Gekommen, um zu bleiben
Mit den besten Mitarbeitern ist es ein bisschen so wie mit dem Wunschgewicht. Es ist schon mal verdammt schwer, es (oder sie) zu bekommen. Es (Sie) dann aber auch langfristig zu halten, fast noch schwieriger. Beim Gewicht ist die Herausforderung der innere Schweinehund, gepaart mit dem Essensangebot im Überschuss. Bei den Mitarbeitern der generelle Trend, nicht mehr ein Leben lang demselben Arbeitgeber treu zu bleiben und der immer härtere Kampf um die besten Köpfe. Wie das mit der Idealfigur funktioniert, erfahren Sie hier nicht.
Wohl aber, wie es gelingen kann, die besten Mitarbeiter nicht nur ins Boot zu holen, sondern sie auch zu motivieren, an Bord zu bleiben, das Ruder in die Hand zu nehmen und euphorisch auf das gemeinsame Ziel hinzusteuern. Dazu haben wir Experten aus der Personalentwicklung, Kommunikation, strategischen Unternehmensentwicklung, einen Chef von über 1.200 Mitarbeitern und einen Unternehmer aus einer Branche, in der es nun wirklich nicht einfach ist, Mitarbeiter langfristig zu binden, befragt. Geht es beim Finden der Mitarbeiter vor allem um eine starke Arbeitgebermarke, die sie anlockt, geht es beim Halten um’s Eingemachte. Denn stellt sich das leidenschaftlich vorgetragene Unternehmensleitbild als nicht spürbar heraus und ist das coole Team doch nicht so cool, sind sie schnell weg, die High-Potentials. Und setzen ihr Talent beim Mitbewerber ein. Das muss übrigens nicht immer negativ sein, aber dazu später. Ein Patentrezept für den perfekten Arbeitsplatz, der Mitarbeiter zum längeren Verweilen einlädt, gibt es nicht. Weil manche Maßnahmen, die in dem einen Unternehmen funktionieren, im anderen das Gegenteil bewirken könnten. Aber im Gespräch mit den Experten haben sich elf Punkte herauskristallisiert, die einen Arbeitsplatz – ganz gleich in welcher Branche – zum „Unbedingt-haben-und-behalten-wollen“ machen.
01 Entscheidungen mit Wenn und Aber. Und Warum.
„Hast du’s schon gehört?“
„Was?“
„Wir werden bald alle in einem Großraumbüro sitzen.“
Entsetztes Schweigen.
Vermutlich durch einen Schockzustand hervorgerufen.
Ein fragender Blick.
Motivation: am Tiefpunkt.
Innere Kündigung: greifbar nahe
Klar, Führungskräfte müssen Entscheidungen treffen. Tagtäglich, große und kleinere, tragende und scheinbar weniger wichtige. Das wissen die Mitarbeiter und das wollen sie grundsätzlich auch. Was sie nicht wollen, ist, von Entscheidungen überrollt zu werden. „Entwickelt der Chef zum Beispiel in selbstständiger Art und Weise die Idee, das Büro in ein Großraumbüro umzugestalten, ohne dass er die Bedürfnisse des Teams hinterfragt hat, dann wird’s problematisch“, weiß Jürgen Holler, Geschäftsführer von Symbios, einem Start-up, das Design Thinking auf Office Projekte anwendet. Denn Entscheidungen, die von oben herab umgesetzt werden, können oft nur schwer vom Team getragen werden. Entscheidungen begründen zu können, sieht auch Markus Krämer, Geschäftsführer der Werbeagentur Createl, als eine der wichtigsten Führungskompetenzen. Egal welche Entscheidung der Vorstand am Ende trifft – waren die Mitarbeiter Teil des Prozesses, war ihre Meinung gefragt, werden sie die Entscheidung wesentlich besser akzeptieren. Und verstehen.
