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Dem Mangel ein Schnippchen schlagen

Die Lage der heimischen Wirtschaft kann man derzeit mit einem lachenden, aber auch einem weinenden Auge sehen. Denn der Aufschwung über Vorkrisenniveau trifft auf eines der wohl präsentesten Probleme am Arbeitsmarkt: den Fachkräftemangel.

Hohe Arbeitslosenzahlen treffen auf eine hohe Anzahl an Stellenangeboten. Wo liegt also das Problem? Die Rechnung ist nicht so einfach, wie sie aussieht. So sind manche Branchen besonders davon betroffen, geeignete Arbeitskräfte zu finden, und dies wiederum aus sehr unterschiedlichen Gründen.

Dem IT-Sektor beispielsweise sollen in Österreich aktuell bis zu 24.000 Fachkräfte fehlen – die ältere Generation, die sogenannten Babyboomer, gehen in Pension, die Jungen zieht es aber offenbar nicht ausreichend in diese Berufssparte: 800 Lehrlinge befinden sich momentan in Ausbildung, informiert die Gewerkschaft GPA. Dazu kommt, dass die Studienabbruchsrate bei IT-relevanten Studienrichtungen bei über 50 Prozent liegt, rechnet die GPA vor.

Auch die Tourismusbranche ist in Sachen Fachkräftemangel seit Langem Spitzenreiter in der Statistik. Die Coronamaßnahmen haben die Lage weiter verschärft. Viele Mitarbeiter:innen kehrten der Branche in den letzten beiden Jahren den Rücken, indem sie in anderen Berufen neu Fuß fassten.

„Österreichs Wirtschaft war zum einen viele Jahre durch die Verfügbarkeit vieler zusätzlicher, gut ausgebildeter Arbeitskräfte aus der EU verwöhnt. Die kommen zwar noch immer, aber nicht mehr so stark. Zum anderen steigen Fachkräfte aufgrund günstiger Bedingungen in andere Branchen um. Durch die Erfahrungen mit der Pandemie nehmen weniger Menschen Jobs in Tourismus und Gastronomie an. Neben den durch die Pandemie bedingten Unsicherheiten spielen dabei allgemein ungünstige Rahmenbedingungen wie Arbeitszeiten, Saisonalität, Kinderbetreuung oder An- und Abreise zum Arbeitsort auch eine wichtige Rolle“, bestätigt Johannes Kopf, Mitglied im Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS). Dass auch der Faktor Entlohnung eine Rolle im Fachkräftemangel spielt, sind die Expert:innen der österreichischen Denkfabrik Momentum Institut überzeugt. Der Arbeitskräftemangel sei vielfach hausgemacht und außerdem auf niedrige Löhne zurückzuführen. Beispielsweise ist der Bedarf an Köch:innen sehr hoch – deren durchschnittliches Monatsbruttogehalt beläuft sich auf 1.700 Euro bei einer Sechs-Tage-Woche, das entspricht der Mindesthöhe des geltenden Kollektivvertrags.

Von anderen Unternehmen lernen

In Oberösterreich und Salzburg stehen die Zeichen des WKÖ-Fachkräfteradars ebenfalls auf Rot, doch nicht alle Betriebe scheinen davon betroffen zu sein. So zeigt sich Daniela Malata, Mitglied der Geschäftsleitung von W&H Dentalwerk Bürmoos, relativ gelassen, wenn es um die Rekrutierung von Fachkräften für ihr Unternehmen geht: „Soweit haben wir keine Probleme, es kommt aber auf die Disziplinen an. Wenn man einen Absolventen oder eine Absolventin für Software oder Künstliche Intelligenz sucht, ist der Markt natürlich bereits enger. Das hat auch damit zu tun, dass das Ausbildungsangebot im Technikbereich seit Jahren das gleiche ist. Daher bilden wir unsere Mitarbeiter:innen in manchen Bereichen selber aus. Inzwischen sind das gut 550 Leute und die bleiben meistens auch im Unternehmen. Wir legen also Wert auf eine ordentliche Ausbildung und schauen, dass wir immer am Puls der Zeit sind.“

Als logische Konsequenz etablierte W&H schließlich eine hausinterne Akademie: „Wir haben vor acht Jahren intensiv damit begonnen, den Bildungsbedarf unserer Belegschaft abzufragen. Daraufhin haben wir ein Ausbildungsprogramm entwickelt. Viele Bereiche betreffen die Kommunikation und soziale Kompetenzen. Wir haben letztes Jahr auch den Campus und die Lehrwerkstatt ausgebaut und neu gestaltet. Wir vermitteln viele Kurse auch schon online und via E-Learning“, berichtet Malata.

