Workability – Wie bleiben wir arbeitsfähig?
Gesundheit ist nicht alles. Doch ohne Gesundheit ist alles nichts. Das gilt auch für den Arbeitsplatz. Durch zu viel Stress oder körperliche Belastungen lernen viele Mitarbeiter und Führungskräfte oft ihre Grenzen kennen – und überschreiten diese. Was ist also zu tun für maximales Wohlbefinden am Arbeitsplatz? Manuela Neubauer, Zuständige für die Bereiche Prävention, Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung am Klinikum Wels-Grieskirchen, und Norbert Kailer, Experte für Burn-Out-Prophylaxe und sinnorientiertes Arbeiten, über nachhaltige Gesundheitsförderung.
Sein Blick ist mit den Monaten leerer geworden. Sein Gesicht blass, seine Hände zittrig. Der Gang langsam und in gebückter Schonhaltung. Seine Gespräche mit Kollegen – früher höflich, motiviert und freundlich – wurden zum Inbegriff von subtilem Zynismus. Irgendwann war sein Büroplatz morgens leer. Er konnte nicht mehr. Überarbeitet, überlastet, einfach fertig. Einfach übersehen?
Bewusstsein angekommen!
Chronische Rücken- und Nackenschmerzen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Suchterkrankungen und Burn-out: Die Liste arbeitsbedingter Erkrankungen ist bunt und lang. Die Ursachen sind oft in den psychischen oder physischen Belastungen im Arbeitsalltag zu finden. Doch Krankenstände, Arbeitsunfälle oder Burn-out-Komplettausfälle von Mitarbeitern und Führungskräften sind nicht nur teuer. Sie schwärzen den Ruf und das Klima eines Betriebes. Die gute Nachricht: Das Bewusstsein zu handeln ist angekommen: Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren mit abwechslungsreichen Angeboten zur Gesundheitsförderung ihrer Mitarbeiter reagiert. Die Herausforderung dabei: Diese Angebote sollen auch genutzt werden. Von allen Personen eines Betriebes. Denn dadurch können im Idealfall auch der persönliche Lebensstil und das Risikoverhalten positiv beeinflusst werden. Am Klinikum Wels-Grieskirchen gehört betriebliche Gesundheitsförderung schon seit Jahren zur Unternehmensphilosophie: „In einem Krankenhaus wird viel und hart für die Patienten und ihre Gesundheit gearbeitet. Die eigene Gesundheit bleibt dabei oft nicht genug im Fokus“, erklärt Manuela Neubauer. Seit 2013 ist sie als gelernte Diplomkrankenschwester für die Bereiche Prävention, Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung und in diversen Ausbildungen im Klinikum tätig. Auch Norbert Kailer, Professor am Institut für Unternehmensgründung und Unternehmensentwicklung an der JKU Linz, ist sich sicher: „Sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte und Unternehmensinhaber sind beruflichen Stressbelastungen ausgesetzt. Es ist für Unternehmen strategisch sehr wichtig, präventiv Maßnahmen zu setzen.“
Mit gutem Beispiel voran … rennen!
Eines ist klar: Erfolgreiche Gesundheitsförderung gelingt nicht durch kurzfristige, punktuelle Maßnahmen. Ein Projekt kann nur dann nachhaltig sein, wenn es Teil der Unternehmenskultur ist und alle Ebenen aktiv miteinbezogen werden. „Es geht nicht nur darum entsprechende Maßnahmen im Unternehmen zu initiieren, sondern auch darum selbst als Vorbild zu wirken“, meint Kailer. „Es liegt natürlich stark an den Führungskräften, ob an Projekten erfolgreich teilgenommen wird. Das sehen wir hier bei uns im Klinikum, wo Führungskräfte aktiv an Angeboten und Veranstaltungen teilnehmen und dadurch viele Mitarbeiter motivieren“, sagt Neubauer. Bewegung spiele im Klinikum-Alltag eine große Rolle. Jährlich werde erfolgreich für sportliche Großveranstaltungen wie den Business-Run trainiert, Aktionen wie „RadeltZurArbeit“ solle die Mitarbeiter zu mehr Bewegung motivieren. Dafür gäbe es seit 2018 auch fünf E-Bikes zum Leihen. Auch Kailer bestätigt: „Neben dem gesundheitlichen Aspekt ist regelmäßige körperliche Betätigung wie Walken, Laufen, Radfahren auch für das ‚Abschalten-können’ sehr wichtig.“ Teamsport mit Kollegen fördere außerdem den Teamgeist und die Gemeinschaft.
