Ein österreichischer Kinderbuchklassiker aus dem Jahr 1972, bei dem ein kleines, nicht näher bestimmbares buntes Tier – das kleine Ich-bin-Ich – auf der Suche nach seiner Identität ist, kann stellvertretend für die Suche nach dem Kern der Unternehmensidentität herhalten, dem Employer Branding. Ein Prozess, dem sich auch Unternehmen zusehends unterziehen müssen, um potenzielle Arbeitnehmer anzusprechen.
Zumindest jene Arbeitgeber, die auf der Suche nach hochqualifiziertem, jungem Personal nicht die zweite Geige spielen wollen. Denn die Zeiten, in denen Unternehmen aus einer fast unbegrenzten Anzahl an Bewerbungen für eine vakante Position den besten Kandidaten auswählen konnten, sind vorbei. Heute stellt sich vielmehr die Frage an den Bewerber: Will ich hier überhaupt arbeiten? Was hat mir das Unternehmen zu bieten? Dafür braucht es eine klar definierte Arbeitgebermarke, wie es die Personalleiterin der BMW Group Werk Steyr, Judith Kaltenbrunner, auf den Punkt bringt: „Man spürt, dass vor allem in Schlüsselqualifikationen wie technischen Berufen der ‚War for Talents’ zunimmt.“ Damit beginnt die Suche nach dem Kern der eigenen Unternehmensidentität, um Arbeitskräfte von morgen anlocken zu können. Oder anders ausgedrückt: Es braucht Employer Branding.
Evolution der eigenen Marke
Was verknüpfen mögliche Arbeitnehmer mit einem bestimmten Arbeitgeber? Was ist den Arbeitnehmern besonders wichtig? Laut einer Studie des Marktforschungsinstitutes GfK Sozial- und Organisationsforschung sind es in erster Linie „Soft Facts“: eine sympathische Unternehmenskultur, identifizierbare Werte sowie der Ruf des Unternehmens. Diese Komponenten an eine große Schicht derzeitiger und zukünftiger Arbeitnehmer gut zu vermitteln, zahlt sich für ein Unternehmen aus. Der Index Personalmarketing Report 2014/2015 für Deutschland etwa zeigt, dass Personalmarketing – und somit auch ein wesentlicher Teil des Employer Branding – an Wichtigkeit zunimmt. War es 2013 nur bei etwa einem Viertel der befragten Unternehmen wichtig, so hatte es 2014 respektive 2015 schon bei fast der Hälfte der Betriebe einen sehr großen Stellenwert. Die Budgets für langfristige Maßnahmen fallen allerdings nach wie vor eher gering aus. Für eine gute Arbeitgebermarke komme es vor allem auf die eigentliche Qualität des Unternehmens sowie auf die vorab präsentierten Informationen an. In diesem Kontext wird vorrangig die Generation Y angesprochen, die mit den Attributen unnahbar, hochqualifiziert und vor allem digital assoziiert wird. Laut Personalmarketing Report sollten daher neuere, unmittelbarere Wege der Unternehmensdarstellung beschritten werden. Während dies für Online-Stellenanzeigen bereits gut funktioniere, stünden für Werbung in Social Media oder für Arbeitgebervideos trotz der steigenden Wichtigkeit für Unternehmer nach wie vor weniger finanzielle Mittel zur Verfügung als für die klassischen Stellenanzeigen in Printmedien oder für Personalberater. Damit bleiben viele Arbeitgeber allerdings weiterhin eine Blackbox für diese Generation. Denn zukünftige Kandidaten wurden mit dem Internet sozialisiert und sind es daher gewohnt, Informationen von dort zu bekommen und diese zu bewerten. Employer Branding kann somit als Arbeit am eigenen Unternehmens-Ich gesehen werden. Es geht darum, einen Markenkern zu definieren: Was macht mich aus? Es ist die Frage nach dem Warum: Warum sollten sich Mitarbeiter für mich entscheiden? Was die Unique Selling Proposition (USP) für das Produktmarketing ist, ist die Employer Value Proposition (EVP) für die Arbeitgebermarke. Wer Talente gewinnen will, muss die Klaviatur des Employer Branding professionell beherrschen, so eine Studie der Boston Consulting Group. Denn Unternehmen würden sich immer mehr zu „People Businesses“ entwickeln, bei denen Personalkosten größer als Kapitalkosten sind. Daher ist das Employer Branding ein wichtiger Wettbewerbsfaktor und Anstoß für die Evolution der eigenen Marke. Die Identifizierung der Mitarbeiter mit dem Unternehmen ist die Schnittstelle mit dem „People Business“. Denn, so Karl-Heinz Täubel, Geschäftsführer von Unit-IT: „Wenn sich ein Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifiziert und das auch stolz nach außen trägt, ist das die beste Werbung.“
Arbeitest du noch oder wohnst du schon?