Auch beim Gebäudereinigungs- und Gartengestaltungsunternehmen Schober in Linz werden schwierige Themen konzentriert aufgearbeitet. „So, dass alle beteiligten Gruppen beim Prozess mitwirken können“, erklärt Geschäftsführer Felix Schober. „Das Ergebnis wird dann auch umgesetzt, weil alle, die es umsetzen müssen, bei der Problemlösung dabei waren.“ Ähnlich sieht es Josef Kinast. Der Direktor der Siemens-Niederlassung in Linz plädiert dafür, Mitarbeiter bei Entscheidungen ins Boot zu holen : „Wenn man Maßnahmen nicht von oben herab anordnet, sondern die Leute an dem Projekt teilhaben lässt, dann ist dessen Umsetzung kein Problem.“ Selbst bei der Personalsuche werden Mitarbeiter involviert. Das war nicht immer so. „Seit einem Jahr ist es erstmals gewünscht und wird sogar mit einer Prämie belohnt, wenn Mitarbeiter neue Mitarbeiter suchen. Früher war es fast anrüchig, zu intervenieren, jetzt ist es das Gegenteil.“ Damit wolle man den Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringen, man traut ihnen zu, dass sie wissen, wer ins Team passt. Und belohnt sie auch mit einer Prämie, wenn die empfohlenen Mitarbeiter mindestens eineinhalb Jahre im Unternehmen bleiben. Doris Palz, Managing Director des Wiener Forschungsinstituts Great Place to Work, findet es ebenso gut, Mitarbeiter beim Auswahlverfahren miteinzubeziehen. „Das bedeutet ja auch, dass man sofort – und nicht erst in der Probezeit – erkennen kann, ob der neue Mitarbeiter ins Team passen würde.“ Und sei auch fair den Kandidaten gegenüber – diese könnten feststellen, ob sie in diesem Team in Zukunft arbeiten möchten.
02 Respekt!
„Setzen Sie sich.“
„Danke.“
Man könnte eine Stecknadel fallen hören. Vielleicht auch einen Schweißtropfen.
„Es gibt Vorstandsbüros, da traut sich keiner drin atmen – fürchterlich, hab ich erlebt“, sagt Markus Krämer. Und schüttelt seinen Kopf. „Mitarbeiter sind für mich interne Kunden, ich mache null Unterschied in der Kommunikation mit internen und externen Kunden.“ Sowohl der Kunde als auch der Mitarbeiter seien schließlich Menschen. Und in der Kommunikation mit Menschen brauche es immer zwei Grundfaktoren: Respekt und Wertschätzung. „Natürlich muss ich als Führungskraft auch Grenzen setzen, Probleme aufzeigen, es geht schließlich um einen Tausch von Leistung gegen Geld. Aber nur, wenn ich eine offene Kommunikation auf Basis der Wertschätzung pflege, kann ich Dinge beim Namen nennen, die nicht in Ordnung sind und nachhaltig Verbesserung erreichen.“ Eine offene Kommunikation sei daher ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Daniela Höllerbauer, Geschäftsführerin des Marktforschungsinstituts Whitebox, kann das bestätigen: „Die Ergebnisse unserer durchgeführten Mitarbeiterbefragungen zeigen immer wieder auf, dass ein respektvoller, ehrlicher und offener Umgang mit Mitarbeitern großen Einfluss auf ein positives Arbeitsklima hat.“ Wohl deshalb findet man unter den Führungsgrundsätzen von Siemens ganz oben in der Liste den Punkt „Offene Kommunikation mit Mitarbeitern“. Aber wie gelingt das in einer Niederlassung mit über 1.200 Mitarbeitern und einem Konzern mit weltweit 360.000 Mitarbeitern? „Bei Organisationsänderungen ist es zum Beispiel wichtig, die Phasen der Unsicherheit möglichst kurz zu halten“, erklärt Kinast. Die Wahrheit sei zumutbar, man müsse die Dinge ehrlich beim Namen nennen. Das Problem sei, dass die Dinge oft falsch eingeschätzt würden. „Wenn etwa der Siemens-Konzern weltweit ankündigt, dass irgendwo die Mitarbeiteranzahl um 1.000 reduziert wird, dann steht das ohne Details in den Medien. Und schon sind alle verunsichert. Dabei ist das bei so vielen Mitarbeitern oft ganz normal und gleichzeitig werden neue Mitarbeiter gesucht. Das Wichtigste ist daher, dass man sich hinstellt als Mensch – trotz aller technischen Möglichkeiten – und die Situation erklärt“, so Kinast.
