Mehr als fünf Jahre ist es her, seit wir uns das erste Mal mit Gschwandtner trafen, damals zu einem Interview während einer Joggingrunde – prompt hängte er uns beinahe ab. Heute würde es sicher nicht anders aussehen, ansonsten hat sich seitdem aber einiges verändert: Die Mitarbeiterzahl des Unternehmens erhöhte sich von etwa 50 auf mehr als 240, die Anzahl der Downloads stieg von fünfzehn auf mehr als 260 Millionen. Und Gschwandtner selbst? Hat seit der Übernahme durch Adidas einige Millionen am Konto. Diesmal soll unser Interview nicht so anstrengend sein – wir sitzen in einem Lokal in der Linzer Innenstadt, Gschwandtner bestellt eine Tasse Tee. Früher halfen ihm zuckerfreie Energydrinks durch die langen Nächte – heute trinkt er maximal eine Dose pro Tag.
Du möchtest dich bis Ende des Jahres von Runtastic zurückziehen. Was war der Grund für diese Entscheidung?
Gschwandtner_In den vergangenen Jahren hat es in meinem Leben nur Runtastic gegeben, weil das Projekt so erfolgreich war und so viel Spaß gemacht hat. Ich habe vor fast zehn Jahren gesagt, dass ich Unternehmer werden will, um erfolgreich zu sein. Erfolg bedeutet für mich Geld verdienen, das ist gelungen. Ich möchte jetzt auch andere Aspekte vom Leben haben – mehr Freizeit, Reisen, neue Hobbys.
Welche Pläne gibt es für die Zeit nach Runtastic?
Gschwandtner_Es gibt keinen Plan. Außer, dass ich mindestens drei bis sechs Monate beruflich gar nichts machen werde. Vor diesem Nichts-Tun habe ich großen Respekt – weil ich es nicht kenne. Was ich sonst vorhabe? Vielleicht wird es eine Backpack-Tour durch Südamerika, vielleicht Yoga auf Hawaii, vielleicht Kite-Surfen. Meinen Freunden habe ich gesagt, sie sollen mir bitte eine Bucket-List mit spannenden Dingen schicken. Gerne auch die Leser an bucketlist@florian.do.Insgesamt will ich viele neue Erfahrungen machen. Natürlich habe ich auch Zweifel. Ich wünsche mir, dass ich in drei, sechs oder zwölf Monaten sage, dass dieser Weg die richtige Entscheidung war.
Du hast vor kurzem dein Buch „So läuft Start-up“ veröffentlicht, in dem du über die Stationen deines Unternehmerdaseins schreibst. Was willst du damit bewirken?
Gschwandtner_Auf der einen Seite wollte ich immer ein Buch herausgebracht haben, wenn ich 35 bin. Ich dachte lange, dass sich das nicht ausgehen wird, aber gemeinsam mit einem Ghostwriter hat es schließlich geklappt. Auf der anderen Seite will ich mit dem Buch als Multiplikator noch mehr Menschen motivieren – viele sind in den vergangenen Jahren auf mich zugekommen und haben mir erzählt, dass sie sich durch unsere Erfolgsgeschichte getraut haben, zu gründen. Es wäre für den Standort gut, wenn es noch viele andere Runtastics geben würde, und ich will ja auch meine Gedanken und Erfahrungen zum Unternehmertum weitergeben.
Welche Erfahrungen sind dabei besonders wichtig?
Gschwandtner_Das Buch erzählt auch die Story, dass unser Erfolg alles andere als selbstverständlich war. Recht viel mehr „Neins“ als wir in der Anfangsphase gehört haben, gehen schon fast nicht mehr, von Investoren bis hin zu früheren Chefs. Jedes „Nein“ war aber eine große Motivation, weiterzumachen. Ich glaube, das sind die wichtigsten Schlüsselelemente, die wir Menschen mit einer Idee vermitteln müssen: Die Idee macht fünf Prozent aus, die Umsetzung den Rest. Glück ist natürlich auch ein Faktor, aber ein bisschen kann man das auch erzwingen.
Trotz allen „Neins“ hast du nur ein einziges Mal am Erfolg von Runtastic gezweifelt – diesen Moment beschreibst du im Buch.
Gschwandtner_Das war kurz nach der Gründung im Winter, mein altes Auto hatte einen Motorschaden. Ich bin bei hohem Schnee mit meinem alten Mountainbike ins Büro gefahren, unter einer Brücke in einer Kurve hat es mich total aufgelegt, ich bin auf meinen linken Ellenbogen gefallen. Es ist halb sechs morgens, saukalt, du liegst mit Schmerzen im Matsch, die Leute, die vorbeifahren, sehen dich mitleidig an. Da dachte ich mir: Warum tust du dir das an? Du hast zwei Masterstudien, bist kein Volltrottel, ist das wirklich richtig, was du hier tust? Nach fünf bis zehn Minuten war der Moment aber wieder vorbei und es wurde wieder gehackelt.
