„Es wird Dinge geben, mit denen heute noch niemand rechnet“

Die Digitalisierung verändert heimische Betriebe rasant, besonders schnell ist die Entwicklung in der Industrie. Neue Technologien wie Quantum Computing versprechen revolutionäre Anwendungsmöglichkeiten. Unternehmen stellen diese dynamischen Zeiten vor besondere Herausforderungen – unterstützt werden sie dabei von heimischen Forschungsunternehmen.

In vielen heimischen Fertigungshallen stehen jahrzehntealte Produktionsmaschinen. Diese oft veralteten Systeme mit transformativen Technologien zukunftsfit zu machen, ist das Forschungsfeld von Pro²Future. „Wir beschäftigen uns damit, wie man Produktionssysteme kognitiv machen kann, sie also menschenähnliche Eigenschaften haben, ihre Umgebung wahrnehmen, mit ihr in Interaktion treten können und die richtigen Schlüsse ziehen“, erklärt Markus Brillinger, Area Manager für „Cognitive Production Systems“ von Pro²Future. Das Forschungszentrum mit Sitz in Linz und Graz bringt AI in die industrielle Fertigung, man beschäftigt sich vorwiegend mit der „Kognifizierung der Industrie“, als Research Center sieht man sich als Schnittstelle zwischen Unternehmen und der Wissenschaft. „Die Intelligenz des Menschen, das Wissen, das sich in der Praxis angesammelt hat, manifestiert sich in neuen Produktionssystemen und in effizienten, menschengerechten und nachhaltigen Produkten“, sagt Alois Ferscha, wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums.

Pro²Future kooperiert mit mehr als 40 Industriepartnern und 30 wissenschaftlichen Einrichtungen und Instituten, hauptsächlich an der JKU Linz und der TU Graz in Forschungsprojekten. „Unsere Partner in der Industrie erwarten praxisnahe Forschung am Puls der Zeit – mit unseren Wissenschaftspartnern bieten wir ein modernes und flexibles Forschungsumfeld, dessen Output sowohl Best-Paper-Awards bei internationalen Konferenzen als auch Patente sind“, sagt Gerd Hribernig, Geschäftsführer der Pro2Future GmbH. Unterstützt werden die Kernthemen der kognitiven Produkte und Produktionssysteme von den Grundlagenbereichen rund um das maschinelle Wahrnehmen und Bewusstsein, kognitive Robotik sowie kognitive Entscheidungsunterstützungs-Systeme.

„Wir merken, dass in Österreich von großen bis zu mittelständischen Unternehmen ein Grundverständnis da ist, dass die ökologische und digitale Transformation wichtig ist, um zukunftsfit zu bleiben“, sagt Brillinger. Die Herausforderung: Wo und wie das Thema angehen? Es brauche Offenheit und mehr als Lippenbekenntnisse. „Wichtig ist, mit einem offenen Mindset an die Sache heranzugehen, das gelingt auch vielen Betrieben, die sehr technologieaffin sind.“

In besonders dynamischen Zeiten muss man als Unternehmer einen starken, resilienten Organismus schaffen.

Christian Peneder Geschäftsführer, Peneder Gruppe

„Wollen Markt revolutionieren“

Das Bau- und Brandschutzunternehmen Peneder mit Hauptsitz in Atzbach hat Ende des vergangenen Jahres die Business Unit „Open“ gegründet, die als offene Technologieschmiede für Zukunftsthemen der Branche fungieren soll. „Wir wollen den Markt mit neuartigen Lösungen rund um Türen und deren Nutzung revolutionieren“, sagt Christian Peneder, Geschäftsführer der Peneder Gruppe. Das Unternehmen entwickelte sich in seiner mehr als 100-jährigen Geschichte von einer Huf- und Wagenschmiede zu einem internationalen Konzern. Peneder: „Wir wollen Marktgestalter sein, besonders in einem traditionsbehafteten Umfeld ist es wichtig, Trends früh aufzunehmen.“ Schwerpunkt des neuen Unternehmensbereichs ist die intelligente Vernetzung aller Komponenten einer Tür. Beispiel dafür ist die neue „connecdor box“, die den Anschluss von Türen vereinfachen kann. Mit der richtigen Technik am Ende des Leitungsbündels lassen sich insgesamt 161 Varianten mit nur zwei verschiedenen Kabelbäumen lösen. Idee dahinter war, Komponenten unterschiedlichster Hersteller einfach miteinander zu verbinden und ein offenes System zu schaffen.

