Wie die Krise zum Gewinn wurde
Als Tatjana Berger 2008 das Unternehmen von ihrem Vater übernahm, kam die Wirtschaftskrise. Wie sie gemeinsam mit ihrem Ehemann das Kunststofftechnik-Unternehmen Preciplast in Wartberg an der Krems durch diese Zeit manövrierte und welche Herausforderungen sonst noch zu meistern sind, erzählt das Unternehmerehepaar am neu gebauten Produktionsstandort.
Der Ausblick von den Büros im ersten Stock ist großartig. Auf der einen Seite schaut man in das hügelige Kremstal, auf der anderen Seite dominiert der Traunstein das Bergpanorama. Von der Produktionshalle im Erdgeschoss gibt es freie Sicht in die unmittelbar angrenzenden Felder, ein Reh springt nur wenige Meter beim neuen Firmengebäude von Preciplast Kunststofftechnik in Wartberg an der Krems (Bezirk Kirchdorf/Krems) vorbei. Seit dem Frühjahr dieses Jahres laufen in der Produktionshalle Kunststoffflaschen für eine Nasendusche durch eine Maschine, welche den Nasenaufsatz aufsteckt und das fertige Produkt verpackt. Daneben packen Mitarbeiter händisch die mit Plastik verschlossenen Nasenduschen in kleine Kartonschachteln. Knapp 1,5 Millionen Stück davon produziert Preciplast jährlich. Preciplast hat sich auf die Produktion von technischen Hohlkörpern aus den unterschiedlichsten Kunststoffen spezialisiert. Die Werkzeuge für die Erzeugung der Kunststoffteile werden selbst konstruiert und hergestellt. Mit dem Anbieten von Komplettlösungen und den über 150 verschiedenen Materialien hebe Preciplast sich von den großen Firmen der Branche ab. Während große Spritzgussbetriebe drei große Materialsilos hätten, habe Preciplast etwa 50 Kilo von Spezialmaterialien lagernd. „Wir sind ein Nischenanbieter“, sagt Geschäftsführerin Tatjana Berger beim Rundgang durch den neuen, 1.600 Quadratmeter großen Produktionsstandort. Um knapp drei Millionen Euro wurden neue Büro-, Lager- und Produktionsflächen geschaffen. Der Firmensitz befindet sich knapp vier Kilometer entfernt. Dieser beheimatet auf 6.000 Quadratmetern ebenfalls Büros, Produktionsstätten und Lagerflächen und wurde seit dem Neubau im Jahr 1982 zwei Mal erweitert. „Jetzt sind wir am Ende der räumlichen Möglichkeiten angelangt“, spricht Berger über die Gründe für den neuen Standort.
„Wir sind schon seit über einem halben Jahr gemeinsam mit einer Leasingfirma auf der erfolglosen Suche nach Kunststofftechnikern.“
Tatjana BergerPreciplast
Gemeinsame Entscheidung
Der zweite Produktionsstandort soll zukünftig die gesamte Hohlkörperfertigung beheimaten. Dafür brauche man aber zwei bis drei neue Kunststofftechniker, die man bisher nicht gefunden habe. „Wir sind schon seit über einem halben Jahr gemeinsam mit einer Leasingfirma auf der Suche“, so die Geschäftsführerin über den Fachkräftemangel in der Kunststoffbranche. Preciplast bildet auch selbst junge Menschen zu Fachkräften aus. Gute Lehrlinge zu finden, sei aber „nicht ganz so einfach“. Große Firmen der Kunststoffbranche in der Umgebung hätten einen großen Bedarf und dagegen habe man als kleines Unternehmen mit knapp 40 Mitarbeitern oft das Nachsehen. Kein Nachsehen hatte das Unternehmen dagegen in der Wirtschafskrise. Und so wie diese schwierige Zeit erfolgreich gemeistert wurde, ist man auch optimistisch, noch heuer mit dem neuen Werk in Vollbetrieb gehen zu können.
