Über Emotionen zum Erfolg
Nähe bis hin zu Wechselbarrieren, die eine Neuorientierung teuer machen sollen. Besonders das digitale Zeitalter hat die Kundenbindung verändert. Klassische Modelle bleiben darüber hinaus trotzdem erfolgreich bestehen.
Wer schon einmal Las Vegas besucht hat, wird sich neben den blinkenden Automaten und den Showeinlagen auch an die unterschiedlichen, intensiven Gerüche in den unzähligen Casinos der Stadt erinnern. Mit speziellen Düften wollen Marketingstrategen längst potentielle Kunden anlocken und binden – auch Hotels oder große Ketten wie Starbucks greifen mittlerweile auf dieses Konzept zurück. Kundenbindung gibt es, seit es Unternehmen gibt, mittlerweile haben Strategen aber unzählige Konzepte entwickelt, um ihre Kunden zu binden. „Es war schon immer eine Frage der Motive, warum sich Individuen für oder gegen eine Marke entscheiden“, sagt Dieter Scharitzer, Präsident der Österreichischen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft, „wir unterscheiden vertraglichen Nutzen, Zusatznutzen, emotionalen Nutzen und Kosten-Nutzen“. Wichtiges Motiv war seit jeher die emotionale Bindung zu einer Marke oder einem Unternehmen. „Etwa, wenn ich gerne zu dem Lokal in der Nähe essen gehe, oder immer den Friseur im Bezirk besuche“, erklärt Scharitzer. Durch die Digitalisierung würde diese emotionale Bindung durch örtliche Nähe aber langsam aufgelöst. „Gewisse Barrieren lösen sich, wenn meine Anfrage schnell beantwortet wird und am nächsten Tag die Bestellung da ist.“ Im digitalen Bereich könne man seinen Kunden nahe sein, ohne sich tatsächlich, örtlich gesehen, in ihrer Nähe zu befinden.
Unterschiedlichste Regelungen von Unternehmen
Veränderungen am Markt beobachtet man auch bei Invent. Seit 20 Jahren ist das Unternehmen Anbieter für Kurzurlaube und Erlebnisse in Europa. Man bezeichnet sich selbst als Spezialist für die „emotionale Aktivierung und Motivation“ von Kunden und Geschäftspartnern. „Als wir in den 90er Jahren begonnen haben, waren fast 100 Prozent des Marktvolumens durch reine Incentivierung abgedeckt“, sagt Geschäftsführer Christian Klar. Unternehmen verwendeten Gutscheine als Belohnung für besonders treue Kunden. „Anfang der 2000er-Jahre wurde das Thema im B2B-Bereich durch Skandale im Versicherungsbereich mit dem Thema Korruption in Verbindung gebracht. Zahlreiche Unternehmen führten strenge Regeln für Belohnungsprodukte und Geschenke ein. Plötzlich war der Ausdruck Compliance, den vorher keiner kannte, ein Riesenthema“, erklärt er. Gleichzeitig drängen zahlreiche internationale Mitbewerber auf den Incentive-Markt. „Wir mussten uns umorientieren und haben neue Produktvarianten speziell für den B2C Markt entwickelt“, erinnert sich Klar. Heute bietet Invent individualisierte und speziell für Kunden im B2B-Bereich gebrandete Incentive-Produkte in Form von Hotelschecks mit exklusiven Verpackungen an. Bei den Unternehmen sind sie beliebt, seit zwei Jahren wächst der Markt wieder. „Mit diesem Kundenbindungs-Instrument kann man vom Lehrling bis zum angehenden Pensionisten alle Zielgruppen ansprechen, es gibt niemanden, der sich nicht über einen schönen Kurzurlaub freut“, sagt Geschäftsführer Dirk Handel. Mit etwa 1000 verschiedenen Hotels kooperiert Invent, um je nach Ausgangslage die richtige Location zu bieten. „Unsere Geschäftspartner erreichen durch die Angebote ihre Kunden auf einer emotionalen Ebene, ein schöner Urlaub ist unvergesslich“, sagt Handel. Eingesetzt werden die Gutscheine zu verschiedensten Anlässen – etwa zur Stornovermeidung oder um einen Produktwechsel zum eigenen Unternehmen schmackhafter zu machen. Rechtliche Grenzen für Kundengeschenke gibt es grundsätzlich keine, die Richtlinien werden intern von Juristen festgelegt. „Jedes Unternehmen hat seine eigenen Regelungen, manche sehr streng, andere hingegen haben eher weichere Richtlinien.“ sagt Klar.
Weniger Loyalität?
Generell seien Bindungen aber nicht mehr so in Mode wie früher. Zeigen würde das etwa die österreichische Parteienlandschaft. „Dort ist das Stammwähler-Potential deutlich geringer als früher, die Loyalität zur „eigenen“ Partei sinkt“, sagt Scharitzer. Was bedeutet das für die Unternehmen? Welche Strategie grundsätzlich am effektivsten sei, um Kunden zu binden, lasse sich nicht verallgemeinern, sagt Scharitzer. Das hänge einerseits von der Branche, andererseits von den Kunden selbst ab. „Manche Konsumenten lassen sich nicht gerne binden, für die gibt es nichts Schlimmeres, als beispielsweise zwei Mal in dasselbe Restaurant zu gehen oder in dasselbe Hotel auf Urlaub zu fahren, andere sind nicht so risikofreudig und nehmen immer wieder Angebote wahr, mit denen sie keine schlechten Erfahrungen gemacht haben“, erklärt Scharitzer._
„Durch die Digitalisierung können Unternehmen Nähe vermitteln, ohne tatsächlich nahe zu sein.“
Dieter ScharitzerPräsident der Österreichischen Werbewirtschaftlichen Gesellschaft
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