Wie hoch ist dein VQ?
In Zukunft braucht es vor allem einen hohen Vertrauensquotienten. Das ist eine der wesentlichen Erkenntnisse, die Andreas Salcher beim Schreiben seines neuen Buches „Unsere neue beste Freundin, die Zukunft“ gemacht hat. Wie man die Höhe eben dieses VQs beeinflusst, was wir jetzt verstehen müssen, um die Zukunft mitgestalten zu können, und wie man mit einer unberechenbaren Zukunft Freundschaft schließt, darüber sprechen wir mit dem Bestsellerautor.
Der Blick in die Zukunft, er fühlt sich für viele nicht an wie der Blick in die Augen der besten Freundin. Für manche löst er vielmehr Angst aus – Angst vor ihrer Unberechenbarkeit. Und nun steht in großen Buchstaben am neuen Buch von Andreas Salcher, die Zukunft sei unsere neue beste Freundin. Aber da ist noch etwas auf dem Cover zu sehen: das Bild einer Glaskugel. „Allerdings ist die trüb“, erklärt Salcher. „Denn man kann nicht in die Zukunft schauen.“ Doch was wir können: jetzt hinschauen. „Viele unterschätzen, dass die Zukunft jetzt ist. Und ins Jetzt kann ich sehr wohl schauen.“ Sein Ansatz sei: „Je mehr du dorthin gehst, wo Zukunft schon stattfindet, und je mehr Qualifikationen du hast, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zukunft nicht als große Unbekannte über dich hereinbricht. Sondern vielmehr eine Freundin ist, mit der du den Weg gemeinsam gehst.“ Natürlich seien auch beste Freund:innen nicht immer gut zu einem. Aber je besser die Beziehung zu jemandem ist, umso besser könne man miteinander umgehen.
Die andere Variante wäre, der Angst den Vortritt zu lassen – „ich setze mich also nicht mit der Zukunft auseinander, stecke den Kopf in den Sand, verschließe die Augen, blende sie aus. Wir wissen aber, dass das keine gute Strategie ist.“ Also schloss Andreas Salcher Freundschaft mit der Zukunft und führte tiefgreifende Interviews mit hochbegabten Schüler:innen. „Wenn ich etwas lernen will, gehe ich immer zu den klügsten Köpfen.“
Du hast 21 Thesen gefunden, die Erwachsenen helfen sollen, die Zukunft aus der Perspektive von hochbegabten jungen Menschen besser zu verstehen. Warum gerade von ihnen?
Andreas SalcherWenn ich etwas über die Zukunft erfahren möchte, muss ich mir ansehen, was in der nächsten Generation steckt. Also habe ich mich mit unglaublich spannenden jungen, hochbegabten Menschen unterhalten – den Leistungs- und Entscheidungsträger:innen der Zukunft. Und ja, wer jetzt denkt, die junge Generation wolle ja gar nichts mehr leisten, liegt falsch. Aber: Es gibt ein neues Leistungsdenken. Diese jungen Menschen sind durchaus bereit, ihr Bestes zu geben, unter drei Bedingungen: Erstens wollen sie einen Einfluss auf ihre Tätigkeit haben, zweitens eine zeitliche Autonomie – und ich rede da nicht von einer Vier-Tage-Woche, sondern von genereller großer zeitlicher Flexibilität. Die Verteilung von Arbeit, Lernen und Freizeit wird viel flexibler werden. Und drittens, die wichtigste Bedingung: Sie wollen einen Sinn in ihrer Tätigkeit erkennen. Unternehmen, die all das schaffen, haben kein Problem damit, Mitarbeiter:innen zu finden.
Gibt es ein gemeinsames Muster, das alle jungen Menschen, mit denen du gesprochen hast, verbindet?
Andreas SalcherJa, das gibt es – den Vertrauensquotienten. Sie alle haben ein Grundvertrauen ins Leben. Trotz aller Krisen konnte ich keinen Pessimismus spüren. Viele waren besorgt, was die Zukunft der Welt betrifft, aber sie sahen ihre eigene durchwegs zuversichtlich.
Wird man mit diesem Vertrauensquotienten geboren oder kann man ihn aufbauen?
Andreas SalcherDas Grundvertrauen ins Leben bildet sich in den ersten sechs Lebensmonaten. Wer also liebevolle Eltern hat, hat große Chancen auf einen hohen VQ. Aber – das ist die schöne Botschaft – auch jene, die nicht das Glück haben, mit diesem Grundvertrauen ins Leben zu starten, können den VQ im Laufe ihres Lebens verbessern. Indem sie herausfinden, dass sie viel mehr können, als sie dachten. Indem sie etwas lernen, ausprobieren und merken, dass sie vieles mit ihren Fähigkeiten erreichen können. Je mehr sie darauf vertrauen können, desto größer wird ihr Vertrauen in die Zukunft. Und desto eher können sie sich diese zu ihrer besten Freundin machen. Wer weder das eine noch das andere hat, fühlt sich der Zukunft ausgeliefert.
Welche Thesen haben dich besonders überrascht?
Andreas SalcherWas mich schon überrascht, ist, dass sich fast alle einig waren: Erwachsene beurteilen und verurteilen ihre Ideen viel zu schnell. Weil diese mit ihrer Lebenserfahrung jede Idee durchdenken und sämtliche negativen Konsequenzen als Gegenargument bringen. Sie wünschen sich Gespräche auf Augenhöhe. Die Gefahr für uns Erwachsenen, zu schnell zu urteilen, besteht vor allem dort, wo wir denken, dass wir uns besonders gut auskennen. Wenn mir etwa Bekannte ihre Idee für ein Buch präsentieren, sage ich zu 95 Prozent, lass das lieber. Trotzdem bin ich immer wieder überrascht, dass auf den Bestsellerlisten Bücher stehen, denen ich keine Chance gegeben hätte. Wer vorschnell urteilt, erkennt oft Neues nicht. Wir sollten uns vielmehr ein Anfängermindset bewahren und immer wieder Neues auch in Bekanntem entdecken. Die Grundidee des Buches ist, die Lebenserfahrung der Erwachsenen mit dem Tatendrang, der Kreativität und der Innovationskraft der Jungen zu verschmelzen.
