Das kleine 1 x 1 für zukunftsfitte Unternehmen
Energiekrise, Arbeitskräftemangel und eine neue EU-weite Compliance-Richtlinie – die Unternehmer:innen des Landes sind zuletzt stark gefordert. Worauf es jetzt vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ankommt, welche Unterstützung die Politik dabei leistet und wie die Industrie und ein traditioneller Familienbetrieb mit den Herausforderungen umgehen? Ein Überblick.
Compliance-Angelegenheiten sind ein notwendiges Übel. Sie sind mit großem Aufwand verbunden und stiften nur bedingt echten Mehrwert. So zumindest die Vorurteile. „Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die meisten Menschen damit aufwendige Apparate und Bestrafung verbinden“, erklärt Martin Reichetseder diese Fehleinschätzungen. Der Mitgründer und CEO von .Loupe hat deshalb gemeinsam mit seinem Team betriebliches Compliance Management vereinfacht und digitalisiert. Seine langjährige Erfahrung als Jurist und zertifizierter Compliance Officer zeigt ihm: Compliance ist eine Frage der Kommunikation und bietet für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen eine Riesenchance.
Compliance wird zur Riesenchance für Unternehmen.
Martin Reichetseder
CEO, .Loupe
Dennoch sei das Thema in Österreich noch nicht ausreichend angekommen, so der Experte. „Es gibt in Sachen Compliance, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen, bisher kaum gesetzliche Auflagen, sofern diese nicht in der Finanzbranche tätig sind. Die Einführung des sogenannten HinweisgeberInnenschutzgesetzes ändert das künftig.“ Umgangssprachlich auch als „Whistleblowing-Richtlinie“ bekannt, handelt es sich dabei um die Umsetzung einer EU-weiten Direktive. Das Gesetz untersagt zum einen die zivil-, straf- oder verwaltungsrechtliche Haftung von geschützten Hinweisgeber:innen und verbietet arbeitsrechtliche Folgen wie Diskriminierung, Mobbing, Suspendierung, Versagung einer Beförderung oder Kündigung. Zum anderen verpflichtet es zur Einrichtung von Whistleblower-Kanälen und entsprechenden Folgeprozessen.
Zwischen Chancen und Herausforderungen
Insbesondere auf die KMU des Landes kommt damit eine neue Herausforderung zu, da diese die Richtlinie bereits ab 50 Arbeitnehmer:innen betrifft und sie das Ergreifen erforderlicher Folgemaßnahmen gewährleisten müssen. „Aus diesem Grund sind die internen Meldekanäle von einer verantwortlichen Person oder Abteilung zu betreiben“, so Reichetseder. Dies sei aber kein Grund zur Beunruhigung. Im Gegenteil. Compliance könne schließlich jede:r, so seine feste Überzeugung, und von den Grundfunktionen, die sie mit sich bringt, profitieren alle Unternehmen. „80 Prozent der Zeit geht es darum, auf Risiken hinzuweisen und über wertekonformes Verhalten aufzuklären. Erst in weiterer Folge muss dann auf eventuelles Fehlverhalten reagiert werden, wovor sich viele Betriebe fürchten“, so Reichetseder. Eine Angst, die man den Unternehmen nehmen müsse. „Diese in Teilen neu zu schaffenden Strukturen erleichtern es, Risiken zu erkennen und gegen sie vorzugehen. Zeitgleich sind Mitarbeitende durch die neuen Kanäle automatisch in den Prozess miteingebunden und vor Konsequenzen rechtlich geschützt.“
„Erfolgreiche Unternehmen wollen ihre Risiken im Blick haben …
… und ihre Mitarbeitenden einladen, sie dabei zu unterstützen. Für alle anderen birgt der Umbruch die Chance, die eigene Feedbackkultur in dieser Hinsicht zu stärken oder gar neu zu definieren“, so Reichetseder. Davon, „nur“ die Auflagen zu erfüllen, rät er daher ab. „Langfristig schützt man sich vor Skandalen und rechtlichen Folgen, weshalb vor allem die Führungsebene Interesse an gelungener Compliance hegen sollte.“ Mit kostenintensiven Rechtsabteilungen gehe die neue Struktur nicht einher. „Compliance Officer sind nicht zwangsläufig Jurist:innen, sondern im Regelfall gute Kommunikator:innen, die das Bindeglied zwischen den Mitarbeitenden und der Geschäftsführung bilden und auf beiden Seiten großes Vertrauen genießen. Zudem handelt es sich dabei häufig um zusätzliche Rollen statt um Fulltime-Jobs“, erklärt Reichetseder.