Auch die Kommunikation innerhalb des Teams trage viel zum Klima am Arbeitsplatz bei, so Jürgen Holler: „Mitarbeiter wollen miteinander kommunizieren können – ungeplant, zufällig. Dazu braucht es räumliche Möglichkeiten.“ In Zeiten des Fachkräftemangels haben Mitarbeiter nicht nur den Anspruch, einen guten Job mit einer interessanten Aufgabe und adäquaten Entlohnung zu haben, sie wollen mehr, viel mehr: Sie wollen sich wohlfühlen, sich mit den Kollegen und mit dem Chef verstehen. „Dann fühlt man sich dem Unternehmen gegenüber emotional verbunden und wechselt nicht so schnell den Job“, erklärt Christian Vieira Dos Santos, ebenfalls Geschäftsführer von Symbios. Das Arbeitsumfeld gewinne stetig an Bedeutung. „Die Zukunft wird immer auf Ebene der Technologie diskutiert“, sagt sein Kollege Jürgen Holler. „Was bleibt, ist aber der Mensch. Und der Mensch hat seine Bedürfnisse, gleichgültig wie sich die Technik entwickelt.“ Wer seine Mitarbeiter also längerfristig halten möchte, der müsse sich mit diesen Bedürfnissen auseinandersetzen. Vieira Dos Santos ergänzt: „Es bleibt also die Frage: Welches Umfeld braucht der Mensch, um sich wohlzufühlen, sich entfalten zu können und dadurch leistungsfähig sowie engagiert zu sein?“
03 Perspektive in Sicht.
„Ich glaube, wir könnten mehr daraus machen.“
„Mhm.“
„Also ich meine, ich hätte da ein paar Ideen.“
„Okay. Ja, gut.“
„Wissen Sie, ich hatte in meinem Studium einen Schwerpunkt auf Vertriebsmanagement. Ich glaube, dass …“
„Ich komme zu spät zum Termin, ich muss los, tut mir leid. Reden wir ein anderes Mal weiter.“
„In den letzten Jahren hat sich deutlich gezeigt: Mit Entlohnung alleine hält man die Mitarbeiter nicht, das Gesamtpaket muss passen“, sagt Felix Schober. Einen wesentlichen Teil dieses Paketes machen die Weiterentwicklungsmöglichkeiten aus. „Wir arbeiten mit einem externen Personalcoach zusammen, der immer wieder im Betrieb ist und mit den Leuten Interviews führt. Er macht mit ihnen Zielvereinbarungen, arbeitet mit ihnen Konzepte aus und setzt diese auch um“, erzählt Schober. Bildet man Personal aus oder weiter, entsteht bei den Leuten eine gewisse Bindung ans Unternehmen, so seine Erfahrung. „Wenn man im Betrieb eine Ausbildung bekommt, dann geht man nicht einfach woanders hin, nur weil eine Kleinigkeit nicht passt, sondern sucht nach Lösungen.“ Einige seiner Mitarbeiter seien bereits über 20 Jahre im Unternehmen – und das in einer Branche, in der selbst zehn Jahre Betriebszugehörigkeit eine Seltenheit sind. Einen wesentlichen Grund für seine treuen Mitarbeiter sieht er in den Entwicklungsmöglichkeiten , die er ihnen bietet.
Während viele ein Leben lang denselben Job machen, den Arbeitgeber hingegen mehrmals wechseln, ist es bei Josef Kinast umgekehrt. Seit 34 Jahren arbeitet er bei Siemens. „Ich hatte das Glück, immer andere Jobs im selben Unternehmen zu machen. So konnte ich mich stets weiterentwickeln, neue Aufgaben und Herausforderungen übernehmen.“ Einen Grund, den Arbeitgeber zu wechseln, hatte er daher nie.
