„Nein, wir schwimmen nicht im Öl“
Industrie 4.0, Fachkräftemangel, schwierige Standortbedingungen. An Herausforderungen für Unternehmen mangelt es nicht. Bei BRP-Rotax, dem Tochterunternehmen der kanadischen BRP, scheint man diese gut zu bewältigen: Das Motorenwerk in Gunskirchen mit rund 1.150 Beschäftigten ist bei der Produktion fast vollständig ausgelastet, es werden jährlich etwa 250.000 Motoren für den Powersportbereich produziert. Thomas Uhr, seit drei Jahren Geschäftsführer, über schlummerndes Potential und falsche Zugänge zu jungen Menschen.
Wenn ein Flugzeug mit einem Rotax-Motor am Flughafen landet, meldet es sich im GSM-Netz an und gibt seine technischen Daten automatisch durch. Damit ist etwa bekannt, wann Teile ausgetauscht werden müssen oder die nächste Wartung ansteht. Industrie 4.0 biete große Chancen für Kunden, nennt BRP-Rotax-Geschäftsführer Thomas Uhr ein Beispiel, dessen Technik bereits im Testbetrieb läuft und je nach Kundenakzeptanz in drei bis fünf Jahren am Markt sein werde. Dass es zum Thema Datensicherheit in Europa und besonders in Österreich sehr strenge Vorschriften gibt, ist für Uhr richtig und wichtig: „Das kann zu einem Standortvorteil werden.“
Industrie 4.0 sorge für dramatische Veränderungen, BRP-Rotax stecke mitten im Entwicklungsprozess, bei dem man aber nicht genau wisse, wo er hinläuft: „Von dem was ich heute sehe, haben wir bereits rund 50 Prozent geschafft. Aber diese Einschätzung wird in zwei Jahren schon falsch sein, weil sich alles so schnell entwickelt.“ Rotax hat aktuell insgesamt 90 Terrabyte Daten, davon stammen alleine 30 Prozent aus dem vergangenen Jahr – es gibt ein exponentielles Wachstum. „Bei der Datenverarbeitung sind wir erst – soweit wir das aktuell sehen – im ersten Drittel“, so Uhr. Die Jobs würden sich verändern: Während es vor 20 Jahren noch den Spezialisten vorbehalten war, aus einem Datensatz ein Maschinenprogramm zu generieren, lernen das jetzt bereits die Lehrlinge. Es komme zu einer Verschiebung hin zu hochwertigen Arbeitsplätzen, man müsse die Mitarbeiter höher qualifizieren. Wenn das gelingt, sei Industrie 4.0 eine riesige Chance für ein Land wie Österreich, um neue Beschäftigung zu generieren. Am Standort Gunskirchen werde Rotax zukünftig qualitativ wachsen, Flächenwachstum finde bereits und solle auch zukünftig am Produktionsstandort Mexiko stattfinden.
Hoher Aufwand
„Wir bilden 100 Prozent der Fachkräfte selber aus und versuchen für den zukünftigen Ingenieurnachwuchs mehr zu tun“, so Uhr. Bei BRP-Rotax seien die Bewerberzahlen für die Lehrstellen unverändert hoch. Der Klage, dass die Qualifikation der jungen Menschen schlechter werde, widerspricht Uhr. Es würden sich die Fähigkeiten nur verschieben, die Lehrlinge erkennen nun etwa 3D-Zusammenhänge besser. Der Aufwand, Lehrlinge zu gewinnen, sei in den vergangenen zehn Jahren aber deutlich höher geworden. Man versuche, sich für junge Menschen zu öffnen und diese zu erreichen, bevor sie sich für einen Beruf entschieden haben. Es gibt sogar schon eigene Programme für Kindergartenkinder. In Bezug auf die Zusammenarbeit mit Schulen wünscht sich Uhr mehr Interesse: „Von vielen Schulen kommt keine Anfrage. Mich hat noch nie eine Schule gefragt, ob ich einen Vortrag halten könnte – da gibt es Berührungsängste.“ Uhr sieht ein „schlummerndes Potential“ an zukünftigen Technik-Fachkräften, wenn die jungen Menschen für Mathematik und die naturwissenschaftlichen Fächer in der Schule mehr begeistert würden. Schuld daran sei auch das fehlende Wissen von Lehrkräften über Firmen. Pädagogen können BRP-Rotax im Rahmen von Weiterbildungsprogrammen besuchen. „Darunter sind zum Teil Pädagogen, die seit vielen Jahren unterrichten und noch nie eine Firma von innen gesehen haben. Die sind dann überrascht, wie sauber es bei uns ist und wie normal wir miteinander umgehen. Deren Erwartungshaltung war scheinbar, dass wir im Öl schwimmen und uns gegenseitig mit Peitschen hauen.“
