„Was die Justiz betrifft, ist Österreich digital führend“
Seit vergangenem Jahr können in Österreich Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) auch digital gegründet werden. Roland Gintenreiter war mit seiner Kanzlei unter den Vorreitern dabei, heutzutage sind die Onlinegründungen Selbstverständlichkeit geworden. Der Notar erzählt, welche Unternehmer besonders von digitalen Gründungen profitieren –
und warum Österreichs Justiz bei der Digitalisierung weltweit führend ist.
Nach altem Recht mussten für eine GmbH-Gründung in Österreich alle Parteien gemeinsam an einem Tisch sitzen oder zumindest eine beglaubigte Vollmacht organisieren – ein relativ mühsamer Vorgang. „Mittlerweile reicht eine Einladung zur Videokonferenz und eine Handysignatur, das ist extrem unkompliziert“, erklärt Notar Roland Gintenreiter.
Seine Kanzlei war eine der ersten in Österreich, in der das neue Elektronische Notariatsform-Grundgesetz umgesetzt wurde, das digitale Gründungen erleichtert. Für Gintenreiter ein besonderer Moment: „Ich habe mich so gefühlt, als ob ich gerade quasi Rechtsgeschichte schreibe, wir haben nächtelang an der technischen Umsetzung getüftelt.“ Der erste Notariatsakt war eine Gründung aus Los Angeles, der Klient konnte aufgrund der Coronabestimmungen nicht zur Botschaft gehen, um sich dort eine Vollmacht ausstellen zu lassen. Gintenreiter: „Als wir ihm erklärt haben, dass wir stattdessen unkompliziert digital gründen können, war er sehr glücklich.“ Die Vorteile für Unternehmer liegen auf der Hand: Sie müssen sich nicht gemeinsam mit den Notaren an einen Tisch setzen und sparen so Anreisewege – besonders praktisch für Gründer, die über den Globus verteilt leben. „Bei der Gründung eines medizintechnischen Startups waren die Standorte der Gründer auf Marokko, Los Angeles und die Schweiz verteilt“, erzählt Gintenreiter.
Digitale Gründung immer noch die Ausnahme
In Relation zu den „normalen“ Gründungen mit physischer Anwesenheit machen digitale Gründungen immer noch einen sehr kleinen Anteil aus. „Wer zum ersten Mal eine GmbH gründet, will seinen gebundenen Gesellschaftsvertrag, den er sich vielleicht zuhause aufhängt“, weiß Gintenreiter. Dasselbe gilt auch für andere juristische Vorgänge, die mittlerweile digital möglich sind. Gintenreiter: „Ein junges Paar, das sich zum ersten Mal im Leben eine Wohnung kauft, will vor Ort unterschreiben und ein schriftliches Dokument.“ Je mehr die Vorgänge zur Routine geworden sind, desto beliebter ist die digitale Gründung. „Ein paar Klienten von mir sind Informatiker und arbeiten am JKU-Gelände, die wollen für eine Gründung nicht einmal mehr in die Innenstadt hereinfahren“, sagt Gintenreiter.
Vorreiter Österreich?
In den meisten Bereichen ist Österreich, was die Digitalisierung betrifft, nicht vorne dabei oder sogar Nachzügler. „Wenn man sich die Justiz ansieht, sind wir im internationalen Vergleich allerdings absolut führend“, sagt Gintenreiter, der weltweit Vorträge über die digitalisierte Justiz des Landes hält. „Ich habe in New York gearbeitet; man würde meinen, die USA seien in allen Bereichen himmelweit vor uns. Tatsächlich befindet sich deren Justiz – in Bezug auf den Digitalisierungsgrad – im Vergleich zu Österreich noch in der Steinzeit“, so der Notar. Hierzulande ist es seit 20 Jahren selbstverständlich, Kaufverträge oder Gründungen nicht mehr in Papierform dem Gericht zu überliefern, sondern digital – in anderen Ländern ist das bis heute noch nicht umgesetzt.
Auch digitale Grundbuchabfragen sind in Österreich seit Jahren eine Selbstverständlichkeit – in anderen Ländern gibt es diese Möglichkeit nur selten. Deutschland liegt, was die Justiz betrifft, in Bezug auf die Digitalisierung weit hinter Österreich. Gintenreiter führt das auf die Zuständigkeiten zurück. Während in Österreich die Justiz Bundesangelegenheit ist, sind in Deutschland die Länder zuständig, dadurch ist die Umsetzung von neuen Vorschriften und Normen verkompliziert.
Europaweit ist Österreich das einzige Land, das digitale Signaturen bei Videokonferenzen anbietet – bis Sommer 2021 fordert die EU-Kommission ein Umsetzen dieses Konzepts in allen Mitgliedsstaaten. Gintenreiter: „Wir haben diesen Schritt bereits vorweggenommen.“_
Klienten von mir sind Informatiker an der JKU, die wollen für eine GmbH-Gründung nicht einmal mehr extra in die Linzer Innenstadt fahren.
Roland Gintenreiter
Notar
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