04 Weiterziehen lassen.
„Ich möchte kündigen, weil ich ein sehr spannendes Angebot bekommen habe, das ich nicht ablehnen kann.“
„Es tut mir leid, das zu hören, aber ich akzeptiere Ihre Entscheidung und wünsche Ihnen alles Gute für die neue Herausforderung. Bleiben wir doch bitte in Kontakt, erzählen Sie mir, wie es Ihnen geht und denken Sie daran, dass wir Ihre Arbeit hier sehr geschätzt haben. Sie sind hier immer willkommen.“
Für eine Generation, die in Zeiten von Wirtschaftskrisen, politischen Unruhen und Terrorgefahren aufwächst, gibt es den Job auf Lebenszeit möglicherweise gar nicht mehr. Diese jungen Menschen haben sich an Unsicherheiten und Ungewissheiten in der Lebensplanung gewöhnt“, weiß Daniela Höllerbauer. Fehlen im Job Perspektiven und der Sinn, sei ein Jobwechsel kein unüberwindbar großer Schritt. „Sieht sich ein Mitarbeiter hingegen wertgeschätzt und erkennt Sinn in seiner Arbeit, bleibt er relativ lange – auch die Jungen“, ergänzt Jürgen Holler von Symbios. Fluktuation zu vermeiden, müsse aber ohnehin nicht das Ziel sein, sagt sein Kollege Christian Vieira Dos Santos. „ Bewegung wird und darf immer drin sein . Wenn sich der Mitarbeiter weiterentwickeln oder umorientieren will, dann muss ich ihn ziehen lassen. Aber wichtig ist, dafür zu sorgen, dass er gut über das Unternehmen spricht, auch wenn er es verlassen hat.“ Doris Palz ist mit vielen Unternehmen in Kontakt, die sich bestens um ihre Lehrlinge kümmern – mit perfekter Ausbildung, viel Unterstützung und Bonifikation. Dennoch würden die Lehrlinge irgendwann weiterziehen und Erfahrungen bei anderen Unternehmen sammeln wollen. „Diese Unternehmen bleiben aber mit den Lehrlingen in Kontakt, haben zum Beispiel Alumni-Netzwerke eingeführt. Und oft kommen die Lehrlinge nach ein paar Jahren wieder zurück – mit Erfahrungen, die einen zusätzlichen Gewinn für’s Unternehmen bringen.“
05 Die Sache mit dem Feedback.
„Mir reicht’s. Echt.“
„Ja, versteh ich!“
„Ich geb alles, hörst du, einfach alles. Und wer bekommt das Lob dafür? Die anderen.“
„Rede mit deiner Chefin darüber!“
„Ach was, das hat keinen Sinn, die kümmert das nicht.“
Innerlich ist das Kündigungsschreiben schon abgeschickt.
Wie man eine innere Kündigung rechtzeitig erkennt? Man muss seine Mitarbeiter gut kennen und regelmäßig mit ihnen in Kontakt sein. „Beobachten und Zuhören ist zwar keine unschaffbare Herausforderung, oft fehlt aber die Zeit dazu“, weiß Daniela Höllerbauer von Whitebox. Ein sinnvolles Werkzeug seien daher regelmäßige Quick-Surveys, die gute Hinweise und Anhaltspunkte liefern können. „Sie geben Aufschluss über die generelle Stimmung und Loyalität.“ Die Befragungen müssten heute kürzer und rascher einsetzbar sein. „Sie sollen ein knappes, präzises Bild auf die Stimmung bei der Belegschaft geben und sollen sowohl vergangenheitsorientiert als auch zukunftsorientiert sein, um Visionen zu ermitteln.“ Der größte Nutzen von Befragungen liege nicht nur in den Daten, die sie liefern, erklärt Höllerbauer weiter, es würden auch viel Wissen und viele Informationen transportiert. „Allerdings ist es essentiell, auf die Ergebnisse dann auch zu reagieren und erkennbare Maßnahmen zu setzen!“
Feedback ist aber natürlich keine Einbahnstraße. Auf der einen Seite geben Mitarbeiter Rückmeldung, auf der anderen geht es darum, Mitarbeitern Feedback zu geben. „Jeder Mitarbeiter sollte wirklich wissen, woran er ist“, sagt Doris Palz von Great Place to Work. Eine gute Feedback-Kultur zeigt dem Mitarbeiter, was gut läuft, was nicht gut läuft und welche Entwicklungsschritte er geschafft hat.
