In zehn Jahren in die Top-Ten: Wachstumsstrategie für OÖ
Sind VW-Vorstand Hans Dieter Pötsch, voestalpine-Vorstand Wolfgang Eder, KTM-Vorstand Stefan Pierer und Landeshauptmann Josef Pühringer eigentlich einer Meinung? Was die Vorstellungen von der Zukunft des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich betrifft, durchaus.
Vergangene Aussagen hätten kontroversere Vorstellungen vermuten lassen. Doch beim Zusammentreffen der vier Persönlichkeiten werden gemeinsam Schwachstellen und Problemfelder identifiziert, aber auch Chancen und Perspektiven aufgezeigt. Über den Fahrplan, wie man innerhalb von zehn Jahren eine der Top 10-Industrieregionen Europas werden kann, herrscht weitgehend Einigkeit.
Ein Montag im März. Die OÖVP lädt in das Schlossmuseum. Der Dienstantritt von Landeshauptmann Josef Pühringer jährt sich zum zwanzigsten Mal. Zeit, zurück zu blicken, und sich anerkennend gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. Könnte man meinen. Doch es ist vielmehr Zeit, um die Top-Wirtschaftskapitäne in Linz zu versammeln und gemeinsam über die Visionen und die Zukunft Oberösterreichs zu diskutieren. „Heute ist für mich kein Tag, um Bilanz zu ziehen, sondern um nach vorne zu blicken“, stellt Landeshauptmann Pühringer klar. „Viele Herausforderungen warten auf unser Bundesland. Wir kämpfen mit voller Kraft gegen steigende Arbeitslosenzahlen und für einen erfolgreichen Wirtschaftsstandort. Nur wenn wir es schaffen, Oberösterreich für künftige Investoren und bestehende Unternehmen attraktiv zu machen, werden wir weiterhin Arbeitsplätze schaffen und
damit Wohlstand und soziale Sicherheit im Land haben. Oberösterreich soll an die Spitze der erfolgreichsten Regionen Europas. Oberösterreich soll in die Champions League.“ In der Diskussion kristallisieren sich schließlich die wichtigen Zukunftsfelder heraus.
Kontinuität & Berechenbarkeit
Die Politik sei nicht für das Wachstum verantwortlich – das müssen die Unternehmen zustande bringen. Die Politik müsse aber die Rahmenbedingungen schaffen, damit Wachstum möglich sei, sagt Hans Dieter Pötsch. Und dafür brauchen die Unternehmen vor allem Kontinuität in den politischen Entscheidungen und weitestgehend Berechenbarkeit. Politische Entscheidungen müssen rasch und klar getroffen werden, und man muss sich darauf verlassen können, dass diese Entscheidungen auch Bestand haben. Darüber sind sich Pötsch, Eder und Pierer einig. Eder präzisiert noch, dass Investitionen vom Ausmaß des Vertrauens in eine Region und deren Entscheidungsträger abhängig sind. Hier werden vor allem die Bundespolitik und Europapolitik angesprochen, die sich in diesem Bereich auch auf die Wettbewerbsfähigkeit Oberösterreichs auswirken. Pierer stellt der Landespolitik ein durchaus gutes Zeugnis aus: „Oberösterreich ist das wirtschaftliche Rückgrat der Republik …was auch an den 20 Jahren professionelle und hervorragende Führung des Landes durch Landeshauptmann Pühringer liegt.“
Bildung & Ausbildung
Ein entscheidender Standort- und Erfolgsfaktor der vergangenen Jahre sind die hervorragenden Fachkräfte, die in Oberösterreich ausgebildet wurden. Pierer sieht vor allem in der Lehrlingsausbildung und den HTLs einen ganz entscheidenden Faktor. Schwerpunktsetzungen im Bildungsbereich sind notwendig, damit künftig ausreichend Fachkräfte in Oberösterreich vorhanden sind. Eder merkt auch im Hinblick auf Forschungskooperationen an, dass es für Konzerne nicht darum geht, unbedingt in Oberösterreich oder Österreich aktiv zu sein, sondern dort, wo es die besten Leute in den jeweiligen Bereichen gibt. Es gilt, die Schwerpunkte der Hochschulen und Bildungseinrichtungen stärker auf den Kernkompetenzen der Wirtschaft und Industrie auszurichten – die Verknüpfung zwischen Bildung, Forschung und Praxis muss noch deutlich verbessert werden. Eine Interaktion zwischen Forschung und Praxis ist ein wichtiger Faktor für die Entwicklung wirtschaftlicher Kompetenzen. VW hat Erfahrung in vielen Ländern gesammelt, wo sich Universitäten Schwerpunktthemen gesetzt haben, die für den Standort relevant waren. „Oberösterreich könnte das ebenfalls nutzen: Die Kepler Universität in Linz könnte Forschungsschwerpunkte setzen, die analog zu den Betätigungsfeldern der Leitbetriebe in der Region stehen“, unterstreicht Hans Dieter Pötsch diese Forderung. Forschungs- und Bildungslandesrätin Doris Hummer bestätigt die Marschrichtung: Der Fokus wird auf die Talent- und Stärkenorientierung gelegt. Die Bereiche Technik und Naturwissenschaften, mitsamt der Lehrlingsausbildung, den HTLs und den technischen Hochschul-Fakultäten werden weiter for- ciert. Landeshauptmann Pühringer stellt klar, dass er bereits Gespräche mit dem designierten Rektor Meinhard Lukas geführt hat, und der Weg der JKU klar in Richtung Volluniversität mit Schwerpunkt auf Technik und Naturwissenschaften ge- hen wird. Daneben wird er aber auch für eine Ausbildungsverpflichtung der 15- bis 18-Jährigen eintreten. Rund zehn Prozent pro Jahrgang beenden ihren Bildungsweg nach Ende der Schulpflicht und schließen keine Berufsausbildung ab. Hier soll ange- setzt werden, damit Menschen in schwierigen Situationen geholfen wird, ihre Ausbildung abzuschließen. Dadurch soll deren Zukunft gesichert und dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden.
