Von Zahnseide bis Snowboards
Oberösterreich ist eine der Top-Regionen Europas für die Kunststoffindustrie: 220 Unternehmen mit über 37.000 Beschäftigten erwirtschaften die Hälfte des österreichweiten Umsatzes der Kunststoffbranche. Kaum irgendwo auf der Welt sind alle Segmente der Kunststoffbranche auf engstem Raum so geballt zu finden wie in Oberösterreich. Ein kleiner Einblick.
Heute in der Früh schon zur Zahnseide gegriffen? Dann kann es leicht sein, dass Sie dabei ein Produkt von einem heimischen Leitbetrieb, der am Weltmarkt erfolgreich ist, in der Hand hatten – von Lenzing Plastics. Deren Kernkompetenz liegt im monoaxialen Verstrecken von Polymeren, einer Technologie, die es ermöglicht, Folien, Bändchen und Garne mit sehr hohen Festigkeiten herzustellen. Diese werden in der Baubranche in Form von Dämm- und Isolationslösungen bis hin zum Hygiene- und Medizinbereich, etwa als Implantate oder Zahnseide, eingesetzt. Für die Medizin sind auch der Kunststoff- und Silikon-Experte Rico mit Sitz in Thalheim bei Wels (Firmenporträt auf Seite 74) und Preciplast in Wartberg an der Krems tätig (Firmenporträt auf Seite 78). Beim Öffnen eines Medikaments hatten Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits einen Verschluss vom Kunststoffwerk Kremsmünster (KWK) in der Hand. KWK wurde 1950 gegründet und produziert Kunststoffverpackungen für Arzneimittel und Konsumgüter. Noch nicht so lange am Markt, aber nicht weniger erfolgreich, ist das Schörflinger Start-up Evotech, das sich auf 3D-Druck spezialisiert und ein neues Verfahren entwickelt hat, mit dem Metall-3D-Druck auf einfachen Geräten möglich sein soll.
Produkte für eine halbe Million Einfamilienhäuser
In der Küche hatten Sie beim Essen Ihres Joghurts vielleicht Kontakt mit einem Weltmarktführer aus der Kunststoffbranche aus Kremsmünster: der Greiner Gruppe mit weltweit fast 10.000 Mitarbeitern. Die Spartengesellschaft „Greiner Packaging International“ stellt vor allem Verpackungen für die Lebensmittelindustrie her (mehr zum Familienunternehmen ab Seite 120). Im Keller könnten Sie indirekt Kontakt mit dem Werkzeugbauer Haidlmair gehabt haben. Weltweit sind Getränkekisten, gefertigt aus Haidlmair-Werkzeugen, zu finden. Die Unternehmensgruppe mit Sitz in Nußbach stellt Spritzgießwerkzeuge für alle Arten von Packaging-Lösungen, Wertstoffbehältern und Werkzeuge für Paletten und Palettenboxen sowie technische und automotive Teile her. Außerdem gibt es in vielen Häusern in ganz Europa Kunststoffprodukte aus der Mühlviertler Marktgemeinde Sarleinsbach. Das Trauner Familienunternehmen Internorm produziert dort seit 1977 Kunststofffenster und hat damit mittlerweile mehr als eine halbe Million Einfamilienhäuser europaweit ausgestattet. Nirgendwo in Europa werden so viele Fenster hergestellt wie im Werk in Sarleinsbach.
Am Beginn der Wertschöpfungskette der Kunststoffbranche steht etwa die Firma Hexcel mit ihrem Produktionswerk in Neumarkt im Bezirk Grieskirchen. Die Tochter des US-Konzerns beschäftigt in Österreich über 240 Mitarbeiter und ist einer der Weltmarktführer im Bereich Verbundwerkstoffe. Zwei Drittel der insgesamt rund elf Millionen Quadratmeter – so viele Materialien werden jedes Jahr gefertigt – werden in die Industrie für die Fertigung von Rotorblättern von großen Windkraftanlagen geliefert, ein Drittel geht in die Automobil- und Sportartikelbranche. Es werden davon überwiegend Ski und Snowboards, aber auch alle möglichen Spezialanwendungen produziert. Wenn Sie bereits einmal auf zwei Brettern von einem der gängigen österreichischen Skiproduzenten gestanden sind, sind Sie auch bereits mit der Firma Hexcel in Berührung gekommen. „Ski und Snowboards werden typischerweise aus verschiedenen Materialien hergestellt und können zu einem hohen Anteil aus unseren Materialien bestehen“, sagt Werksleiter Paul Leitner. In der Automobilindustrie werden die Materialien von Hexcel immer mehr in der Massenproduktion verwendet, da man den Energieverbrauch weiter verringern möchte und dafür das Gewicht reduziert und mehr in den Kunststoffbereich geht: „Da sehen wir großes Wachstumspotential.“_
Wolfgang Bohmayr, Cluster-Manager vom Kunststoff-Cluster der OÖ Wirtschaftsagentur Business Upper Austria über die Themen, mit denen sich die Firmen in der Kunststoffbranche aktuell beschäftigen und vor welchen Herausforderungen sie stehen.
Was sind aktuelle Themen in der Kunststoffbranche?
Bohmayr_Wie in allen Branchen beschäftigt die Unternehmen die Digitalisierung. Abhängig von der Größe befassen sich die Firmen dabei mit unterschiedlichen Themen, die großen sehr stark damit, wie sie Bauteile mit Intelligenz ausstatten können, also in Richtung funktionelle Integration. Weiters wird auch der Trend Leichtbau immer mehr in allen Bereichen sichtbar, speziell die Automobil- und Flugzeugindustrie sowie die Baubranche widmen sich dem Trend. Firmen treiben das Thema Recycling und Generative Fertigung (Verfahren zur schnellen und kostengünstigen Fertigung von Teilen – etwa mittels 3D-Druck) voran. Die Zusammenarbeit von mehreren Firmen wird aufgrund der aufwändigeren Innovationen – auch branchenübergreifend – immer wichtiger und da ist unsere Aufgabe als Cluster, Netzwerke zu bilden.
Welchen Herausforderungen müssen sich die Firmen derzeit stellen?
Bohmayr_Eine enorme Herausforderung ist derzeit operativ für die Unternehmen das Rittern um Fachkräfte. Lieferengpässe aufgrund fehlender Fachkräfte sind bereits regional akut. Wir arbeiten hier auch eng mit der Forschungs –und Ausbildungslandschaft zusammen, um neue modulare Angebote zur Zusatzqualifizierung zu initiieren und zu schaffen. Positiv sehen wir aber auch, dass aktuell viele Firmen in den Produktionsstandort investieren.
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