06 Vom Unternehmensleitbild zur Reality Show.
„Wie um alles in der Welt konnte das passieren? Ist Ihnen überhaupt klar, welche Auswirkungen das hat? Wenn wir den Kunden verlieren, ich sag’s Ihnen, das wird Konsequenzen haben!“
„Ich wollte eigentlich …“
Die Tür knallt zu. So heftig, dass das Bild an der Wand wackelt. Das Bild mit den vielen Unternehmensleitsätzen. An erster Stelle: Wo gehobelt wird, fallen Späne.
„Unternehmenswerte sind die Basis des Erfolges“, ist Doris Palz überzeugt. Aber nur dann, wenn diese Werte auch tatsächlich gelebt werden. „Es macht keinen Sinn, sein Unternehmensleitbild in Hochglanz zu drucken und bei der Weihnachtsfeier wie bei einer Wahlkampfveranstaltung zu predigen. Es geht darum, die Grundsätze zu leben“, sagt Markus Krämer. Ein gelebtes Unternehmensleitbild präge das Miteinander und gebe den Mitarbeitern Sicherheit. „Mit dem authentischen Leitbild wird den Leuten Orientierung gegeben – sie wissen, wo die Grenzen sind und wie sie sich innerhalb dieser bewegen können.“
Wie aber lässt sich nun ein Unternehmensleitbild erlebbar machen? Jürgen Holler und Christian Vieira Dos Santos sehen das Büro als Werkzeug, mit dem man Kreativität, Engagement, Wohlbefinden sowie Innovationsfähigkeit steigern und Werte erlebbar machen kann. Bestes Beispiel dafür: Die neue Arbeitswelt von Runtastic in Pasching – Symbios ist verantwortlich für das auf 2.200 Quadratmetern umgesetzte Bürokonzept. Die Möbel an sich seien dabei sekundär. „Es geht um die Analyse und Entwicklung, wie dieser Raum zu funktionieren hat“, sagt Holler. Dazu haben die beiden Symbios-Gründer eine Methode entwickelt – nennt sich Symbios-Methode – mit der man gemeinsam mit den Kunden und Nutzern des Raumes das Konzept erarbeitet. „ Jedes Unternehmen hat seine individuelle Kultur . Unsere Aufgabe ist es, das Raumkonzept genau dahingehend auszuarbeiten.“ Dazu versuchen sie zunächst möglichst empathisch die Organisation verstehen zu lernen – mit Beobachten, Gesprächen und Methoden des Designthinking. Zu Beginn stellen sie immer die Frage: Wo will sich das Unternehmen hin entwickeln? Will es agiler, innovativer, attraktiver für Talente werden? Dann folgt die Frage: Wie muss das Arbeitsumfeld aussehen, damit dieses Ziel möglichst gut erreicht wird? „Und zwar ganzheitlich – also räumlich, organisatorisch sowie in Führung und Zusammenarbeit“, erklärt Vieira Dos Santos. Ist das geklärt, finden sie heraus, welches Umfeld Mitarbeiter, Nutzer und Führungskräfte jeweils brauchen. „Im dritten Schritt geht es darum, abzuklären, was gebäudetechnisch und finanziell möglich ist. Heraus kommt schließlich ein Ergebnis, das genau auf dieses eine Unternehmen maßgeschneidert ist – und für ein anderes wiederum gar nicht passen würde“, erklärt Vieira Dos Santos. Einen generellen Trend wie Open Office für alle würde er daher nicht unterstützen, es komme immer auf die Persönlichkeiten und Werte im Unternehmen an. „Natürlich kann man sich schnell einen Tischkicker besorgen oder ein Working Café einrichten – aber wenn das nicht zur Unternehmenskultur passt, dann ist das rausgeschmissenes Geld“, so der Symbios-Co-Gründer weiter. Produkte, Prozesse, Architektur ließen sich schnell kopieren, eine individuelle Organisationsform und die passende räumliche Lösung dazu hingegen nicht. „Das ist etwas Einzigartiges und kann zum Wettbewerbsfaktor werden“, ergänzt Holler.