Das sitzt richtig!
Gruppenangebote und –training sind nur eine von vielen Maßnahmen, die zu mehr Gesundheit der Mitarbeiter beitragen sollen. Viele Berufe bringen täglich starke körperliche Belastungen mit sich. „Nachdem mein Grundberuf Diplomkrankenschwester ist, kenne ich die körperlichen Belastungen im Gesundheits- und Pflegebereich sehr gut. Ich habe mich erfolgreich dafür eingesetzt, dass das Klinikum als sehr großer Arbeitgeber dem österreichischen Netzwerk für gesundheitsfördernde Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen beitritt“, meint Neubauer. Als Referentin im Ausbildungszentrum und an der Fachhochschule Gesundheitsberufe Oberösterreich zu verschiedenen Themen wie Gesundheitsförderung, Ergonomie und „Gesund leben mit Stress“ kann sie Auszubildende von Beginn an beraten und in die Praxis begleiten. „Meine Tätigkeit ist sehr vielfältig. Im Klinikum bin ich sehr viel vor Ort und sehe mir die Arbeitsplätze und die Arbeitsbedingungen an.“ Einen großen Einfluss hat die richtige Einstellung des Arbeitsplatzes auf den Mitarbeiter. Hier können durch individuelle Anpassung Probleme verhindert werden. Vor allem die Ergonomie und die körperliche Gesundheit von Pflegekräften sei Neubauer ein großes Anliegen: „Wir verwenden das Konzept der Kinaesthetics in der Pflege. Dabei wird die Bewegung von Patienten schonend unterstützt, ohne dass sie dabei gehoben oder getragen werden müssen.“ Das Ziel dabei ist, die Bewegungsressourcen von kranken Menschen zu erkennen und zu fördern. Es hilft, die Patienten schonend zu mobilisieren, und bedeutet geringere physische Belastungen für die Pflegepersonen sowie eine höhere Zufriedenheit im Arbeitsalltag.
Arbeiten. Sinnvoll und glücklich.
Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper – regelmäßige sportliche Aktivitäten halten nicht nur den Körper fit, sie sind auch für die Gesunderhaltung der Psyche wichtig. Meist leichter gesagt als getan: Gerade in den kalten Wintermonaten ist es oft mühsam und unbequem, sich noch für eine kurze Laufrunde aufzuraffen. Der „Gruppenzwang“ der Montagslaufrunde des Büros könnte Abhilfe schaffen. Manchmal ist es damit aber noch nicht getan: „Neben Sport und gesunder Ernährung ist Stressprävention auch durch Meditation, Yoga und Achtsamkeitsübungen möglich. Wirksam wird dies jedoch nur, wenn man es regelmäßig betreibt“, weiß Kailer. „Gerade in einem Krankenhaus, wo man immer wieder mit starken psychischen Belastungen wie schweren Krankheiten oder Tod konfrontiert ist, muss man für Mitarbeiter Möglichkeiten für einen guten Umgang und eine gute Aufarbeitung dieser Themen bieten“, sagt Neubauer. Für die psychische Unterstützung der Mitarbeiter aller Berufsgruppen ist am Klinikum die Arbeitspsychologie zuständig. In Einzelgesprächen, Teamsitzungen und Workshops soll hier bei Spannungen oder hohen Belastungen geholfen werden. Auch in der Personalentwicklung werde im Klinikum gezielt auf die Steigerung der Gesundheitskompetenz gesetzt: Yoga- und Zumbakurse, Entspannungs- und Achtsamkeitsseminare und spirituelle Angebote der Eigentümer-Orden und der Seelsorge werden gut und gerne von den Mitarbeitern besucht. Auch Programme für Suchtprävention und Suchthilfe, wie etwa die Allen-Carr-Methode gegen das Rauchen, wurden im Klinikum bereits angeboten und genutzt. Für Kailer ist es wichtig, sich durch regelmäßigen Austausch und „Reflexionsphasen“ zwischen Abteilungen, Mitarbeitern und Führungskräften ein Bild über potentielle Stressoren zu machen und darauf zu reagieren: „Seminare, organisierte Team-Building-Aktivitäten, Burn-Out-Tests mit individuellem Coaching und gemeinsame Strategiearbeit sowie Visionsbildung können präventiv wirken.“ Letztlich gehe es aber immer auch darum, dass Mitarbeiter ihren individuellen Sinn in ihrer Tätigkeit erkennen können. Man müsse ihnen regelmäßig aufzeigen, was sie zur Erreichung der Unternehmensziele und für Kunden und Gesellschaft beitragen._
Neben Sport und gesunder Ernährung ist Stressprävention auch durch Meditation, Yoga und Achtsamkeitsübungen möglich.