Infrastruktur
Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und die Schaffung von neuen wichtigen Hauptverkehrsadern sind auch in Zukunft wichtige Infrastrukturaufgaben. Damit ist es aber nicht getan – die benötigte Infrastruktur der Zukunft heißt Breitband-Internet, darüber sind sich alle Diskutanten einig. Der Breitbandausbau ist ein Kernprojekt von Landesrat Michael Strugl. Dass dafür bereits Mittel reserviert wurden und in Oberösterreich kräftig in das Glasfasernetz investiert wird, kündigte Landeshauptmann Pühringer bereits an.
Bürokratieabbau
Die Regulierungen rund um die Arbeitszeit werden von Pierer konkret genannt, wenn er von einer ständig wachsenden und überbordenden Bürokratie spricht. Im internationalen Wettbewerb schaffe Bürokratie und Überregulierung einen klaren unnötigen Nachteil. Landeshauptmann Pühringer greift das sofort auf und versichert, dass er als Verhandler in der ÖVP-Steuerreform-Gruppe bereits vorwegnehmen kann, dass der Druck auf Reformen und Apparate nun drastisch erhöht wird. Die Verwaltungsquote in Österreich liegt derzeit bei rund 2,9 Prozent, das Ziel des Finanzministers sind 1,9 Prozent. Oberösterreich liegt jetzt bereits bei unter 1,9 Prozent. Pühringer kündigt an: „Wir dürfen nicht durch überzogene Regulierung demotivieren. Weniger Statistiken, weniger Berichte, weniger Vorschriften. Das müssen wir, und das werden wir tun. Deregulieren, wo es möglich ist. Natürlich heißt das dann auch mehr Eigenverantwortung für alle.“
Industrie 4.0
„Wir haben beispielsweise die besten Werkzeugbauer der Welt. Die Herstellung von Werkzeugen wird sich aber ändern. Da brauchen diese Weltmarktführer Unterstützung, damit sie ihre Position halten können“, sagt Hans Dieter Pötsch über die Bedeutung von Industrie 4.0. Wenngleich unter dem Begriff heute „alles und nichts“ verstanden wird, wie Pierer anmerkt, sei im Kern klar, dass die Kommunikation der Maschinen in der Industrie eines Tages Standard sein wird, und Oberösterreich hier als Industrieland eine Vorreiterrolle übernehmen muss. Pläne, die im strategischen Programm OÖ 2020 bereits von Forschungslandesrätin Hummer und Wirtschaftslandesrat Strugl vorangetrieben werden.
Das Schlussresumee von Landeshauptmann Josef Pühringer: „Wenn wir weiter wachsen wollen, dürfen wir uns mit dem Ist-Stand oder damit, das Mittelmaß knapp zu übertreffen, nicht zufrieden geben. Mein Ziel für die nächste Periode: Wir müssen zu den zehn besten Regionen aufsteigen. Dieser Aufstieg wird mit Sicherheit kein Spaziergang. Aber wenn der Wettbewerb härter wird, müssen wir innovativer werden und für Wachstum sorgen. Wir brauchen Wachstum in allen Lebensbereichen: von der Wirtschaft bis zum Arbeitsmarkt, von der Bildung bis zur Kultur, vom gesellschaftlichen Zusammenhalt bis hin zum ländlichen Raum“. Deshalb habe ich mein Team beauftragt, in all diesen Bereichen eine Wachstumsstrategie zu erarbeiten.
Die Wachstumsstrategie
In seiner Rede beauftragte Landeshauptmann Pühringer sein gesamtes Team im Rahmen ihrer Verantwortungsbereiche eine Wachstumsstrategie zu erarbeiten.
Diese soll sich auf vier Kernbereiche beziehen:
01 den Wirtschaftsstandort Oberösterreich
02 den Arbeitsmarkt Oberösterreich
03 den Bildungs- und Ausbildungsstandort Oberösterreich
04 den Wissenschafts- und Forschungsstandort Oberösterreich
Dies betrifft insbesondere die Ressorts von Landesrätin Doris Hummer, in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung, und Landesrat Michael Strugl, in den Bereichen Standort und Arbeitsmarkt. Das Projekt Freiraum soll als eine Art Ideenfabrik auf die Wachstumsstrategie einwirken, weshalb auch Klubobmann Thomas Stelzer, als dessen Leiter, eng in die Erarbeitung der Wachstumsstrategie eingebunden sein wird. Erste Ergebnisse werden ab Ende April präsentiert.
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