„Resilienten Organismus schaffen“

In Zukunft wird man sich in der neuen Business Unit weiter damit beschäftigen, wie Türen Internet-of-Things-kompatibler werden. „Über Controller werden neue Zukunftslösungen entstehen“, erklärt Peneder. Aktuell wird im Unternehmen nicht nur die digitale Transformation vorangetrieben: Bis 2030 sollen alle Standorte und Produkte klimaneutral sein. Die rasanten technologischen Entwicklungen sieht der Geschäftsführer als Herausforderung, um agil zu bleiben. „In besonders dynamischen Zeiten muss man sich Herausforderungen stellen, entsprechende Lösungen finden und als Unternehmer einen starken, resilienten Organismus schaffen.“

Das Software Competence Center Hagenberg (SCCH) unterstützt Unternehmen dabei, diese Lösungen zu finden. „Unsere Aufgabe ist es, Trends zu beobachten und als Forschungsinstitution Know-how weiterzugeben“, sagt Robert Wille, wissenschaftlicher Leiter des SCCH. Er empfiehlt Unternehmen, sich bei der Transformation Unterstützung zu holen: „Wir können zwar nicht alle Aufgaben abnehmen, aber ein Anknüpfungspunkt sein, um zu informieren, was technologisch in Zukunft relevant werden könnte.“ Besonders gelte das für kleinere Unternehmen, die es sich nicht leisten können, für potentielle Zukunftstechnologien ständig Mitarbeitende abzustellen. Neuestes Projekt des SCCH ist „Quantum Ready“. Wille: „Quantencomputer sind eine relativ neue Technologie, die von der Grundlagenforschung in den vergangenen Jahren nun in Richtung Kommerzialisierung rückt. Wir wollen KMU jetzt schon über insgesamt drei Jahre über Chancen aufklären.“ Das funktioniert über die Identifikation von Problemen, die dann in einem mehrstufigen Prozess darauf analysiert werden, ob sie mit Hilfe von Quantencomputern besser beziehungsweise schneller gelöst werden könnten. „Für die Probleme, auf die das zutrifft, werden dann erste Prototypen entwickelt und Tests auf realer Quantum-Hardware durchgeführt.“ Das Ziel: Nach Ablauf des Projekts haben die Unternehmen das notwendige Wissen, um entscheiden zu können, ob und in welchen Bereichen sie auf Quantencomputer setzen wollen, oder ganz bewusst eben nicht.

„European paradox“ bekämpfen

Bereits jetzt gibt es erste Anbieter wie etwa IBM, die Zugang zu Quantenrechnern bieten. „Was heute noch in relativ kleinem Maßstab abläuft, könnte in den kommenden Jahren richtig groß werden“, vermutet Wille, „im Optimalfall haben wir in dem Moment, in dem die Technologie Marktreife erlangt hat, unsere Partner genau zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Know-how ausgerüstet.“

Im vergangenen Jahr erhielt der österreichische Forscher Anton Zeilinger den Nobelpreis für seine Arbeit in der Quantenphysik. Im Wettbewerb um die Schlüsseltechnologie für Quantencomputer seien Österreich und Europa nicht schlecht aufgestellt – zumindest, wenn es um die Forschung geht. „Europa ist meist gut in der Grundlagenforschung, die Verwertung dieser Ergebnisse passiert aber oft über dem Atlantik“, sagt Wille. In der Szene wird dieses Phänomen „European paradox“ genannt – europäische Länder versagen oft dabei, wissenschaftliche Fortschritte in marktfähige Innovationen umzusetzen. „Eine unserer wichtigsten Aufgaben am SCCH ist es, hier anzusetzen und diesen Technologietransfer von der Forschung in das Rückgrat unserer Wirtschaft zu unterstützen“, erklärt Wille.

Wohin geht die Reise der digitalen Transformation für Unternehmen? Für den wissenschaftlichen Leiter ist klar: „Die Entwicklung wird nicht zurückgehen, alles wird viel heterogener und vernetzter werden.“ Genaue Prognosen seien aber unseriös – oder schlichtweg nicht möglich. „Vor 20 Jahren hatten wir alle noch kein Smartphone, vor zehn Jahren schienen Quantencomputer außerhalb des Labors noch Fiktion“, erklärt Wille. „Ich glaube, dass es in den nächsten zehn Jahren Dinge geben wird, mit denen heute noch niemand rechnet.“_

Wir beschäftigen uns damit, wie man Produktionssysteme kognitiv machen kann.