Neben der generellen Herausforderung, zukünftig mehr junge Menschen für die Technik zu begeistern, sei es noch einmal schwieriger, Frauen für einen technischen Beruf zu gewinnen. 50 Prozent der Bevölkerung sind weiblich, die Frauen haben mittlerweile überproportional die höheren Bildungsabschlüsse – da werde viel zur Verfügung stehendes Potential nicht genutzt, so Uhr: „Österreich hinkt beim Thema Frauen in technischen Berufen im Vergleich zu anderen Ländern nach.“ Wenn eine junge Frau über Familienplanung nachdenkt, führe das oft zum Karrierestopp – bei jungen Männern habe das keine Auswirkungen. Das Thema ist auch eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz. Bei BRP-Rotax gibt es eine Frauenquote von 17 Prozent, 20 Prozent der Lehrlinge sind Mädchen – darauf ist man besonders stolz, es wird dafür viel Werbung gemacht. Zwei weibliche Lehrlinge haben kürzlich beim Lehrlingswettbewerb gewonnen: „Das zeigt, dass die Damen locker in der Lage sind, die Männer auch in den technischen Berufen zu schlagen.“
Für den Ingenieurnachwuchs allgemein sei BRP-Rotax aufgrund seines Engagements so attraktiv, dass man in Konkurrenz zu anderen Unternehmen genug Leute gewinne: „Ich glaube nicht, dass der Standort durch Fachkräftemangel gefährdet ist.“ Personen mit einzelnen spezifischen Fachkenntnissen müsse man oft lange suchen. Eine Lösung dafür könnte laut Uhr der Arbeitsmarkt außerhalb des Landes sein. Österreich sei wegen der Lebensqualität attraktiv, scheitern würde es aber häufig wegen der hohen Lohnnebenkosten.
Richtige Richtung
Uhr sprach sich in der Vergangenheit selbst oft kritisch über die Standortbedingungen in Österreich aus. „Was die Bundesregierung jetzt gemacht hat, geht aber definitiv in die richtige Richtung“, ist der Geschäftsführer fürs erste ganz zufrieden. Auch wenn es keinen Grund zum Zurücklehnen gebe und er sich mehr gewünscht hätte, sei er nun guter Hoffnung. Besonders positiv sei die Erhöhung der Forschungsprämie: „Das sind genau die Tätigkeiten, die uns in Zukunft stark machen werden.“ Auch für die oberösterreichische Landesregierung gibt es Lob: „Diese hatte schon immer ein gutes und offenes Ohr für die Industrie.“ Jetzt müsse man einmal dem zukünftigen Landeshauptmann Thomas Stelzer eine Einarbeitungszeit geben.
Besonderen Nachholbedarf gebe es noch bei der Personalzusatzkostenquote: Diese ist in Österreich mit 91,7 Prozent zu hoch. Das Unternehmen hat bei einem Euro Lohn für den Mitarbeiter 91 Cent Zusatzkosten. In Deutschland etwa liegt die Quote bei 74,3 Prozent, in Dänemark bei knapp 38 Prozent. „Damit ist ein Mitarbeiter in Dänemark bei einem Lohn von 1.000 Euro im Vergleich zu Österreich um rund 500 Euro günstiger.“ Man müsse sich überlegen, wo man die Effizienz im System verbessern könne, um die Kosten langfristig zu senken._
„Österreich hinkt beim Thema Frauen in technischen Berufen im Vergleich zu anderen Ländern nach.“
Thomas UhrGeschäftsführer, BRP-Rotax
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