„Den olympischen Gedanken gibt es bei mir nicht“
Hubert Wetschnig ist neuer technischer Geschäftsführer der Habau Gruppe. Niederlagen kann er weder im Beruf noch in seiner Freizeit am Tennisplatz leiden – der 54-Jährige spielt in seiner Altersklasse in der höchsten Liga Wiens. Falls er Zeit hat. Denn den Begriff „Work-Life-Balance“ hat er aus seinem Wortschatz gestrichen. Schon seit seiner Zeit als junger Bauleiter.
Mit seinem heutigen Arbeitgeber hat Hubert Wetschnig schon bei seiner ersten Baustelle zu tun. Als gerade einmal 25-jähriger Bauleiter ist er für ein Distributionszentrum verantwortlich, das für das Wiener Autohaus Opel & Beyschlag von seinem damaligen Arbeitgeber, der heute nicht mehr existierenden Stuag AG, gebaut wird. „Die Fertigteile für den Industriebau lieferte Habau“, sagt Wetschnig. Bis heute erinnert er sich an jedes Detail „seiner“ ersten Baustelle, die für ihn eine der größten Herausforderungen seiner Karriere war. „Denn die Firmenleitung war sich nicht ganz sicher, ob sie mir so ein großes Projekt überhaupt zutrauen kann“, sagt er, „ich hatte damals ja noch keine Erfahrungen“. Weil das Autohaus das neue Zentrum möglichst schnell in Betrieb nehmen will, ist die größte Herausforderung vor allem die sehr knappe Bauzeit. Wetschnig: „Wir hatten einen enormen Zeitdruck.“ Doch der junge Bauleiter und seine damals 70 Mitarbeiter werden rechtzeitig fertig, das Projekt ein finanzieller Erfolg. Es ist gleichzeitig der Startschuss für eine steile Karriere: Nach der Stuag wird Wetschnig Prokurist bei Strabag, dann Geschäftsleiter für den Osten bei Porr, später Vorstandsmitglied und CEO. Heute ist der gebürtige Grazer bei Habau Chef von mehr als 4.000 Mitarbeitern.
Bis 22 Uhr auf der Baustelle
Für diese Karriere hat der Geschäftsführer den Begriff „Work-Life-Balance“, wie er selbst sagt, aus seinem Wortschatz gestrichen. Schon als junger Bauleiter ist er um sechs Uhr morgens auf der Baustelle und geht erst um 22 Uhr wieder. Nicht fünf, sondern sieben Tage die Woche. „Das Arbeitspensum hat sich nicht wirklich verändert“, sagt Wetschnig, „jetzt bin ich statt auf Baustellen eher auf Veranstaltungen und Meetings.“ Die Bereitschaft, so viel Zeit zu investieren, sieht er als Notwendigkeit. „Alles wird immer schneller, wir leben in einer dynamischen Zeit, in der Projekte immer schneller umgesetzt werden müssen.“
Seine spärliche Freizeit verbringt Wetschnig am liebsten mit seiner Familie oder beim Sport. Für den CTP Pötzleinsdorf spielt er Tennis. „Ich habe erst mit 23 Jahren mit dem Tennissport angefangen, nur wenn man schon seit dem Kindesalter spielt, erreicht man wirklich ein Top-Niveau“, sagt er, und es klingt wie eine Entschuldigung. Für die oberste Wiener Liga in seiner Altersklasse hat es trotzdem gereicht. Halbe Sachen interessieren ihn wenig. „Es geht mir ums Gewinnen, den olympischen Gedanken gibt es – wie auch im Beruf – bei mir nicht“, sagt er und lacht. Sich selbst beschreibt Wetschnig beim Tennis und beruflich als „zielorientiert, willensstark und ausdauernd“. „Ich bin grundsätzlich niemand, der leicht nervös zu machen ist und gehe immer strukturiert nach Prioritäten vor“, erzählt er.
