Nicht in die Irre führen (lassen)! Aber wie?
Autoritär, kooperativ oder doch lieber laissez-faire? Während die Liste der verschiedenen Führungsstile seit jeher lang ist, befinden sich die Anforderungen an moderne Führungskräfte im Wandel. Und wenn der Fisch sprichwörtlich nicht „vom Kopf stinken“ soll,
ist es besser, mit der Zeit zu gehen.
„Führung wäre so einfach, wenn es die Menschen nicht gäbe.“ Eine Aussage, an die sich Markus Merlin nur zu gut erinnern kann. Getroffen hat sie ein Teilnehmer einer seiner Coaching-Workshops, der damit zufällig eine der zentralen Herausforderungen von Leadership auf den Punkt bringt: den individuellen Bedürfnissen der zu führenden Personen gerecht zu werden. Als Coach und Visionär begleitet Merlin Führungskräfte auf ihrer persönlichen Reise zum Gestalten – dabei, die eigene Identität und Rolle zu definieren, zu entwickeln und zu verstehen. Seine Überzeugung: „Führung ist Arbeit am Mitarbeitenden.“ Viele würden ihre Aufmerksamkeit auf Sachfragen, Methoden oder Instrumente lenken. „Doch wer nicht gelassen sein kann, sieht den Menschen nicht. Wer sich hingegen einlassen kann, kann Potentialentfaltung gar nicht verhindern.“
Einen universellen Erfolgsplan gibt es nicht
So wünschen sich etwa junge Menschen weniger Distanz zu ihren Vorgesetzten und lassen sich lieber coachen statt hierarchisch führen. Hier gilt: Die richtige Kommunikation will gelernt sein. Schließlich ist sie maßgeblich für einen angemessenen Umgang miteinander, ja sogar dafür, einen persönlichen Zugang zu den Menschen zu finden. Kaum verwunderlich also, dass Merlin im Austausch mit Führungskräften, die sich weiterentwickeln wollen, in erster Linie mit Fragen zum menschlichen Miteinander konfrontiert wird. Und wie lassen sich diese am besten gestalten? Eine schwierige Frage. „Es fehlt oftmals an Kompetenzen für Beziehungsgestaltung“, dessen müsse man sich bewusst sein: „Beziehungen sind wie Flussbette – sind sie gut ausgeräumt, nimmt die Fließgeschwindigkeit zu.“ Führung als Zuständigkeit statt als reine Funktion zu verstehen, daran führe kein Weg vorbei. „Die Fachkompetenz der Führung ist die Arbeit am Menschen: Mitarbeitende so zu begleiten, dass sie sich ihrer selbst bewusst werden und in sich Stellhebel finden, die eigene Wirkung zu entfalten. Das funktioniert nicht mit Technik, sondern das ist eine Frage der inneren Haltung.“
Autorität und autoritär sind zwei Paar Schuhe
„Einer Autorität wird von den Mitarbeitenden zugestanden, ihre Führungskraft zu sein. Jeder, der Führung aufgrund seiner Stelle versteht, bekam sie verliehen. Schwache Persönlichkeiten setzen sich durch und bedienen sich der Macht, indem sie vermitteln: Im Zweifel sticht der Ober den Unter.“ Und starke Persönlichkeiten? „Diese suchen wiederum die Auseinandersetzung und bleiben auf Augenhöhe.“ Strenggenommen brauche es Hierarchie lediglich, um Zuständigkeiten zu organisieren, und nicht für eine Top-down-Denkweise – eine der zentralen Erkenntnisse, die wirkungsvolle Führungskräfte gemeinsam haben. „Am Ende des Tages sind Menschenführer Macher:innen, ohne sich ihrer Macht zu bedienen.“_
Die Fachkompetenz der Führung ist die Arbeit am Menschen.
Markus Merlin
Coach und Visionär
Erfolgsrezept des Experten
3 Zutaten für erfolgreiche Führungskräfte
#1 Abstimmakrobatik
Die meisten können sich die Haltung von Pippi Langstrumpf „Ich mach‘ mir die Welt, wie sie mir gefällt!“ nicht zu eigen machen, weil unser Tun und Handeln stets im Horizont unterschiedlicher Anliegen stehen. Die Kunst liegt darin, Lösungen zu finden, die das unternehmerische Anliegen und das individuelle Anliegen der Mitarbeitenden so integrieren, dass man dabei als Führungskraft nicht draufzahlt.