Einige Big Player des Silicon Valley – Microsoft, Google, Apple – machen das bereits vor und platzieren ihre Unternehmensmarke als Kombination aus hippen Social-Media-Beiträgen, dynamischen Video-Contents und Büros, die aussehen wie Kinderspielplätze und Hobbykeller zugleich. So soll die Arbeitgebermarke attraktiv wirken. Es ist jedoch nicht alles Gold, was glänzt. Es komme auch sehr stark auf die jeweilige Branche an, ob solche Maßnahmen wirken oder verpuffen, wie Phillip Redl von Wohlschlager und Redl meint: „Das amerikanische Modell ist nett und dient als Vorbild, man muss aber zwischen den unterschiedlichen Branchen sowie zwischen Klein- und Großbetrieben differenzieren. Bei einem Bürojob wie bei Google oder Microsoft hat ein eigenes Fitnessstudio sicher seinen Anreiz. Bei uns sind jedoch 80 Prozent der Mitarbeiter auf der Baustelle und ohnehin den ganzen Tag auf den Beinen.“ Das Silicon Valley als Vorbild für die Arbeitgebermarke? Eher weniger meint Karl Steinmayr, kaufmännischer Geschäftsführer von Habau: „Amerika wird generell mehr mit dem Silicon Valley verbunden, Europa eher mit der ‚Old Economy’. Ich persönlich würde die großen Unternehmen nach amerikanischen Modell nicht als Vorbild sehen.“
Was macht das amerikanische Silicon-Valley-Modell eigentlich aus? Traditionelle Arbeitskonzepte haben dort ausgedient. Flexible Arbeitszeiten, Creative Lounges sowie Rutschen haben Einzug gehalten. Ein Beispiel für ein transferiertes amerikanisches Konzept auf heimischem Boden ist Wiens Microsoftzentrale. Hier preist man das neue „Microsoft Office“ – in diesem Fall dessen Büros – als Paradebeispiel für das neue Arbeiten an. Der Arbeitsplatz soll spezifisch nach der Tätigkeit ausgesucht werden. „Nicht determinierte Architektur der Arbeitsplätze“ heißt das im Microsoft-Jargon. Man könnte auch sagen: „Setz dich hin, wo du Platz findest.“ Dafür gibt es räumliche Settings wie etwa eine Bar, eine Cafeteria, eine Lounge, einen Playground oder eine Bibliothek. Als besonderes Highlight wird die eingebaute Rutsche zwischen zwei Stockwerken beschrieben sowie eine eigene Kinderbetreuung und ein Fitnessstudio. Diese Entwicklung soll einerseits die Arbeitgebermarke begehrenswert machen, andererseits vermischt sich Arbeits- und Freizeit immer mehr. Coiffeur Vogl sieht darin positive wie negative Aspekte: „Das amerikanische Modell als Vorbild? Dazu gibt es ein ganz klares Jein. Es ist natürlich cool, für Google oder Microsoft zu arbeiten, vor allem wenn du dich mit Schlabberhose und Kapuzenpullover in die Hängematte legen und arbeiten kannst. Die Frage ist nur, wann die Arbeitszeit aufhört und die Freizeit beginnt. Das vermischt sich zusehends, wird aber in Kauf genommen.“ Das Ziel ist, die Mitarbeiter so lange wie möglich am Arbeiten zu halten, so wird aus einem Acht-Stunden-Arbeitstag schnell mal ein Zwölf- oder Vierzehn-Stunden-Tag. Österreichische Unternehmen sehen die Silicon-Valley-Entwicklung nicht nur positiv, sondern überaus reflektiert. Wie machen das die heimischen Betriebe? Sieben Unternehmen aus verschiedenen Branchen geben Antworten darauf.
Wohlschlager & Redl
BrancheGewerbe und Handwerk (Installation, Sanierung und Service)
Konkrete Maßnahmen für Employer Brandingdirekte Kommunikation mit den Mitarbeitern für mehr interne Transparenz; betriebliche Gesundheitsförderung und Gesundheitsworkshops; interner Fußballverein
Woran erkennen Sie, dass Ihr Employer Branding ankommt?„Das merken wir an der Weiterempfehlung unserer Mitarbeiter bei der Personalsuche, dem Interesse der Lehrlinge und dem positiven Feedback von der Berufsschule. Ausschlaggebend ist natürlich auch die Mitarbeiterloyalität – etwa 30 Prozent unserer 350 Mitarbeiter sind schon länger als zehn Jahre im Unternehmen", sagt Prokurist Philipp Redl.
Habau Gruppe
BrancheBauindustrie (Hoch-, Tief-, Stahl- und Anlagenbau)
Konkrete Maßnahmen für Employer BrandingBudget für Sozialfälle im Unternehmen, z.B. Delphintherapie; medienwirksame Inszenierungen, z.B. Teilnahme bei "Undercover Boss"; Mitarbeiterauszeichnungen und Lehrlingsevents
Woran erkennen Sie, dass Ihr Employer Branding ankommt?„Einerseits an der Vielzahl an Blindbewerbungen, andererseits an der äußerst geringen Mitarbeiterfluktuation: 36 unserer Mitarbeiter haben vor kurzem die 25-jährige Unternehmenszugehörigkeit gefeiert. Das ist ein großes Indiz dafür, dass unsere Unternehmensmarke vorne dabei ist", sagt der kaufmännische Geschäftsführer Karl Steinmayr.