Betrunkene Fußballfans, tödliche Schlangenbisse
Nicht leicht nervös zu machen: Diese Eigenschaft dürfte ihm vor allem bei den unzähligen Projekten geholfen haben, die er in den vergangenen Jahren im Ausland umsetzte. Wetschnigs erstes Projekt außerhalb Österreichs führte ihn 1998 nach Dublin, wo er für den Bau einer Brücke verantwortlich war. „Damals war gerade die Fußball-Weltmeisterschaft, bei der auch Irland mitspielte“, erinnert sich Wetschnig. Am Spieltag verschwanden plötzliche alle irischen Mitarbeiter – um vierzehn Uhr. „Wir haben gehofft, dass sie nach dem Spiel wiederkommen, aber weit gefehlt“, erzählt er. Denn die fußballverrückten Iren feierten ihren Sieg lieber im Pub. Wetschnig: „Das war eines der großen Aha-Erlebnisse für mich – man muss sich bei solchen Projekten auf die großen kulturellen Unterschiede einstellen.“ Es sollte nicht das einzige bleiben. Als er für Porr in Doha eine U-Bahn baut und sich mit den wichtigsten Managern trifft, kommt der saudi-arabische Partner, ein Scheich, gleich eine Stunde zu spät, alle anderen Geschäftsführer warten und warten. „Hierzulande wäre das völlig undenkbar“, sagt Wetschnig. Als der Scheich schließlich doch kommt, gibt es keine Entschuldigung. Stattdessen verschwindet dieser für weitere zwanzig Minuten in einem Raum, um das längst überfällige Gebet nachzuholen. „Damit muss man umgehen können – für andere Kulturen sind wir ja genauso seltsam“, sagt der Manager. Es gelte, so gut wie eben möglich, aufeinander zuzugehen. Aus Sicht eines Projektleiters habe der Standort Österreich jedenfalls schon seine Vorteile: Hohe Fachkompetenz und eine größere Rechtssicherheit. „Hier werden Verträge eingehalten, in anderen Ländern ist das nicht immer so“, sagt der CEO. Auch lebensnotwendiges Gegengift braucht man hierzulande nicht. Das lag auf einer Baustelle, die Wetschnig in Bulgarien besuchte, immer griffbereit in den Baucontainern. „Dort gab es Schlangen, deren Biss ohne das Serum innerhalb von 30 Minuten tödlich gewesen wäre.“ Auch nicht zu unterschätzen: Die Klimasituation. „In Doha hatte es teilweise 54 Grad auf der Baustelle, da sind unsere 33 Grad im Sommer noch harmlos.“
Auto statt Flugzeug
Früher war Wetschnig zwei bis drei Tage die Woche in unterschiedlichen Ländern unterwegs, in seiner jetzigen Position wird er vorwiegend in Österreich beschäftigt sein. Reisen muss er deswegen nicht weniger. „Jetzt sitze ich statt im Flugzeug im Auto und bin eher auf Baustellen in Linz, Wien oder München anzutreffen.“ Der Geschäftsführer hält wenig davon, vom Schreibtisch aus zu dirigieren, lieber besucht er die Projektleiter vor Ort. „Erstens kann man so Probleme besser erkennen, zweitens ist ein Lob bei direktem Kontakt eine ganz andere Wertschätzung“, sagt er. Denn Besuche von ganz oben gibt es nicht nur, wenn etwas nicht rund läuft, sondern auch, wenn alles nach Plan funktioniert. „Obwohl die Digitalisierung vorangetrieben wird, ist gleichzeitig die Sozialkompetenz wichtiger denn je“, sagt Wetschnig. Seine Sozialkompetenz sieht er auch als Schlüssel für seinen beruflichen Erfolg. Wichtig sei ein Gespür und Wertschätzung für unterschiedlichste Charaktere in den unterschiedlichsten Situationen. „Fachliche Kompetenz ist ohnehin selbstverständlich, auf diese zwischenmenschlichen Dinge kommt es an“, erzählt Wetschnig, „ich will, dass Mitarbeiter wissen, dass sie auch zu mir kommen können, wenn es mal schwieriger ist.“ Das betreffe alle Mitarbeiter, denn vom Hilfsarbeiter bis zum kaufmännischen Leiter trage jeder seinen Teil zum Unternehmenserfolg bei. „Jeder Mensch zählt, die Menschen sollen sich wohlfühlen und begeistert sein können.“
Woraus sich seine eigene Euphorie für die Branche entwickelt hat, ist sich Wetschnig nicht ganz sicher. „Vielleicht kommt das von meiner Begeisterung für Technik“, sagt er. Schon als Schüler fällt ihm Mathematik leicht. „Deswegen habe ich mich auch für die Technische Universität und gegen Rechtswissenschaften oder Medizin entschieden“, verrät er. Am Bauen fasziniert ihn, dass Produkte geschaffen werden, die Bestand haben, die man auch Jahre später noch ansehen und herzeigen kann. „Wenn ich ein Objekt sehe, das ich gebaut habe, ist das ein tolles Gefühl.“ In seiner neuen Position bei Habau wird Wetschnig dieses Gefühl wohl noch öfters haben. Oberstes Ziel ist es, trotz des starken Wettbewerbs das Ergebnis weiter zu steigern. Dafür will der Geschäftsführer das Unternehmen noch effizienter machen. Wetschnig: „Dieser Herausforderung kann man alles andere unterordnen.“ Gut möglich, dass der CTP Pötzleinsdorf bei so manchem Duell auf dem Tennisplatz auf einen wertvollen Spieler verzichten wird müssen.
„Sozialkompetenz und das Gespür für Menschen sind im Geschäftsleben wichtiger denn je.“
Hubert WetschnigGeschäftsführer, Habau
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