„Nachhaltigkeit ist das drängendste Thema unserer Zeit“
Das Gründerservice der WKOÖ bietet Gründer:innen professionelle Hilfe vom Start weg – besonderes Augenmerk legt man derzeit auf Nachhaltigkeit. In Beratungsgesprächen zeigt sich: Immer mehr Menschen wünschen sich einen positiven gesellschaftlichen Einfluss als Kernziel ihrer Gründung. Durch neue Rahmenbedingungen wie das neue Lieferkettengesetz wird Nachhaltigkeit an niemandem vorbeigehen.
Die Büros des Gründerservice im ersten Stock der Wirtschaftskammer Oberösterreich in Linz haben sich im Gegensatz zum restlichen Gebäude nicht verändert. Im Erdgeschoss wird hingegen gerade entkernt, nach mehr als 70 Jahren ist erstmals ein großflächiger Um- und Ausbau im Gange. „Das Haus wird wieder auf den Stand der Technik gebracht, dabei legen wir auch auf den Einsatz nachhaltiger Materialien und auf energieeffiziente Gestaltung großen Wert“, sagt Klaus Madlmair, Leiter des Gründerservice. Man habe schließlich eine gewisse Vorbildfunktion.
„Leben ist zu kurz, um Fehler selbst zu machen“
Denn Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Schwerpunkt des Umbaus, sondern derzeit auch des Gründerservice, das zukünftigen Unternehmer:innen vom Start weg professionelle Hilfe bietet. „Wir richten den Scheinwerfer verstärkt auf dieses Thema“, erklärt Madlmair. Für Jungunternehmer:innen werden Webinare und andere Veranstaltungsreihen organisiert, man informiert über Details zu Fördermöglichkeiten wie etwa den Nachhaltigkeitsbonus, der vom Land Oberösterreich eingeführt wurde.
Nachhaltigkeitsthemen als Gründer:in links liegen zu lassen, werde in Zukunft nicht mehr möglich sein. Durch das Lieferkettengesetz und die neue Taxonomieverordnung der EU sei es wichtig, von Anfang an Kennzahlen bei der Hand zu haben. „Das wird sicher eine Herausforderung für Jungunternehmer:innen.“ Beim Gründerservice will man die Hürden erleichtern. Madlmair: „Das Leben ist zu kurz, um jeden Fehler selbst zu machen. Das ist als Serviceeinrichtung unser Selbstverständnis, wir schauen uns an, welche Stolpersteine immer wieder zum Verhängnis werden.“ In den zahlreichen Beratungsgesprächen mit Unternehmer:innen zeige sich ein deutlich höheres Interesse für nachhaltige Themen als noch vor einigen Jahren. „Neben der Wirtschaftlichkeit geht es immer mehr darum, wie man einen positiven Beitrag leisten und die Welt bis zu einem gewissen Grad verbessern kann“, sagt Madlmair. Je jünger die Akteur:innen, desto stärker sei diese Priorität ausgeprägt. Freilich wirke das Interesse an Nachhaltigkeit bei einigen Startups auch etwas aufgesetzt und nicht rein intrinsisch motiviert. „Aber lieber mit dem Thema beschäftigen als es komplett ignorieren.“
Nachhaltiges Recycling
Aufgesetztes Interesse: Auf das Scharnsteiner Startup Seccon trifft das sicher nicht zu. „Wir nutzen die Abwärme von Industrieanlagen, um mithilfe von Verbrennung wertvolle Rohstoffe aus den weltweit immer größer werdenden Müllbergen zurückzugewinnen“, sagt Gründer Jürgen Secklehner, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Vater leitet. Secklehner: „Die WKOÖ war gerade in der Anfangsphase für zahlreiche Detailfragen eine sehr wichtige Stütze.