Markus Brillinger Area Manager „Cognitive Production Systems“, Pro2Future

Quantencomputer rücken immer mehr in Richtung Kommerzialisierung.

Robert Wille wissenschaftlicher Leiter, SCCH

#Ähnliche Artikel

Wie ein Ransomware-Angriff ablauft - und uberstanden wird

Das Innviertler Kunststoff- und Metallverarbeitungsunternehmen Promotech verlor durch einen Hackerangriff vorübergehend sämtlichen Zugriff auf die eigene IT. Durch umfassende Vorbereitung, schnelles Handeln und die Unterstützung der TEMS Security konnte man die Krise überstehen – und sogar gestärkt aus ihr gehen.

„Vertrauenswürdige KI ist ein wichtiger Erfolgsfaktor“

Oberösterreich soll bis 2030 zu einer Modellregion für Human-Centered Artificial Intelligence werden. Welche Zutat für Landeshauptmann Thomas Stelzer im Erfolgsrezept dieser KI-Hochburg auf keinen Fall fehlen darf? Ethische Standards, die die nötige Sicherheit und einen vertrauenswürdigen Umgang mit dieser Zukunftstechnologie gewährleisten.

Auf Mission in „Europas Hauptstadt“

„CommunalAudit ist ein Benchmarking- und Management-Werkzeug für Gemeinden. Mit Newsadoo ermöglichen wir Unternehmen und Organisationen, Zielgruppen in ihren Webseiten, Apps oder im Intranet komplett automatisch mit relevanten Inhalten versorgen – ein Anwendungsbereich davon sind vollautomatische Gemeinde-News-Plattformen.“ Beide oberösterreichischen Projekte zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung haben das Interesse in Brüssel geweckt, weshalb Ramsauer & Stürmer CommunalAudit-Geschäftsführer Georg Platzer gemeinsam mit Newsadoo-Geschäftsführer David Böhm zu einer Präsentation ins Europäische Parlament eingeladen wurde.

The Power of Podcasts

Podcasts gehen ins Ohr – persönlich, ohne Umwege und ganz nah. Das machen sich auch Unternehmen vermehrt zu Nutze, indem sie ihre interne oder externe Kommunikation um einen Corporate Podcast erweitern. Die Podcastagentur wepodit unterstützt dabei und Geschäftsführerin Eva Langmayrs Begeisterung für das noch vergleichsweise junge Medium steckt nicht nur ihre Kund:innen an.

„Fehler haben wir bei uns in Fuck-up-Stories umbenannt“

Die gesamten Hierarchieebenen abschaffen, eine neue Meetingkultur etablieren und, statt Fehler zu rügen, gemeinsam in Fuck-up-Stories über sich selbst lachen – klingt nach ganz schön großen Veränderungen, oder? Für Roger Hafenscherer stand gleich zu Beginn seiner Tätigkeit als Geschäftsführer des Luft- und Umwelttechnikunternehmens Sirocco fest, dass er keinen Stein auf dem anderen lassen würde. Und nach zwei Jahren zeigt sich: Sein empathischer und authentischer Führungsstil trägt Früchte.

Covershooting: Ines und die Sache mit der KI

Okay, wir brauchen eine Fotolocation, die irgendwie nach Zukunft aussieht. Immerhin reden wir über Zukunft. Roger Hafenscherer, Eva-Maria Pürmayer und Anita Thallinger erzählen in unserer Coverstory, wie sie sich diese vorstellen. Und wie sie ihr Mindset schon jetzt dafür programmiert haben. Anstatt einer Location haben wir Ines Thomsen gefunden – eine Pionierin beim Ausprobieren von Künstlicher Intelligenz in der Fotografie.

Gemeindewebseiten werden zu zentralen Nachrichtenplattformen

Die Webseiten und Apps aller oberösterreichischen Gemeinden sollen noch stärker als bisher zur zentralen Anlaufstelle für alle Bürger:innen werden – durch die automatische und KI-gesteuerte Einbindung aller relevanten Nachrichten aus der Region. Das ist das ambitionierte Ziel eines landesweiten Digitalisierungsprojekts, das vom Linzer Techunternehmen Newsadoo, den IT-Servicepartnern „GEM2GO“ und Gemdat OÖ mit Unterstützung von Raiffeisen Oberösterreich und dem OÖ Gemeindebund auf die Beine gestellt wurde.