07 Wegen guter Führung entlassen.
„Ich liebe diesen Job, wirklich. Er macht mir Spaß und erfüllt mich.“
„Aber?“
„Ich will keinen Tag länger mit diesem Typen zusammenarbeiten. Das ist kein Chef, das ist einfach nur ein Idiot.“
Mitarbeiter verlassen nicht das Unternehmen, sondern ihren Chef. Und nein, sie kommen nicht ins Chefbüro, um dort zu erklären, dass sie sich nicht wohl dabei fühlen, wie sie geführt werden. Sie kommen, um mitzuteilen, dass sie kündigen. „ Das Handwerkszeug zur Führung wird heute mehr denn je gebraucht “, weiß Doris Palz. „Klare Ziele, klares Übereinkommen und klares gemeinsames Hinschauen, ob der Weg der richtige ist.“
Dessen ist sich auch Felix Schober bewusst. Wobei es kein Patentrezept für einen guten Führungsstil gibt – auch Schober musste erst den Stil finden, der genau zu seinem Unternehmen und zu seinem Team passt. „Früher wurde der Betrieb ganz klar straff geführt. Das Wort vom Chef galt und wurde akzeptiert. Anfangs war ich Angestellter meines Vaters und als ich die Führungsrolle übernahm, probierte ich zunächst einen Laissez-fair-Stil. Das funktionierte aber nicht gut, vielleicht sind wir dazu auch einfach zu groß“, so Schober. Heute habe er einen Stil gefunden – durch Fortbildung und Ausprobieren – mit dem er seiner sozialen Einstellung und auch seiner wirtschaftlichen Haltung treu bleiben kann und dennoch klare Vorgaben gibt. „Es ist keineswegs ein diktatorischer Führungsstil, sondern ein kollegialer“, erklärt Schober. Sein wichtigster Leitsatz: Behandle deine Mitarbeiter so, wie du selbst behandelt werden möchtest. „Wir pflegen einen sehr respektvollen Umgang miteinander und sprechen Dinge, die nicht in Ordnung sind, rasch an. So entstehen keine aufgeschobenen Problematiken, die irgendwann eskalieren.“ Diesen Respekt sieht Kommunikationsexperte Markus Krämer als einen der wichtigsten Aspekte in der Kommunikation: „Wenn sich Mitarbeiter Probleme offen und ehrlich ansprechen trauen, dann ist ein hoher Level an Vertrauen im Team erreicht.“ Dazu gehöre, dass Führungskräfte zuhören können. Für Schober bedeutet das: „Wenn mich jemand um Hilfe bittet – egal ob privat oder beruflich – dann bin ich für ihn da. Es ist immer ein Geben und Nehmen. Gleichzeitig weiß ich, dass ich mich ebenso auf die Leistung meiner Mitarbeiter verlassen kann.“
Doris Palz empfiehlt, sich einmal im Jahr mit einer Mitarbeiter-Befragung wirklich bewusst zu machen, wie es tatsächlich im Unternehmen läuft. Bei den Mitarbeiterbefragungen, die sie mit „Great Place to Work“ anbietet, geht es darum, einen Status Quo zu ermitteln: „Wie ist der Umgang miteinander, wie wird die Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Führungskraft eingeschätzt, wie sieht es mit Fairness aus, ist man stolz auf seine Tätigkeit? Dann bekommen die Unternehmen Vergleichswerte, um das Ergebnis und Antwortverhalten besser einschätzen zu können“, erklärt Palz. Wer seine Mitarbeiter halten möchte, muss schließlich wissen, wie er im Vergleich zum Mitbewerber dasteht. In einem weiteren Schritt schaue man sich an, wie Prozesse im Unternehmen ablaufen und welche Maßnahmen gesetzt werden: „Vom Einstellungsprozess über die Feedbackkultur bis hin zum Umgang mit Konflikten, Feiern von Erfolgen und dem Ausdrücken von Wertschätzung analysieren wir, wie die Maßnahmen tatsächlich zu den Bedürfnissen der Mitarbeiter passen.“