Was hast du, seit du diese vielen Erkenntnisse gemacht hast, in deinem eigenen Leben verändert?
Andreas SalcherWas sich ganz konkret verändert hat: Ich bilde mit zwei ehemaligen Schülern der Sir Karl Popper Schule ein dynamisches Dreieck. Sie verschaffen mir Zugang zur modernen Technologie und auch sozialen Netzwerken, sie zeigen mir, wie ich mit meinen Ideen und Büchern junge Menschen besser erreichen kann. Und ich wirke für sie als Mentor – ich helfe ihnen, bestimmte Türen zu öffnen. Einer der beiden hat gerade die Matura gemacht und hat jetzt so viele Möglichkeiten. Die Idee, dass du ein Studium in Mindestzeit durchziehen musst, ist völlig überholt. Die jungen Menschen werden Studienrichtungen oft wechseln. Gar nicht untypisch wäre zum Beispiel, dass jemand mit einem Technikstudium anfängt, dann zu Medizin wechselt, dann ein Startup gründet und schließlich Schauspieler:in wird. Mein Rat an die jungen Menschen: Ihr habt statistisch gesehen eine Lebenserwartung von 90 Jahren, macht euch mit 18, 19 oder 20 Jahren nicht den Stress, diese eine Entscheidung treffen zu müssen. Manche leiden regelrecht unter diesem Druck. Aber: Ihr könnt gar nicht den falschen Beruf ergreifen – es geht nur darum, möglichst viel von möglichst vielen klugen Menschen zu lernen.
Angenommen, du würdest jetzt deiner neuen besten Freundin, der Zukunft, gegenübersitzen. Worüber würdet ihr euch bei einem Kaffee unterhalten?
Andreas SalcherIn meinem Alter wird dir so richtig bewusst, welch große Bedeutung Gesundheit hat. Ich würde sie daher zuallererst fragen, ob ich eh alles richtig mache oder was ich besser machen könnte, um sie möglichst lange erhalten zu können. Und auf beruflicher Ebene würde ich sie fragen: Wie geht’s mit dem Buchmarkt weiter? Aber auch: Wie geht’s mit der Welt weiter? Bei allen Rückschlägen glaube ich daran, dass es mit der Welt gut weitergehen wird. Ein Kapitel meines Buches heißt „Altruismus ist der Egoismus der Zukunft – tun Sie etwas für andere und Sie werden viel zurückbekommen“. Ich versuche daher, nicht das ganze Leid der Welt auf meinen Schultern lasten zu lassen, sondern mir vielmehr die Frage zu stellen: Was ist mein Beitrag?_
#Gedankensprung
mit Andreas Salcher
Bestsellerautor, Mitbegründer der Sir Karl Popper Schule für besonders begabte Kinder und Unternehmensberater
Ich schreibe, weil_ ich mit meinen Büchern viele Menschen erreiche, sie auch berühre und, wie etwa mit meinem bis jetzt erfolgreichsten Buch „Meine letzte Stunde“, wirklich das Leben von Menschen positiv beeinflussen konnte. So viel ausgelöst hab ich mit keiner anderen Tätigkeit, die ich je gemacht habe.
Wenn ich eine Schreibblockade habe, dann_ schreibe ich weiter. Der Vorteil eines Sachbuchautors ist, dass ich immer an mehreren Kapiteln schreibe. Und wenn ich eine Schreibblockade habe, was ich im Übrigen oft habe, wechsle ich in ein anderes Kapitel. Wichtig ist: dranbleiben! Wenn gar nichts mehr geht, dann gehe ich in den Wald spazieren und sehe ein, dass es heute einfach nicht klappt. Selbsterkenntnis ist eben auch manchmal nötig.
Dieses Buch ist anders, weil_ ich diesmal primär nicht sehr kluge ältere Menschen mit Lebenserfahrung befragt habe, sondern besonders begabte junge Menschen, um herauszufinden, was wir von ihnen lernen können.
Dieses Buch richtet sich an_ alle Menschen, die schon jetzt ein bisschen genauer erkennen wollen, was sie heute brauchen, damit sie morgen noch mitspielen können. Unternehmer:innen, Entscheidungsträger:innen genauso wie Mütter und Väter.
Darüber könnte ich stundenlang diskutieren_ Wie veränderbar sind wir Menschen in unseren grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften?
2024 wird ein gutes Jahr, weil_ es in unserer Hand liegt – von jedem Einzelnen von uns. Ich bin der Überzeugung, dass du eine Wahl hast und dein Leben beeinflussen kannst. Das gilt für jedes Jahr.
Mein nächstes Buch_ (er schmunzelt) Das ist leider wie bei allen professionellen Autor:innen: Über ungelegte Eier wollen wir nicht reden.
Sie alle haben ein Grundvertrauen ins Leben.
Andreas Salcher
Bestsellerautor
„Unsere neue beste Freundin, die Zukunft“
- Autor
- Andreas Salcher
- Verlag
- edition a
- ISBN
- 978-3-99001-675-6
Viele unterschätzen, dass die Zukunft jetzt ist. Und ins Jetzt kann ich sehr wohl schauen.
Andreas Salcher
Bestsellerautor
Wie zukunftsfit bist du?
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