Datenanalyse statt Bauchgefühl

Die Digitalisierung hat längst in die Landwirtschaft Einzug gehalten: Satellitenbilder werden zur Analyse der Ackerflächen verwendet, Traktoren fahren mit Spurenlenksystemen automatisch und zentimetergenau über das Feld, Künstliche Intelligenzen prognostizieren den Ernteerfolg. Für die Landwirt:innen sind die neuen Technologien eine Chance, um besser mit volatilen Produktionsbedingungen zurechtzukommen; für Österreich sind sie essenziell, um langfristig die Versorgung zu sichern.

Wie wird die Obsternte ausfallen? Um das herauszufinden, messen viele Landwirt:innen den Umfang der Früchte händisch, zählen, wie viele Äpfel am Baum hängen, notieren die Daten auf einem Zettel oder in einer Excel-Tabelle und errechnen dann den Ernteerfolg. Wenn es nach dem Startup Pixofarm geht, wird diese Praxis bald der Vergangenheit angehören. „Wir haben eine mobile App entwickelt, mit deren Hilfe Landwirt:innen bequem den Ernteprozess überwachen können“, sagt Gründer Farid Edrisian.

Ein Foto vom Obstbaum mit dem Smartphone reicht für die KI, um die Anzahl der getragenen Früchte zu erkennen. „Unser System sieht, wie viel der Baum trägt, und berechnet anhand der sichtbaren Früchte auch die unsichtbaren, die von Blättern oder Ästen verdeckt werden“, erklärt Edrisian. Das Erfassen des Obstes am Baum ist nur eines der Angebote von Pixofarm: Mit einer Sizing-Funktion wird der Durchmesser der Früchte sowie die tägliche Wachstumsrate berechnet, die App kann auch die Anzahl und Größenverteilungen von Obst in Kisten berechnen. Besonders wichtig ist für Edrisian die Ernteschätzung: Anhand verschiedener Parameter wird prognostiziert, wie viel Ertrag abgeworfen wird. „Wir sind überzeugt davon, dass Entscheidungen am besten basierend auf Daten getroffen werden – dafür bieten wir eine Grundlage“, erklärt der Gründer. Das Angebot von Pixofarm kommt gut an: Mittlerweile greifen Kund:innen in etwa 20 Ländern auf die digitale Lösung zurück.

Tierüberwachung mit Sensoren 

„Bei der Digitalisierung in der Landwirtschaft geht es immer um Daten, wie sie aufbereitet und angewendet werden“, sagt Markus Gansberger, Leiter der Innovation Farm und des Bachelorstudiengangs Agrartechnologie und Digital Farming an der FH Wiener Neustadt. Das Konsortium der Innovation Farm will den Aufbau digitaler Kompetenz in der heimischen Landwirtschaft vorantreiben. Gefördert wird dies von Bund, Ländern und der Europäischen Union. „Unser Ziel ist es, durch das Zusammenspiel von Hersteller und Forschung praxistaugliche Lösungen für moderne landwirtschaftliche Betriebe zu evaluieren und bereitzustellen“, sagt Gansberger. Dafür arbeitet man mit 20 Pilotbetrieben im ganzen Land zusammen, mit denen die neuesten Lösungen und Technologien getestet werden.

In der Innenwirtschaft – also der Tierhaltung – wird immer stärker mit Sensoren gearbeitet. „Dadurch kann man beispielsweise die Bewegungen der Kühe im Stall analysieren und prognostizieren, wann sie kalben – oder Krankheiten frühzeitig erkennen“, erklärt Gansberger. Auch Roboter kommen mittlerweile teilweise zum Einsatz, etwa beim Melken. Dort, wo viel Handarbeitskraft gefragt ist, könne durch die Digitalisierung und Automatisierung viel Druck herausgenommen werden. Als eine der größten Errungenschaften der vergangenen Jahre sieht Gansberger die Nutzung von Satellitendaten für die Bewirtschaftung von Feldern. Seit 2018 stellt die Europäische Weltraumorganisation ESA Satellitenbilder gratis zur Verfügung. „Durch diese Bilder können Felder und deren Bewuchs kleinräumig analysiert werden – etwa, wie sich der Bestand entwickelt oder Bodenunterschiede erfasst werden“, erklärt Gansberger. Die kleinteilige Betrachtung bringt beispielsweise durch den effizienteren Einsatz von Düngemitteln ökologische und wirtschaftliche Vorteile. 

Wenn der Traktor selbst fährt 

Immer wichtiger im Feldbau werden automatische Lenksysteme. Mithilfe von GPS wird zentimetergenau über das Feld gefahren. Damit können Überlappungen reduziert werden. „24 Prozent der Landwirt:innen in Österreich verwenden die Technologie laut einer Studie bereits und weitere 27 Prozent wissen davon und zeigen Interesse“, sagt Gansberger. Wichtig sei also die Schaffung von Bewusstsein für die Digitalisierung und ihre Möglichkeiten. Es gäbe viel Potential. „Allerdings müssen sich Landwirt:innen auch Know-how aneignen und eine gewisse Technikaffinität mitbringen“, sagt er. Dieses wird etwa über die Innovation Farm österreichweit praxisnahe vermittelt. Ebenso an der HBLFA Francisco Josephinum in der Abteilung „Informationstechnologie in der Landwirtschaft“ mit Matura oder im Bachelorstudiengang „Agrartechnologie und Digital Farming“ der FH Wiener Neustadt am Campus Francisco Josephinum in Wieselburg steht dies im Mittelpunkt der Lehre, wo Spezialist:innen in Bereichen der Digitalisierung in der Landwirtschaft ausgebildet werden.

Entscheidungen werden. am besten basierend auf Daten getroffen.

Farid Edrisian Gründer, Pixofarm (Am Bild, von links: Mitgründer und CTO Hamed Bastani mit Farid Edrisian)

Digitalisierung ist eine große Chance, Landwirt:innen müssen sich aber Know-how aneignen.

Markus Gansberger Leiter, Innovation Farm

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