“ Das aktuelle Produkt von Seccon ist ein kleines Drehrohr, das mit Solarstrom beheizt wird. „Man kann unterschiedliche Materialien wie etwa Aluminiumdosen hineingeben, die aufbereitet und sortenrein wieder herauskommen“, erklärt der Gründer. Das Patent wurde bereits erteilt, im nächsten Schritt soll ein Technikum eröffnet werden, um weitere Praxiserfahrung zu sammeln. Basierend auf den neuen Erkenntnissen soll dann der „große Bruder“ des aktuellen Modells realisiert werden, der 30.000 bis 40.000 Tonnen Material pro Jahr bewältigen kann. Für das Konzept wurde Seccon 2023 mit dem Goldenen Edison in der Kategorie Innovation sowie mit dem Sonderpreis für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Kreisläufe nachhaltig zu schließen sei nur entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich, dabei sei man auf gute Partner angewiesen. Secklehner: „Nachhaltigkeit ist das drängendste Thema unserer Zeit, dementsprechend sollte für alle klar sein, dass wir uns gemeinsam engagieren müssen.“
Patentierte Windturbinen für Seilbahnen
Auch Ibrahim Sagerer-Foric will mit seinem Start-up Bergwind einen positiven Beitrag leisten. „Ich verbringe viel Zeit in den Bergen und finde es wichtig für Österreich, diese Gebiete an den Klimawandel anzupassen“, sagt er. Bergwind will neue Räume für erneuerbare Energie finden. Das funktioniert mit patentierten Windturbinen, die an Seilbahnen und Skilifte gehängt werden können. Sagerer-Foric: „Wir verwenden bereits bestehende Infrastruktur und versiegeln keine Flächen.“ Während es etwa in Salzburg jahrelang dauert, Genehmigungsverfahren für Windräder zu bekommen, ist das Angebot von Bergwind schnell umsetzbar. Die Schlepplift-Variante erzeugt bis zu drei kWh Strom am Tag, bei den Sesselliften sind es fünf kWh.
Die aktuelle Entwicklung kommt Sagerer-Foric zugute. „In den vergangenen zehn Jahren ist richtig viel Geld in die Hand genommen worden, um Schneekanoneninfrastruktur zu installieren, die auch wir mitnutzen können. Das spielt uns in die Karten“, erklärt der Gründer, der derzeit mit der Businessplanerstellung und Unternehmensgründung beschäftigt ist. 2023 bekam Bergwind den Silbernen Edison, für Sagerer-Foric ist das Umfeld für Unternehmensgründungen in Österreich sehr gut. „Speziell die Zusammenarbeit mit Business Upper Austria und tech2b war hilfreich, beim Gründer-Infotag des Gründerservice gab es interessante Inputs und spannende Gespräche“, sagt er._
Wir richten den Scheinwerfer verstärkt auf das Thema Nachhaltigkeit.
Klaus Madlmair
Leiter, Gründerservice
Beim Gründer-Infotag des Gründerservice gab es interessante Inputs und spannende Gespräche.
Ibrahim Sagerer-Foric
Gründer, Bergwind
Allen sollte klar sein, dass wir uns gemeinsam engagieren müssen.
Jürgen Secklehner
Gründer, Seccon
#Weitere Artikel
Was kann uns noch retten?
Der CO2-Ausstoß und die Umweltbelastung stagnieren global auf viel zu hohem Niveau, die gesetzten Klimaziele werden konstant verfehlt. Können wir die schlimmsten Folgen des bevorstehenden Klimawandels noch abwenden; ist die Umwelt, wie wir sie kennen, noch zu retten? Darüber gibt es unterschiedlichste Meinungen bei Expert:innen. Eines haben Pessimist:innen und Optimist:innen in Forschung und Wirtschaft aber gemeinsam: Sie suchen unermüdlich nach Lösungen und Strategien, um klimaverträglicher
agieren zu können.
Wasser ist zum Waschen (nicht?!) da
Am Morgen kurz unter die Dusche hüpfen, schnell eine Maschine Wäsche anstellen und am besten noch darauf achten, dass man die täglich empfohlene Menge von drei Litern Wasser trinkt. Der Umgang mit dem so kostbaren Rohstoff ist nicht überall auf dieser Welt selbstverständlich.