08 Die Sinnfrage.
„Schatz, ich komme heute später heim.“
„Warum das denn?“
„Wir feiern heute noch! Stell dir vor, die haben im Vertrieb jetzt schon das Jahresziel erreicht.“
„Das versteh ich jetzt nicht. Du arbeitest im Betriebskindergarten. Was hast du mit dem Vertrieb zu tun?“
„Der Vertriebsleiter hat gemeint, das hätten sie nie geschafft, wenn sie nicht das Gefühlt gehabt hätten, dass ihre Kinder so gut bei uns aufgehoben sind.“
Die Generation Y tickt anders. „Diesen Menschen geht es darum, einen Beitrag zum Gesamterfolg leisten zu können, einen Sinn in ihren Aufgaben zu sehen“, erklärt Markus Krämer. Josef Kinast beobachtet Ähnliches: „Die jungen Menschen sind unheimlich leistungsorientiert, aber auf eine andere Art und Weise als es früher üblich war – weniger karriereorientiert, vielmehr aufgabenorientiert, der Wunsch nach sinnerfülltem Arbeiten ist groß .“ Man wolle bei Siemens den weltweit 360.000 Mitarbeitern das Gefühl vermitteln, dass jeder ein wichtiges Rädchen dreht – nur wenn jeder seinen Job gut macht, dreht sich das große Ganze. Genau darum gehe es, ist Palz überzeugt: „Wenn ich als Mitarbeiter weiß, welche Ziele das Unternehmen verfolgt und diese bis auf mein Tun heruntergebrochen werden, dann ist mir meine Bedeutung im Zahnräderwerk bewusst.“ Im vergangenen Jahr zeichnete Great Place to Work eine Reinigungsfirma als besten Arbeitgeber aus. Diesem Unternehmen ist es gelungen, ein absolut beliebter Arbeitsplatz für seine Mitarbeiter zu sein. Und das, obwohl kaum jemand schon im Kindesalter davon träumt, eines Tages Reinigungskraft zu werden. Die meisten Mitarbeiter haben zunächst einen konkreten Motivationsgrund, sich bei dieser Firma zu bewerben: Man will und muss Geld verdienen. Doch die Führungskräfte zeigen den Mitarbeitern, welchen wichtigen Beitrag sie zum Gesamterfolg leisten: Würden sie nicht für ein so gutes, sauberes Klima sorgen, würden die Mieter unzufrieden sein. Palz: „Es gibt keinen Job, der sinnlos ist. Es ist die Aufgabe des Unternehmens, diese Sinnhaftigkeit den Mitarbeitern zu übersetzen.“ Sie erinnert sich an die Geschichte eines anderen Klienten: „Wenn der Generaldirektor einer großen Versicherung am Abend das Haus verlässt, dem Portier die Hand schüttelt und sagt: ‚Ich kann den ganzen Tag hier gut und konzentriert arbeiten, weil ich weiß, dass Sie nur jene Menschen hereinlassen, die dazu berechtigt sind’, dann ist das ein wunderschönes Beispiel dafür, wie man jeden Arbeitsplatz wertschätzen kann.“
09 Besser, man macht Fehler, als gar nichts.
„Schauen wir uns jetzt mal in Ruhe an, ob und wie wir diesen Fehler das nächste Mal vermeiden können. Und dann vergeuden wir keine Zeit, sondern machen uns weiter an die Arbeit – denn die machen Sie verdammt gut! Ich schätze Ihr Engagement und Ihr Verantwortungsbewusstsein sehr!“
Markus Krämer sieht die Einstellung, Fehler als Freunde anzuerkennen, als einen wesentlichen Punkt, um eine offene Kommunikation im Team zu ermöglichen. Fehler als Chancen zu sehen , hat man sich auch bei Siemens zum Motto gemacht. „Fehler sind dazu da, um daraus zu lernen. Wenn man eine offene Kommunikationskultur lebt, dann ist es auch kein Problem, anzusprechen, was gut läuft und was weniger gut läuft. Und dann stimmt das Arbeitsklima“, sagt Kinast. Wie gut dieses Klima tatsächlich ist, könne man zwar einerseits an den Geschäftszahlen ablesen, viel wichtiger sei ihm aber, bei Veranstaltungen im Haus direkt zu den Menschen hinzugehen. „Dann spürt man’s wirklich, ob diese Kultur gelebt wird oder nicht.“