„Die Wirtschaftskrise ist im Nachhinein betrachtet für uns sehr positiv gewesen.“
Harald BergerPreciplast
Schwierige Momente
Tatjana Berger übernahm 2008 und damit kurz vor Beginn der Wirtschaftskrise das Unternehmen von ihrem Vater. Schon im Jahr 2000 hatte Berger begonnen, im Betrieb mitzuarbeiten. „Ich habe alles im kaufmännischen Bereich von der Buchhaltung bis hin zum Einkauf gemacht. Eine Übernahme ist zu diesem Zeitpunkt nicht geplant gewesen und war noch kein Thema“, erklärt Berger, dass sie langsam in den Betrieb hineingewachsen ist. Die Firmenübernahme habe sich im Laufe der Jahre ergeben und sei schließlich eine gemeinsame Entscheidung mit ihrem Ehemann Harald gewesen, den sie im Unternehmen kennengelernt hatte und der bereits lange Zeit als Techniker im Unternehmen beschäftigt war. Die beiden ergänzen sich perfekt: Harald Berger ist für die technischen Angelegenheiten, Tatjana Berger für den kaufmännischen Bereich zuständig.
„Die Krisenjahre waren Lehrjahre für mich“, erinnert sich Tatjana Berger, „ich musste Sachen machen, die nicht angenehm waren.“ Am schwierigsten sei gewesen, sich von langjährigen Mitarbeitern zu trennen. Der Mitarbeiterstand musste auf unter 40 von einer vorherigen Spitze von 45 Leuten reduziert werden. „Unsere Personalkosten waren zu hoch, wir mussten uns überlegen, wie wir unser Unternehmen effizienter machen“, sagt Harald Berger über den Anstoß, in einzelnen Bereichen auf Roboter umzustellen. Die Wirtschaftskrise sei daher im Nachhinein betrachtet für das Unternehmen positiv gewesen. Harald Berger begann, sich mit alten, gebrauchten Robotern zu befassen und diese für die Bedürfnisse in der Firma umzubauen: „Ich habe mich selbst hingestellt und getüftelt.“
So habe das Paar schnell gesehen, wie man die Umsätze trotz der gleichen Mitarbeiteranzahl mit Hilfe der Automatisierung steigern könne. Preciplast konnte mit dem eigenen Know-how im Werkzeugbau punkten. Die Maschine, mit der die Nasenduschen zusammengebaut werden, wurde später ebenfalls selbst entwickelt. Durch viel persönlichen Einsatz vom Unternehmerehepaar ist auch die neue Produktionsstätte entstanden. Tatjana und Harald Berger hatten genaue Vorstellungen: „Wir wollten für unsere Kunden und Mitarbeiter die schöne Aussicht nutzen. Mit einem Bergpanorama kann man besser Geschäfte machen und unsere Mitarbeiter sollen sich bei der Arbeit wohlfühlen. In der Produktionshalle gibt es eine Klimaanlage und eine Fußbodenheizung, von jedem Büro hat man Zugang zu einem Balkon mit Panorama.“ Beim Rundgang durch das neue Gebäude sieht man, dass die Vorstellungen der beiden Unternehmer vom Architekten perfekt umgesetzt wurden._
Preciplast Kunststofftechnik
Das Unternehmen im Kremstal hat sich auf die Produktion von technischen Hohlkörpern und Spritzgusstechnik aus den unterschiedlichsten Kunststoffen spezialisiert. Die Anwendungen reichen von Rolladenkästen, Teilen für Schweißgeräte sowie die Motorenindustrie bis hin zu Gehäusesystemen und gesamten Baugruppen für die Dentalmedizin. Die Herstellung der Nasenduschen für die deutsche Marke „Emser“ macht rund ein Drittel des gesamten Geschäftsvolumens aus. Insgesamt stellt das Kunststofftechnik-Unternehmen mit dreizehn Spritzguss-Maschinen und vier Maschinen zur Erzeugung von Hohlkörpern über 600 Artikel für rund 60 verschiedene Kunden her. Es werden Kleinstserien bis hin zu etwa drei Millionen Stück produziert.
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