Das europäische KI-Paradox

Wissenschaftliche Ergebnisse werden in Europa oft nicht wirtschaftlich verwertet – sondern nur publiziert und diskutiert. Das ist wichtig, bringt aber kein frisches Geld in die Forschung. „European Paradox“ nennt sich dieses Phänomen, das im Software-Bereich besonders stark auftritt. Die langfristigen Folgen: die Gefahr der Nicht-Finanzierbarkeit in der Spitzenforschung und Nachteile gegenüber anderen Standorten. Welche Gründe gibt es für das Paradox – und wie kann das Problem gelöst werden?

(In) Zukunft studieren

Bereits ab diesem Herbst nutzen erste Studierende das zukunftsgerichtete Angebot des neuen Institute of Digital Sciences Austria in Linz. So zumindest der Plan. Internationales Publikum, auch unter den Forschenden, ist dabei ausdrücklich erwünscht, wenn es nach Landeshauptmann Thomas Stelzer geht. Wir schreiben mit ihm auf WhatsApp, denn was passt zu einer Digital-Uni besser als ein digitales Interview?

Die Gemeinde in der Hosentasche

Die mobile Bürgerservice-App „GEM2GO“ der RIS GmbH vereint alle Gemeinden Österreichs in einer App. RIS-Geschäftsführer Michael Kölbl spricht im Interview über die Stärken der App, wie das Projekt entstanden ist – und warum Digitalisierung besonders für ländliche Regionen unverzichtbar ist.

„Alles wird sich ändern“

Netural begleitet Unternehmen im gesamten DACH-Raum bei der digitalen Transformation. Nun kommt es durch die rasche Entwicklung Künstlicher Intelligenz zu einer neuen Dynamik. Was Gründer und CEO Albert Ortig Unternehmen jetzt rät – und welche Auswirkungen auf die Gesellschaft er prognostiziert.

„KI wird Wissenslücken schließen“

Upart-Geschäftsführer Daniel Frixeder und Beratungsleiter Christian Schmid erzählen im Interview, wie Künstliche Intelligenz den Arbeitsalltag in einer Werbeagentur verändert, welches Potential die Technologie bietet – und warum sie trotz der rasanten Entwicklung nicht um die Zukunft der klassischen Werbeagentur bangen.

Der Digitalisierungspionier

Markus Löschnigg beschäftigt sich seit den frühen 90er Jahren mit Digitalisierung, zu einer Zeit, in der ITler:innen noch belächelt oder nicht wahrgenommen werden. Schon als Student gründet er ein Unternehmen, das heute zu den führenden IT-Systemhäusern des Landes gehört.

„Hochschulen müssen einen Schritt voraus sein“

Die Technische Hochschule Rosenheim mit dem Campus Burghausen gilt als wichtigste Bildungseinrichtung Südostoberbayerns. Arno Bücken, Studiendekan des Bachelorstudiengangs Prozessautomatisierungstechnik, erklärt, wie Studierende auf eine digitale Welt vorbereitet werden und vor welche Herausforderungen die digitale Transformation Hochschulen stellt.

„Ohne IT stünde die ganze Welt still“

Unvorhersehbar und alles andere als linear. So nahm die Führungsebene von Axians ICT Austria die vergangenen Krisenjahre wahr. Personell sowie strategisch rüstet sich der breit aufgestellte IT-Dienstleister für die Zukunft. Robert Wohlgemuth als neuer CEO und sein Vorgänger Edgar Reiter über die Veränderungen hinter den Kulissen und die Umbrüche in ihrer Branche.

„Standards befeuern Innovation“

Austrian Standards ist die österreichische Organisation für Standardisierung und Innovation. CEO Valerie Höllinger erklärt im Interview, warum Standards kein Widerspruch zu Innovation sind, warum sie nicht den Stellenwert haben, den sie verdienen – und wie sie eigentlich entstehen.

„Stehen erst am Anfang der Herausforderungen“

Die Zahl der Cybersecurity-Vorfälle steigt Jahr für Jahr an – der globale Schaden soll bis 2025 auf 10,5 Billionen Dollar steigen. Immer mehr Unternehmen werden mit Verschlüsselungstrojanern erpresst, durch die der Zugriff auf die eigene IT-Infrastruktur verloren geht. Für KMU kann der Schaden schnell sechsstellige Summen erreichen. Ebenfalls problematisch: Raubkopien und Reengineering. In Zukunft dürfte sich die Lage laut Expert:innen weiter verschärfen.