Im Angesicht des digitalen Zwillings
Die digitale Transformation wurde in der oberösterreichischen Wirtschafts- und Forschungsstrategie als zentrales Handlungsfeld verankert, um die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts langfristig zu sichern. Die Erwartungen an die Forschung könnten dabei kaum größer sein: In der Rolle des Innovationsmotors soll sie sich wiederfinden. Wilfried Enzenhofer, Geschäftsführer der Upper Austrian Research, spricht im Interview darüber, wie die Leitgesellschaft für Forschung des Landes Oberösterreich dieser Herausforderung begegnet.
Woran forschen die 17 Forschungszentren im UAR Innovation Network derzeit im Bereich der digitalen Transformation?
ENZENHOFERDie strategische Ausrichtung des UAR Innovation Network lässt sich in drei Kernkompetenzen zusammenfassen: smarte Systeme, digitale Technologien und nachhaltige Materialien. In all diesen Bereichen wird vorwiegend an Technologien für eine effizientere Produktion geforscht. Konkret handelt es sich dabei unter anderem um Lösungsansätze zur Optimierung von Produktentwicklungen und Fertigungsprozessen oder in der Qualitätssicherung – die digitale Transformation spielt in allen unseren Kompetenzfeldern eine wesentliche und zentrale Rolle!
Was verstehen Sie unter einer „effizienteren Produktion“?
ENZENHOFERDer Zeitgeist fordert immer mehr Individualität und verlangt der industriellen Produktion höchste Flexibilität ab – Stichwort „Losgröße 1“. Produkte werden nach individuellen Anforderungen konfiguriert. Smarte Systeme ermöglichen es unter anderem, einen gesamten Montageprozess virtuell zu planen, sodass alle Arbeitsstationen gleichmäßig ausgelastet sind und so effizient produziert werden kann. Digitale Zwillinge sorgen unter anderem dafür, dass bei der Materialverarbeitung die gewünschte Profilform immer exakt erreicht wird – auch bei Abweichungen der Beschaffenheit des Ausgangsmaterials. Im Prozess werden die Materialparameter automatisch gemessen und die Einstellungen der Maschinen angepasst. Hochentwickelte Simulationswerkzeuge ermöglichen wesentlich kürzere Entwicklungszeiten, reduzieren Fehlerquellen sowie Kosten und vermitteln ein besseres Verständnis von ganzen Maschinenparks, um Fertigungsprozesse umfassend zu optimieren. Neue Fertigungstechnologien wie 4D-Druck revolutionieren die Produktion.
Die industrielle Produktion ist ein wichtiger Pfeiler der europäischen Wirtschaft. Wie stark ist die internationale Zusammenarbeit in der Forschung?
ENZENHOFERDas UAR Innovation Network ist sehr gut vernetzt – bei rund einem Viertel der jährlich 1.500 Forschungsprojekte sind internationale Partner mit an Bord. Im Hinblick auf Künstliche Intelligenz sieht die EU die Chance, sich verstärkt als Zentrum für sichere und vertrauenswürdige Systeme zu etablieren. „Made in Europe“ soll sozusagen als Gütesiegel für den hohen Qualitäts- und Vertrauensgrundsatz der EU gesehen werden. Als weitere Evolutionsstufe der Künstlichen Intelligenz wird die technologische Symbiose mit dem Internet of Things (IoT) gesehen. Die beiden Technologien gehören gewissermaßen wie Henne und Ei zusammen: Künstliche Intelligenz wandelt die IoT-Daten durch maschinelles Lernen in wertvolle Informationen um, während IoT den Wert der KI durch die Vernetzung und den Datenaustausch erhöht. Um die Basis für vertrauenswürdige KI-basierte Lösungen zu stärken – der Mensch steht immer noch im Mittelpunkt – hat sich ein international hochkarätig besetztes Konsortium aus insgesamt zwölf Ländern in einem eigenen EU-Projekt zusammengeschlossen. Solche Systeme sollen nicht als „Black Box“ dastehen, ihre Handlungen müssen vertrauenswürdig und erklärbar sein – die oberösterreichische Forschungslandschaft spielt dabei eine zentrale Rolle.
Künstliche Intelligenz hinterlässt oft den Anschein als Thema der Großkonzerne. Wie unterstützt die Forschung dabei, den Zugang für kleinere und mittlere Produktionsbetriebe zu erleichtern?
ENZENHOFERKMU können sich oftmals aufgrund der Komplexität dieses Themas nicht damit auseinander setzen – nicht nur in Oberösterreich. Unter oberösterreichischer Leitung wird ein Konsortium aus Österreich und Bayern diesen Betrieben den Einsatz von KI erleichtern. Im Zuge eines aktuellen Forschungsprojekts entsteht ein Kompetenznetzwerk, um Unternehmen umfassendes KI-Praxiswissen für die Produktion zur Verfügung zu stellen. Es soll Orientierung verschaffen, in welchen Bereichen KI nutzbringend eingesetzt werden kann, wie KI-basierte Fertigungssysteme aufgebaut werden können und welche Technologien, Methoden und Verfahren dazu erforderlich sind.
Was darf in naher Zukunft von der Forschung erwartet werden? Wohin geht die Reise der Industrie 4.0?
ENZENHOFERDie Forschungszentren im UAR Innovation Network erweitern laufend ihre Kompetenzen und arbeiten mit rund 850 Unternehmenspartnern und etwa 450 wissenschaftlichen Partnern im Schulterschluss zusammen. Im Rahmen eines weiteren internationalen Projektes wird derzeit mit europäischen Partnern an einer „Zero-Defects-Manufacturing-Platform“ – einer Art App-Store mit Anwendungen für eine fehlerfreie Produktion – gearbeitet. Industriebetriebe und Unternehmen sollen sich hier das Handwerkszeug für fehlerfreie Prozesse und hochqualitative Produkte holen können. Abseits dieses Projekts wird einiges in puncto Visualisierung kommen. Qualitätsmanager bewegen sich mit einer Datenbrille virtuell in das Innere von hochkomplexen Bauteilen vor, um diese genauestens zu inspizieren. Möglich macht das zum Beispiel eine Kombination aus hochsensibler Laser-Ultraschallprüfung und Augmented Reality. Diese Methode eignet sich besonders gut für die Prüfung von Komponenten aus Metall oder Verbundwerkstoffen und wird daher unter anderem in der Flugzeug- und Automobilindustrie eingesetzt._
Der Zeitgeist fordert immer mehr Individualität und verlangt der industriellen Produktion höchste Flexibilität ab.
Wilfried Enzenhofer
Geschäftsführer, Upper Austrian Research
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