Soziale Kompetenzen stärken

Die fachliche Qualifikation der potentiellen und bestehenden Mitarbeiter:innen im Fokus zu behalten, ist die eine Seite der Medaille – die andere ist, auf die soziale Kompetenz Wert zu legen. Bei der Firma Vion werden Vermögensberater:innen für eine haupt- oder nebenberufliche Tätigkeit fachlich qualifiziert. „Unternehmen müssen selbst ausbilden. Auch zu uns kommen meist keine Bewerber:innen, die fixfertig ausgebildet sind. Wir haben eine vielseitige Vermögensberatungs-Ausbildung geschaffen, die vom Lernen am Arbeitsplatz über persönlichkeitsbildende Trainings bis hin zur Prüfung im Sinne einer Meisterausbildung reicht, die wir gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Steiermark ins Leben gerufen haben“, erklärt Manuela Dorn, Geschäftsführerin von Vion. Bis zu zwölf Monate kann die Ausbildung im Unternehmen dauern, „dabei sind die sozialen Fähigkeiten in diesem Aufgabengebiet von höchster Relevanz. Jede Person muss lernen, wie man ein Team aufbaut und sich in diesem bewegt. Wir brauchen Menschen, die kommunikativ und respektvoll sind, und wir bringen ihnen bei, wie man unternehmerisch denkt und handelt und sich selbst organisiert. Außerdem haben wir gerade in diesen zwei herausfordernden Krisenjahren auch angehende Vermögensberater:innen aufgenommen, die aus sehr fremden Berufszweigen kommen“, weist Dorn auf das breite Spektrum der Vermögensberatungs-Ausbildung und ihre Bewerber:innen hin.

Wie findet Vion nun die Bewerber:innen, die sich am besten für diese Aufgabe in der Finanzbranche eignen? „Es ist der fixfertige Ausbildungsweg, den wir anbieten, und die Tatsache, dass man bereits während der Ausbildung bei uns Geld verdient. In den ersten beiden Monaten ihrer Tätigkeit kristallisiert sich dann heraus, ob wir tatsächlich wieder einen Edelstein unter uns haben, in den wir gerne bereit sind, mehr zu investieren. Leute, die den Ausbildungsweg vorzeitig abbrechen, haben wir zum Glück ohnehin selten“, freut sich die Geschäftsführerin. „Wir achten darauf, was heute am Markt an Fachwissen und menschlicher Kompetenz gefordert ist, um daraus die beste Beratung für morgen anbieten zu können.“

Akademische Fachkräfte

Müssen Unternehmen die Ausbildung in die eigenen Hände nehmen, weil es an fachspezifischer Ausbildung mangelt? Hat der Ausbildungsmarkt Defizite, die angegangen werden müssen?

„Es bräuchte im Technikbereich an den Universitäten eine raschere Weiterentwicklung, zumindest kommt nun in Linz eine Technische Uni hinzu. Da sind aber andere Länder schneller. Klar ist: Ohne Eigeninitiative geht nichts, man muss bereits den Jüngsten MINT-Kompetenzen beibringen“, sagt Malata und verweist damit auf die Unterrichts- und Studienfächer sowie Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.

Die akademische Fachkräftelücke mit qualifizierten Absolvent:innen zu füllen, hat sich die Technische Hochschule Rosenheim auch an ihrem Campus Burghausen vorgenommen. Dieser ist grenznahe zu Österreich an der Salzach beheimatet und liegt mitten am Standort der Chemieindustrie, die seit gut einem Jahrhundert als herausragender Wirtschaftsfaktor auftritt. Im sogenannten ChemDelta kann man auf etwa 20.000 Arbeitsplätze direkt in der chemischen Industrie verweisen. Dass es um die Spezialisierung in diesem Sektor geht, liegt auf der Hand, weshalb am Campus fortwährend neue Bachelor- und Masterstudiengänge – dem Bedarf der Industrie folgend – geschaffen werden. „Die stark zunehmende Automatisierung und Digitalisierung in der chemischen Industrie führt dazu, dass besonders Spezialist:innen in der Prozessautomatisierungstechnik fehlen.

Der speziell entwickelte Bachelorstudiengang Chemtronik verbindet an der Schnittstelle zwischen den Disziplinen fundierte Grundlagen der Ingenieurwissenschaften und Verfahrens- und Prozesstechnik mit digitaler Mess-, Steuer- und Regelungstechnik“, erläutert Philipp Keil, Dekan der Fakultät für Chemische Technologie und Wirtschaft am Campus Burghausen der TH Rosenheim. „Die Zukunftsfelder Nachhaltigkeit und Digitalisierung haben wir auch in den anderen Studienangeboten klar im Fokus, um die in der Region dringend benötigten Fachkräfte auszubilden“, ergänzt Keil. Die Studierenden kommen vorwiegend aus dem deutschsprachigen Raum und ergreifen nach dem Bachelorabschluss oftmals in der Region eine Berufstätigkeit. Auf Internationalität in der Ausbildung will der Campus ab dem Sommersemester 2023 mit einem englischsprachigen Bachelor-Ingenieurstudiengang setzen. „Dieses Angebot soll die positiven Wirkungen unseres dezentralen Hochschulstandortes auf die regionale Wirtschaft weiter verstärken – genauso wie unsere Aktivitäten im Bereich Wasserstoff“, unterstreicht Keil den Nutzen.

Fazit: Es tut sich einiges im Land in Sachen Fachkräfteaus- und -weiterbildung. Anstatt den Kopf in den Sand zu stecken und über den Mangel an Fachkräften zu diskutieren, initiieren die Betriebe Maßnahmen, die weit über die bislang hausinternen Aktivitäten hinausgehen.

Unternehmen müssen selbst ausbilden. Auch zu uns kommen meist keine Bewerber:innen, die fix und fertig ausgebildet sind.

Manuela Dorn Geschäftsführerin, Vion

Die Zukunftsfelder Nachhaltigkeit und Digitalisierung haben wir klar im Fokus.

Philipp Keil Dekan der Fakultät für Chemische Technologie und Wirtschaft, Campus Burghausen der TH Rosenheim

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