Norbert Kailer
Professor für Unternehmensgründung und Unternehmensentwicklung an der JKU Linz
Es liegt natürlich stark an den Führungskräften, ob an Projekten erfolgreich teilgenommen wird.
Manuela Neubauer
Fachkraft für die Bereiche Prävention, Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung am Klinikum Wels-Grieskirchen
So gelingt der optimale Arbeitsalltag…
Tipps von Michael Stingeder, Humanenergetiker
01 Der Start …
Langsam aufstehen. Durchstrecken. Durchatmen. „Den Alltag sollte man möglichst ohne Hektik und unbedingt mit einem warmen Frühstück beginnen,“ erklärt Stingeder. Mit dem Verlassen des Zuhauses sei es wichtig, die Welt zu wechseln: Also raus aus dem Familienalltag und rein in den Arbeitsalltag. Und dann: Am besten möglichst entspannt auf den Weg zur Arbeit …
02 Und dann?
„Grundsätzlich sollen regelmäßig Pausen eingelegt werden. Pausen, um zu essen und zu trinken natürlich. Aber auch Pausen, um bewusst zu atmen und sich zu bewegen“, sagt Stingeder. Es gehe darum, bei einer Sache zu sein, an einer Sache konzentriert zu arbeiten: „Multitasking ist nicht gut für das Gehirn. Man sollte gedanklich immer da sein, woran man gerade arbeitet.“ Viele Mitarbeiter müssten lernen, „Nein“ sagen zu können. „Wenn man selber schon in Arbeit versinkt, kann man nicht noch mehr machen. Durch regelmäßige Selbstreflexion lernt man seine Grenzen gut kennen und wahren“, erklärt Stingeder. Der achtsame Umgang mit Kollegen, Führungskräften und mit sich selbst schaffe eine angenehme Atmosphäre und ein gutes Klima am Arbeitsplatz.
03 Rechtzeitig nach Hause …
Es wird immer mehr zu tun geben. „Aber lieber etwas kürzer und dafür konzentrierter arbeiten und Ablenkungen so gut wie möglich vermeiden“, sagt Stingeder. Also nachhause stressen für einen entspannten Abend? Doch lieber langsam und entspannt, denn der Nachhauseweg diene zum „Abschalten“, um zuhause wieder in den Familienmodus wechseln zu können. „Dort angekommen, sollte man als erstes die Kleidung wechseln. Dieses Ritual legt die Arbeit in den Schrank, wo sie am besten erst am nächsten Morgen wieder rausgeholt wird“, sagt Stingeder. Denn der wichtigste Termin des Tages stünde noch an, der Termin mit sich selbst: „Ich empfehle täglich ein paar Minuten ‚Sitzen in Stille’. Es ist das tägliche Zusammenräumen des eigenen Großhirnrechners, Zeit für sich und sich neu zu ordnen.“
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