Bitte wenden!
Der Großteil der Wissenschaft ist sich einig: Wenn wir jetzt nicht alles daran setzen, die Klimaziele zu erreichen, kommt es zu einem heftigen Aufprall – den wir, aber vor allem unsere Nachfahren schon bald massiv zu spüren bekommen werden. Höchste Zeit also, um zu wenden. Aber wie? Und wie kann ein Industrieland wie Österreich gleichzeitig konkurrenzfähig produzieren und wesentlich zum Klimaschutz beitragen? Antworten darauf suchen wir in Haag in Niederösterreich. Dort führt Karl Ochsner in fünfter Generation das Unternehmen Ochsner Wärmepumpen.
Und möchte alle dazu motivieren, ihren Beitrag zu leisten.
Die IT-Sicherheitslage in Österreich
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Cyberangriffe in Österreich laut einer Studie von KPMG und KSÖ um mehr als 200 Prozent gestiegen. Warum steigt diese Zahl an, wer sind die Opfer, wer die Täter:innen? Eine Analyse.
Was wir einen Politiker immer schon mal fragen wollten
Eine „Liebeserklärung an die Welt“ nennt Klimaschutz-Landesrat Stefan Kaineder seine grüne Politik. Wie häufig er dadurch Morddrohungen erhält? Ob ihn das entmutigt und wie er selbst privat auf mehr Nachhaltigkeit achtet? Er verrät es uns. Ein Politiker, zehn Fragen.
ESGeht?!
„Environment, Social, Governance“ – fest steht: Die ESG-Kriterien beschreiben drei nachhaltigkeitsbezogene Verantwortungsbereiche in Unternehmen. So weit, so gut. Aber was bedeuten die Ziele, Richtlinien und Standards wirklich für die Unternehmen des Landes und vor allem für den Industriestandort Oberösterreich? Darüber tauschten sich zentrale Entscheidungsträger:innen aus ganz Österreich beim diesjährigen „Advicum x MACHER Business Lunch“ aus. Robert Ottel, CFO der voestalpine, leitete mit seinem Input die Gespräche ein. Und spricht im Interview über Verantwortung und nachhaltige Veränderungen.
Nachhaltige Mode als Employer Branding
Die individuell gestaltete Bekleidung von „Das Merch.“ soll Gemeinschaftsgefühl und Sichtbarkeit für Unternehmen und ihre Marken erzeugen, Gründer Klaus Buchroithner sieht das Textilienlabel auch als Employer-Branding-Tool. 95 Prozent der Artikel werden innerhalb der EU produziert, man setzt auf Nachhaltigkeit – in Zukunft soll das noch radikaler passieren.
Reduktion aufs Maximum
Wenn die kreativen Köpfe zweier Unternehmen an einem gemeinsamen Projekt tüfteln, entsteht nicht selten Großes. Bei Salzer Formtech und GMS Gourmet war das Ergebnis der Zusammenarbeit eine nachhaltige und recyclebare Transportbox für „Essen auf Rädern“ aus expandiertem Polypropylen, die das Warmhalten des Essens garantiert, einfach zu reinigen und wiederverwendbar ist. Uwe Karner, Geschäftsführer von Salzer Formtech, berichtet über das gemeinsame Projekt und darüber, warum Kunststoff auch zur Nachhaltigkeit beitragen kann.
(Nicht) auf dem Holzweg
Bauen, und zwar nachhaltig, ressourcenschonend und für Generationen – ein Widerspruch? Für Helmut Möseneder, Geschäftsführer von Genböck Haus, keinesfalls. Er verrät uns im Gespräch, warum Holz schon immer der beste Baustoff für ihn war, auf welche Innovationen sein Unternehmen setzt und wie die kommenden Generationen den Fortbestand des Familienunternehmens sichern.