Generell beschreibst du die Anfänge von Runtastic als sehr entbehrungsreich – besonders finanziell.
Gschwandtner_Weil uns alle Investoren abgesagt haben, mussten wir selbst Geld verdienen, um das Unternehmen zu finanzieren – wir haben alles was ging in Runtastic gesteckt. Das durchschnittliche Mittagessen durfte 2,90 Euro kosten – ein Käse-Schinken-Weckerl aus dem Supermarkt. Wenn man aber nach Optionen sucht, findet man Lösungen. Natürlich kann man auch sagen, my life sucks, aber das hilft nicht. Wie viele E-Mails wir geschrieben haben, wie viele Veranstaltungen wir besucht haben – wir haben kontinuierlich mehr gemacht als die meisten anderen. Das macht sich bezahlt. Nicht zwei Wochen später, aber Jahre später dann. Diese Zeit musst du durchhalten, die meisten geben auf, die meisten suchen sich Ausreden, warum sie arm sind.
Waren sich in dieser Zeit immer alle vier Gründer einig, das ganze Geld in das Unternehmen zu stecken?
Gschwandtner_2010 haben wir den Preis für die beste App des Landes gewonnen. Von den 50.000 Euro haben wir uns 1.000 ausgezahlt, die restlichen 49.000 in die Firma gesteckt. Wir waren uns eigentlich immer in allen Belangen einig, auch wenn uns prophezeit wurde, dass wir uns sicher zerstreiten werden. Alles wurde immer fair aufgeteilt, ich zum Beispiel war teilweise sehr viel unterwegs, was anstrengend war, dafür durfte ich aber auch mehr Leute kennen lernen. Selbst nach mehr als neun Jahren sind wir immer noch super gute Freunde, wir haben zwei gemeinsame Wohnungen, in Kitzbühel und auf Mallorca.
Apropos viel unterwegs: Du hast in den vergangenen Jahren unzählige Dienstreisen unternommen – besonders in die USA. Runtastic hat sich aber immer zum Standort in Pasching bekannt. Wie nimmst du Österreich als Gründer-Standort wahr?
Gschwandtner_Umso mehr ich reise, umso mehr schätze ich das Land. Vor kurzem habe ich wieder unseren Standort in San Francisco besucht. Eine wunderschöne Stadt, gleichzeitig aber auch sehr dreckig und mit einem enorm hohen Anteil an Obdachlosen. Dieses Bild wiederholt sich: Der neue Facebook-Campus in Kalifornien ist extrem cool, der Kreisverkehr davor ist mit Müll übersät. Auch im Silicon Valley gibt es viele Schattenseiten. In Österreich haben wir eine gute Kombination aus Stadt und Land, gerade im Sommer geht einem da wenig ab. Das Land, die Menschen und das Bildungssystem geben viel her. Viele intelligente Menschen leben hier, wir stehen der restlichen Welt um nichts nach. Auch die Stimmung in der Szene ist gut – es gibt keinen Grund, wegzugehen. Einziger Punkt: Mehr Selbstvertrauen und größer denken – da müssen wir noch aufholen.
Dieses mangelnde Selbstvertrauen verhindert oft den Weg in die Selbstständigkeit. Was kannst du all jenen empfehlen, die überlegen, ob sie gründen sollen?
Gschwandtner_Grundsätzlich ist jetzt eine gute Zeit zum Gründen. Der Wirtschaft geht es gut, es gibt Geld, mehr Leute als vor einigen Jahren sind sich bewusst, dass man auch in Start-ups und junge Menschen investieren kann. Die meisten haben auch nicht viel zu verlieren, ich selbst hatte damals außer meiner Studentenwohnung und dem alten Auto nicht viel, darum auch niedrige Fixkosten. Es kann außerdem ratsam sein, nicht mit zu vielen Leuten über das Vorhaben zu reden. Wenn du 25 Stimmen hast, ist das nicht immer sinnvoll und kann auch abschrecken. Man sollte sich auch nicht davon abhalten lassen, wenn es manche Dinge schon gibt. Man kann auch etwas Bestehendes verbessern und damit Erfolg haben. Es muss nicht immer alles neu erfunden werden. Natürlich sind gerade bei Start-ups die Chancen auf einen Erfolg eher klein als groß. Die Lernphase ist dafür unglaublich spannend – man nimmt enorm viel Know-how mit._