10 Verstehen Sie Spaß?
„Hier riecht es wie in einem Kino.“
„Oh, ja, das ist gut möglich!“ (lacht) „Tom aus der Grafikabteilung hat soeben bemerkt, dass ihn nichts mehr inspiriert als frisches Popcorn. Und irgendwie hatten wir dann alle Lust darauf. Möchten Sie auch was davon?“
„Gerne!“
„Es darf auch gelacht werden“, sagt Doris Palz und schmunzelt. Humor ist sozusagen die Würze des (Arbeits)lebens. „Wenn es den Führungskräften gelingt, dass bei der Arbeit Spaß herrscht und man sich locker aufeinander einlässt, dann kommt man in diesen gewissen Flow rein und hat Freude an dem, was man tut.“ Auch die Freude an gemeinsam erreichten Zielen spiele dabei eine tragende Rolle. Gemeinsamer Stolz verbindet schließlich. Und bindet ans Unternehmen.
11 Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Mit der richtigen Aufgabe.
„Hey, hast du grad Zeit zum Chatten?“
„Klar, warum?“
„Mir ist wieder mal so fad. Und wenn ich noch länger hier rumsitze, kaufe ich das ganze Internet leer.“
Überforderung oder Unterforderung – beides kann zum Albtraum für Mitarbeiter werden. „Jeder Mensch will als Individuum behandelt und gemäß seinen Stärken, Fähigkeiten und Bedürfnissen eingesetzt werden . Diese zu erkennen und die richtigen Aufgaben dementsprechend zu vergeben, ist eine wichtige Führungskompetenz“, erklärt Doris Palz. Auch das Bedürfnis der Mitarbeiter, Privat- und Berufsleben zu vereinbaren, sei ein Thema, mit dem sich Führungskräfte zunehmend beschäftigen müssten, weiß Josef Kinast. „Egal ob Kultur, Sport oder Familie, viele junge Menschen legen mehr Wert darauf, diese Bedürfnisse gut mit dem Arbeitsleben vereinbaren zu können als ein höheres Gehalt zu bekommen.“ Und das sei vollkommen in Ordnung, „mir ist es egal, wo und wie gearbeitet wird, es kommt auf das Ergebnis an.“ Diesen Wertewandel müsse man als Führungskraft verstehen und darauf eingehen.
Wie bekommt und hält man die besten Köpfe?
Johannes Pracher ist Geschäftsführer des Alumni-Clubs Kepler Society der JKU Linz. Im Interview erzählt er, worauf es ankommt, um Absolventen ins Boot zu holen.
Nach welchen Kriterien suchen sich Absolventen der JKU ihren Arbeitgeber aus? Tun sie das heute anders als früher?
PracherWaren früher die „harten Faktoren“ wie Geld und Aufstiegsmöglichkeit die Hauptantriebsfedern, rücken heute Sinnstiftung sowie persönliche Entfaltung immer mehr in den Mittelpunkt. Geld allein ist heute definitiv nicht mehr das Entscheidungskriterium.
Gehen Absolventen heute selbstbewusster auf Jobsuche?
PracherTendenziell eher nein, denn in gewissen Bereichen gibt es durchaus noch mehr Absolventen als Arbeitsplätze. Fakt ist jedoch auch, dass gerade Absolventen der MINT-Fächer durchaus wissen, dass sie am Arbeitsmarkt heiß begehrt sind. Diese schauen sich also ihren zukünftigen Arbeitgeber sehr genau an. Gerade Unternehmen aus diesem Umfeld müssen verstärkt in ihre Arbeitgebermarke investieren.
Die Fluktuation wird tendenziell höher – ist der Wunsch, langfristig für einen Arbeitgeber zu arbeiten unter den Absolventen immer weniger präsent?
PracherDieser Trend spiegelt sich ja nicht nur in der Arbeitswelt wieder. Die „klassischen“ Karrierelaufbahnen werden auch immer weniger. Hier passt sich der Arbeitsmarkt einfach dem gesellschaftlichen Trend an.
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