Coiffeur Vogl
BrancheGewerbe und Handwerk
Konkrete Maßnahmen für Employer Brandingwöchentliches gemeinsames Frühstück; Weiterbildungsmöglichkeiten, z. B. Intensiv-Schnittseminare; Teamausflüge, z.B. zum größten österreichischen Frisörevent "Haarmania"
Woran erkennen Sie, dass Ihr Employer Branding ankommt?„Vor allem an der Motivation meiner Mitarbeiter, die alle an einem Strang ziehen. Gemeinsame Aktivitäten und die Erinnerungen daran schweißen das Team zusammen. Im Salon bekommen die Kunden diese Gruppendynamik mit, sie merken, dass unsere Mitarbeiter gut ausgebildet sind und erzählen es weiter. Die gute Nachrede hilft enorm, um sowohl neue Kunden als auch neue Mitarbeiter zu gewinnen", sagt Eigentümer Helmuth Vogl.
Maco Beschläge
BrancheIndustrie (Baubeschläge)
Konkrete Maßnahmen für Employer BrandingTrainee- und Nachwuchs-Führungsprogramme; internationale Jobrotations; Mitarbeitergespräche um zu erfahren, was am Unternehmen geschätzt wird, was verbessert und beibehalten werden soll
Woran erkennen Sie, dass Ihr Employer Branding ankommt?„Das merken wir sowohl an der Anzahl qualifizierter Bewerber für ausgeschriebene Stellen als auch an den Rückmeldungen auf Arbeitgeberbewertungsplattformen wie „Kununu“. Das sind hilfreiche Indizien dafür, ob unser Unternehmensbild und unsere Werte, die wir vermitteln wollen, auch ankommen", sagt Petra Spreitzhofer, Leiterin Human Resources and Legal.
BMW Group Steyr
BrancheIndustrie (Entwicklung und Produktion von Motoren und Motorenkomponenten)
Konkrete Maßnahmen für Employer BrandingProgramme zum Einstieg in das Unternehmen wie etwa das Global Leader Development Programm für junge Akademiker oder spezielle Nachwuchsprogramme für Studenten; verschiedene Veranstaltungsformate, um bei Kindern und Jugendlichen die Neugier auf Technik zu wecken, etwa Werkführungen für Schulklassen oder das Programm "HiTech" für Schüler, die vor der Berufswahl stehen
Woran erkennen Sie, dass Ihr Employer Branding ankommt?„Das ist an vielen Faktoren erkennbar: An dem Engagement und der Loyalität unserer Mitarbeiter und an der Begeisterung, mit der Menschen bei Messen oder in Bewerbungsgesprächen über unsere Marke sprechen. Zu den Hardfacts zählen das hohe Interesse, bei BMW zu arbeiten, das sich in der Vielzahl an Bewerbungen wiederspiegelt sowie die sehr geringe Fluktuationsrate. Wer einmal bei uns zu arbeiten begonnen hat, geht in der Regel auch bei uns in Pension", sagt Personalleiterin Judith Kaltenbrunner.
voestalpine
BrancheIndustrie (Stahl-, Technologie- und Industriegüter)
Konkrete Maßnahmen für Employer Brandingbetriebliche Gesundheitsförderung; Weiterbildungsmöglichkeiten und internationale Karriereperspektiven; voestalpine Mitarbeiterbeteiligung durch Aktienbesitz
Woran erkennen Sie, dass Ihr Employer Branding ankommt?„55.000 eingehende Bewerbungen jährlich auf unserem Online Jobportal sprechen eine klare Sprache für den Wert unserer Marke. Unsere Employer Branding Maßnahmen werden durch zahlreiche Auszeichnungen und Awards bestätigt, wie etwa durch den Gesamtsieg im Ranking der angehenden Ingenieure und Informatiker beim trendence Graduate Barometer 2016, bei dem über 7.700 österreichische Studierende zu ihren Wunscharbeitsgebern befragt wurden", sagt Max Stelzer, Leiter des Konzernpersonalmanagements.
Unit IT
BrancheInformation und Consulting
Konkrete Maßnahmen für Employer Branding"well-being at work“ in Form von Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, Einholung von Mitarbeiterfeedback, Familien- und Sportveranstaltungen
Woran erkennen Sie, dass Ihr Employer Branding ankommt?„Extern erkennen wir es dadurch, dass die Anzahl der Initiativbewerbungen enorm gestiegen ist. Die Menschen bewerben sich aus ihrer eigenen Motivation – daraus schließen wir, dass man am Markt positiv über uns spricht. Intern spüren wir das positive Feedback unserer Mitarbeiter", sagt Geschäftsführer Karl-Heinz Täubel.