Auf kleinem Fuß
Wie von Elefanten im Schnee. So fühlen sich die Fußstapfen, die wir mit großem CO2-Footprint nachkommenden Generationen hinterlassen, manchmal an. Die Technologien rund um grünen Wasserstoff und E-Mobilität versprechen, unsere „Schuhgröße“ zu verkleinern. Drei Vorreiter, die auf diesen Gebieten mit gutem Beispiel vorangehen.
Was treibt Spitzenregionen an?
Was Oberösterreich für Österreich ist, das ist Katalonien für Spanien: DER Wirtschaftsmotor. Und da sind wir auch schon beim Thema: Wie läuft eben dieser Motor in Zukunft? Mit welchem Antrieb? Ja, das ist doppeldeutig gemeint. Also mit welchem technologischen Antrieb (und woher kommt die Energie dafür?). Aber auch mit welchen politischen und gesellschaftlichen Antrieben. Denn beide Regionen stehen vor der großen Herausforderung: Wie gelingt die Transformation? Und wie bleibt man dabei wettbewerbsfähig?
Wie ein Industrieland H2-fit wird
Damit befassen sich Wirtschafts- und Forschungs-Landesrat Markus Achleitner sowie Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Oberösterreich seit geraumer Zeit. Mit der OÖ. Wasserstoff-Offensive 2030 will das Industriebundesland Nummer eins nun wasserstoffreicher werden, um den Standort noch zukunftsfitter auszurichten.
GREENdustrie, aber wie?
Der „Green Deal“ ist zu abstrakt? Vielleicht sind der „Green Steel“ und seine Vorteile für den Klimaschutz ja etwas greifbarer. Oder lieber doch CO2-Einsparungen dank Leichtbau und die Hebelwirkung von Künstlicher Intelligenz? Wir holen drei Innovationstreiber aus Österreich vor den Vorhang.
Dem Klima etwas zurückgeben …
… und Verantwortung übernehmen. Dazu wollen die Familienunternehmen SPL TELE Group und electrify gemeinsam mit der Invest AG als ihrem strategischen Partner einen Beitrag leisten. Nicht nur für ihr eigenes nachhaltiges Wachstum, sondern auch, um anderen Unternehmen den Umstieg zu ermöglichen.
Wenn das Blau über das Grün hinausgeht
Schließen sich Ökonomie und Ökologie gegenseitig aus? Keineswegs! Denn laut MSCI World Index haben börsennotierte Unternehmen, die einen Fokus auf Nachhaltigkeit setzen, in den letzten fünfzehn Jahren um 50 Prozent höhere Ergebnisse erwirtschaftet als der Rest. Auch bei der HYPO Oberösterreich ist Nachhaltigkeit keine leere Worthülse, sondern ein Bekenntnis zu sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung.
Nachhaltiges Glas für eine grüne Zukunft
Recycling, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Mit dem Fokus auf diese drei nachhaltigen Grundpfeiler gestaltet die Stoelzle Glasgruppe ihren Weg zur Klimaneutralität. Das Familienunternehmen mit Tradition setzt auf klar formulierte Ziele und konkrete Maßnahmen, damit die Halbierung der CO2-Emissionen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050 gelingen.
Was der Donnergott mit Flächenversiegelung zu tun hat
Das Carport THOR von Electrify vereint E-Tankstelle, Photovoltaik und Carport unter einem Dach – und versiegelt dabei keine weiteren Flächen. Wie das funktioniert? Fragen wir am besten beim Produkt selbst nach.
C4-Sprengstoff, Dekarbonisierung und Batman
Gandhi, John F. Kennedy und andere inspirierende Persönlichkeiten schmücken mit ihren Zitaten so manchen Lebenslauf. „Ich habe einfach mal etwas anderes gesucht und es trifft auch den Kern dessen, was mir wichtig ist.“ Siemens-Digital-Industries-Leiter Michael Freyny verrät die Bedeutung seines Lieblingszitats aus „Batman Begins“ und spricht über die Herausforderungen der Industrie – dafür treffen wir uns nicht in Gotham City, sondern in der Siemens City in Wien.