Der Experte rät daher, sich früh in den eigenen Reihen umzusehen, notfalls externe Expertise hinzuzuziehen und entsprechend zu handeln. „Spätestens mit den anstehenden Lieferkettengesetzen werden Beschwerdemöglichkeiten ohnehin zum elementaren Bestandteil der Sorgfaltspflicht“, so Reichetseder. „Und wer schon heute an morgen denkt, wird gewiss fit für die Zukunft sein.“
Krisenmanagement: Was unternimmt die Politik?
3 Fragen an …
… Thomas Stelzer, Landeshauptmann Oberösterreich
Kleine und mittlere Unternehmen gelten als Rückgrat der Wirtschaft, jedoch fällt der Kostendruck durch die steigenden Preise bei vielen von ihnen besonders hoch aus. Gibt es für sie einen Königsweg aus der Energiekrise?
Thomas StelzerIn Oberösterreich treiben wir den Ausbau erneuerbarer Energien mit großem Tempo voran, um so rasch wie möglich unabhängig zu werden. Man muss aber so ehrlich sein, dass es noch Jahre dauern wird, bis die energietechnische Umstellung in Österreich vollzogen ist. Ab kommendem Jahr stellen wir dafür erstmals mit einem eigenen OÖ Zukunftsfonds 200 Millionen Euro zur Verfügung, um die Umstellung zu beschleunigen. Und klar ist auch, dass wir weiter dort helfen werden, wo Hilfe benötigt wird.
Klar ist, dass wir weiter dort helfen werden, wo Hilfe benötigt wird.
Thomas Stelzer
Landeshauptmann Oberösterreich
Auch aufgrund von Inflation, Fachkräftemangel und strengeren Compliance-Vorgaben kämpfen die heimischen Betriebe aktuell an vielen Fronten. Wie machen Sie den Unternehmer:innen des Landes in diesen Zeiten Mut?
Thomas StelzerHinter uns liegen zweieinhalb Krisenjahre, die für die Menschen und die Betriebe sehr beschwerlich gewesen sind. Dennoch ist es durch den großen Einsatz der Oberösterreicher:innen gelungen, bisher gut durch die Krisen zu kommen. Wir haben die mit 3,5 Prozent niedrigste Arbeitslosenquote aller Bundesländer, mehr Menschen in Beschäftigung als jemals zuvor und laufend das höchste Wirtschaftswachstum Österreichs. Das zeigt, dass sich Oberösterreichs Betriebe nicht unterkriegen lassen, und macht Mut für das, was kommt.
Mit welchen konkreten Maßnahmen dürfen die betroffenen Unternehmen in Zukunft noch rechnen?
Thomas StelzerDie Bundesregierung hat in den letzten Monaten bereits eine Vielzahl an wirksamen Hilfen beschlossen. Für Betriebe zuletzt etwa den Energiekostenzuschuss, welcher besonders energieintensive Unternehmen entlasten soll. Für mich ist jedoch klar, dass es zusätzlich auch eine Unterstützung für die hohen Gaspreise geben muss, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Wenn sich die EU auf kein Modell einigen kann, muss es in Österreich eine eigene Unterstützung, ähnlich wie in Deutschland, geben.
Das Erfolgskonzept eines Familienunternehmens
3 Fragen an …
… Thomas Stadler, Geschäftsführer, Wolf Systembau
Seit der Gründung am elterlichen Bauernhof Dickermanngut in Scharnstein 1966 hat sich vieles getan. Was hat sich in den vergangenen 56 Jahren verändert und was ist ganz bewusst gleich geblieben?
Thomas StadlerNatürlich ist das Unternehmen in den letzten beinah sechs Jahrzehnten ständig gewachsen, die Internationalisierung wurde vorangetrieben, wir beschäftigen heute ca. 3.500 Mitarbeiter:innen in 20 verschiedenen Ländern. Und doch sind die familiären Werte erhalten geblieben, man kennt sich, man ist per Du und die Hierarchien sind denkbar flach.
