nationalrates.
„Wir wollen einfach dazugehören“
Neue Maßstäbe setzen. Der Anspruch von Sozial-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer ist gewiss kein geringer. Gemeinsam mit der Lebenshilfe OÖ und pro mente OÖ ist ihm genau das für die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in unserer Gesellschaft gelungen: Linz-Wegscheid erwacht als erster inklusiver Stadtteil Oberösterreichs zum Leben.
Wie Wohnträume leistbar bleiben
Wohnen ist ein hochemotionales Thema. Für viele geht es um Sicherheit und Familien-
sowie Lebensplanungen, zum Teil über Generationen hinweg. Und um Rückzugs- und
seit der Pandemie auch Arbeitsorte, an denen wir uns wohlfühlen müssen.
Die aktuelle Teuerung? Kein gern gesehener Gast.
„Die Gäste fühlen sich in Oberösterreich willkommen“
Im Sommer wurde die neue Landes-Tourismusstrategie 2030 präsentiert. Im Interview erzählt Wirtschafts- und Tourismus-Landesrat Markus Achleitner über die touristische Entwicklung des Bundeslandes, warum Oberösterreich im Ranking der gastfreundlichsten Destinationen weltweit den dritten Platz erreichte – und welche Maßnahmen er vom Bund fordert, um den Fachkräftemangel in den Griff zu bekommen.
Lernen wir von Don Pablo!
Das Medellín der 1980er Jahre. Starke soziale Spannungen befeuern den langanhaltenden Bürgerkrieg, der Handel mit Kokain boomt. Und mittendrin, ebenso berühmt wie berüchtigt, zieht Pablo Emilio Escobar Gaviria die Fäden. Die Handschrift des wohl größten Drogenbarons unserer Zeit: brutal, skrupellos und dennoch mit einem Gespür fürs Business. Was wir uns am Beispiel seines und anderer Drogenkartelle abschauen können? Exportstärke verlangt nach einer klaren Strategie. Über ungewöhnliche Vorbilder, die eigentlich keine sind.
Export 2030: Zukunfts- oder Auslaufmodell?
Grüne Transformation, digitaler Wandel, Arbeitskräftemangel. Die Liste der Herausforderungen für die heimische Exportstärke ist lang. Sind Hopfen und Malz bereits verloren oder blüht die Zukunft des Exports? Zwei Perspektiven aus der Industrie bringen Licht ins Dunkel.
5-Punkte-Plan für die Wohnbauförderung Neu
„Die weiterhin sehr hohen Baupreise sowie die steigenden Zinsen am privaten Bankensektor machen den Ausbau des Förderdarlehens seitens des Landes Oberösterreich notwendig“, so Wohnbaureferent Manfred Haimbuchner. Daher hat sich das Land OÖ gemeinsam mit Genossenschaften und Bauträgern auf einen Fünf-Punkte-Plan geeinigt, um dafür zu sorgen, dass in OÖ weiterhin leistbarer Wohnraum entsteht.
„Wir wollen das Kinderland Nummer eins werden“
Das Land Oberösterreich hat angekündigt, in diesem Jahr zusätzlich fünf Millionen Euro in die Zukunft der oberösterreichischen Familien zu investieren. Wir haben bei Landeshauptmann Thomas Stelzer nachgefragt, welche konkreten Maßnahmen geplant sind und warum Investitionen in die Familienpolitik von großem Interesse für den Standort sind.
„Politiker zu sein ist mein Traumjob“
„Eine gute und gerechte Welt für alle Menschen ist möglich.“ Seit dem 10. November 2022 ist Michael Lindner Landesrat in Oberösterreich. Wir haben ihn am ersten Tag seiner Amtszeit besucht und gefragt, welche Weichen er als Landesrat neu stellen will. Über einen Politiker, der seinen Beruf als Traumjob bezeichnet und lieber Windräder in der Landschaft sieht als brennende Wälder in den Nachrichten.
PR
Exportrekord im Jahr 2022
Einen Exportrekord von knapp 50 Mrd. Euro konnten WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer und Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner am Exporttag 2022 verkünden.
Eine Prise Lombardei
Eine 404 Kilometer lange Landesgrenze verbindet Österreich und Italien miteinander. Was die beiden Alpenrepubliken wirklich vereint, ist dabei mehr als die Liebe zur Kulinarik, gutem Kaffee und den umliegenden Berglandschaften. Zwei Nationen, eine Erfolgsgeschichte und wie sie diese weiterschreiben möchten.
„Wir fallen im internationalen Vergleich zurück“
Einen langfristigen Wohlstandsverlust, ausgelöst durch fehlende Innovation, befürchtet NEOS Oberösterreich. Statistiken würden eine absteigende Attraktivität Oberösterreichs für Neugründer:innen belegen. Als Gründe sieht Landessprecher
Felix Eypeltauer unter anderem fehlendes Risikokapital und eine zu hohe Abgabenlast. Im Interview spricht er von Fehlern der Regierung – und Lösungsansätzen.
„Wir lassen die Menschen in diesen Zeiten nicht allein“
Österreich, 1997. In seiner Geburtsstadt Linz tritt Thomas Stelzer in den oberösterreichischen Landtag ein – rund 20 Jahre später wird er zum Landeshauptmann gewählt. Sei es durch die Finanz- oder die Asylkrise, die er in seiner politischen Laufbahn überwindet – Herausforderungen dieser Art sind kein Neuland mehr für ihn. Weniger wurden sie zuletzt jedoch auch nicht. Im Gegenteil. Denn wieder einmal lautet die Frage: Wie führt man ein Land aus der Krise? Im persönlichen Gespräch mit Landeshauptmann Thomas Stelzer.