Wie meistern Sie die aktuellen Herausforderungen?
Thomas StadlerSo wie immer in der Vergangenheit: „Alle gemeinsam“ lautet die Zauberformel. Dem Fachkräftemangel antworten wir mit starken Bemühungen, Personal selbst auszubilden, um dem Lehrberuf eben die Wertigkeit zu geben, die er verdient. Der Energiekrise trotzen wir mit einem hohen Anteil nachhaltiger Eigenproduktion. Mit unserer Diversifizierung hinsichtlich Regionalität, Produktbereiche und Kundengruppen haben wir zudem gute Voraussetzungen in herausfordernden Zeiten.
„Alle gemeinsam“ lautet die Zauberformel.
Thomas Stadler
Geschäftsführer, Wolf Systembau
Wann nehmen Sie Ihre familiengeführte Struktur als echten Vorteil wahr?
Thomas StadlerZeiten wie diese erfordern Wachsamkeit und rasches Handeln, um auf schnell ändernde Märkte kurzfristig reagieren zu können. Hier sind eben diese flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswege ein echter Vorteil gegenüber manch starren Firmenstrukturen.
Stark betroffen: die Industriebetriebe des Landes
3 Fragen an …
… Valborg Burgholzer-Kaiser, Obmann-Stellvertreterin, WKOÖ Sparte Industrie
Industriebetriebe zählen zu den energieintensivsten Unternehmen des Landes. Welchen Sorgen begegnen Sie im Austausch mit den Unternehmer:innen?
Valborg Burgholzer-KaiserDie Situation vieler Industriebetriebe in Oberösterreich ist alarmierend. Große Teile der oberösterreichischen Industrie sind energie- und rohstoffintensiv – und beide Produktionsfaktoren haben sich im letzten Jahr massiv verteuert. Eine Umfrage hat ergeben, dass sich bei 63 Prozent der oberösterreichischen Industriebetriebe die Energiekosten schon jetzt mindestens verdoppelt haben, bei 43 Prozent sogar mindestens verdreifacht. Die angekündigten Pakete der Bundesregierung sind hier ein wichtiger, erster Schritt. Anstelle von Umverteilungen muss aber endlich das Problem an der Wurzel gepackt werden und die Strompreisbildung reformiert werden. Der Zeitrahmen, den sich die EU für dieses Vorhaben vorgenommen hat, ist mit einem halben Jahr viel zu weit gefasst.
Die Situation vieler Industriebetriebe ist alarmierend.
Valborg Burgholzer-Kaiser
Obmann-Stellvertreterin, WKOÖ Sparte Industrie
Mit 1. Oktober wurde heuer die nationale CO2-Bepreisung eingeführt. Welche Auswirkungen hat diese auf Ihre Branche?
Valborg Burgholzer-KaiserDie hohen Energiekosten sind für alle Unternehmen belastend – und die Situation verschärft sich durch die CO2-Bepreisung natürlich weiter. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass Österreich schon jetzt im internationalen Vergleich sehr hohe Umweltsteuern einhebt – und auch die Abgaben für Unternehmen auf Energie hierzulande deutlich über dem EU-Schnitt liegen. Es ist daher wichtig, dass Härtefälle abgepuffert werden und es bei Anlagen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen, zu keiner Doppelbelastung der CO2-Emissionen kommt.
Die angestrebte Klimaneutralität gilt als Herkulesaufgabe für die Industrie. Auf welche drei Dinge kommt es an, damit den Unternehmen die Transformation gelingt?
Valborg Burgholzer-KaiserDie oberösterreichische Industrie bekennt sich – trotz aller Krisen – weiterhin zum globalen Kampf gegen den Klimawandel. Die Industrie ist ein zentraler Teil der Lösung bei der Transformation: Wir stemmen einen Großteil der Investitionen, leisten bereits heute wertvolle Beiträge zu Energiewende und Klimaschutz und arbeiten laufend an neuen klimaschonenden Technologien. Dafür müssen aber drei Voraussetzungen erfüllt sein: eine leistbare und verlässliche Energieversorgung, eine zielgerichtete Unterstützung bei den notwendigen Investitionen und ein Wettbewerb der Technologien, ohne ideologisch motivierte Verbote._
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