#2 Ambidextrie, die Kunst der beidseitigen Rechtshändigkeit
Effiziente Führung braucht Methoden, Instrumente, Regelwerke und Struktur. Das Mensch-Sein lässt sich allerdings auf keine Methode reduzieren, sonst landen wir in der Durchschnittsfalle und es gäbe schon längst einen Lehrstuhl für „Wie werde ich Everybody’s Darling?“. Menschen suchen Erfüllung – moderne Führung erfordert, beides unter einen Hut zu bringen: Effizienz und Erfüllung.
#3 Offenheit
Leider tappen wir oft in die Falle und interpretieren. Beim Wahrnehmen geben wir unser Eigenes dazu und machen daraus etwas Neues, was nicht mehr der Realität entspricht. Wenn wir an dieses Ergebnis unsere Handlungsinterventionen anknüpfen, erleben wir eine Inflation des eigenen Wirkungspotentials. Führung wird anstrengender.
Die coachende Führungskraft leitet Mitarbeitende durch Fragen an.
Michaela Kreitmayer
Leiterin, Hernstein Instituts für Management und Leadership
Moderne Führungskräfte = Coaches
Jede zweite Führungskraft sieht in den letzten beiden Jahren erschwerte Bedingungen in der Führungsarbeit.
9 von 10 Befragten glauben, die Rolle von Führungskräften wird künftig vor allem darin bestehen, Potentiale von Mitarbeitenden zu entfalten.
Mit 92 % bei den Führungskräften der Branchen Energie, Finanz und Logistik ist diese Auffassung besonders hoch.
Rund jede:r Dritte ist überzeugt, dieses Coach-Modell bereits vollständig umzusetzen.
Zur größten Herausforderung wird dabei der Trend zur Remote Work. 32 % finden es schwieriger, mit Konflikten im Team umzugehen.
7 von 10 gehen davon aus, dass durch den Fachkräftemangel mehr Rücksicht auf Mitarbeitende genommen wird und Fragen der Unternehmenskultur an Bedeutung gewinnen.
4 von 10 Führungskräften ist ihre Positionierung als Kompetenzträger in den sozialen Medien wichtig.
Quelle: Hernstein Management Report 2022
Sinnorientiert führen heißt, entlang der eigenen Werte zu führen.
Sabine Pelzmann
selbstständige Unternehmensberaterin; Lehrgangsleiterin, Bildungshaus Schloss Puchberg
„Viele Frauen gestalten gerne“
Neuer Leadership-Lehrgang für Frauen
„Sinnorientierte Führung“, das ist der Titel des neuen Leadership-Lehrgangs im Bildungshaus Schloss Puchberg. Anfang Mai startet der Lehrgang und richtet sich speziell an Frauen, die sich zu Verantwortung und Führung bekennen. In vier Modulen können die Teilnehmerinnen ihre persönlichen und fachlichen Führungskompetenzen weiterentwickeln und beschäftigen sich mit bewusstem Führen entlang des eigenen Wertekompasses. Inhaltlich gestaltet wird der Lehrgang von drei Trainerinnen, begleitend finden Kamingespräche mit weiblichen Führungskräften aus Wirtschaft und Politik statt, die ihre Führungserfahrungen teilen. Sabine Pelzmann, Leiterin des Lehrgangs, erklärt: „Sinnorientiert zu führen bedeutet, entlang der eigenen Werte zu führen. Die Teilnehmerinnen sollen im Lehrgang motiviert werden, aktiv in ihre Führungsrolle zu gehen und zu gestalten. Und wir wissen, viele Frauen gestalten sehr gerne.“
Details zum Lehrgang „Sinnorientierte Führung“
Kursort_ Bildungshaus Schloss Puchberg, Wels
Termine_ 5. Mai, 23. Juni, 29. September und 3. November 2023, jeweils 14 bis 21 Uhr
Anmeldung und weitere Infos_ puchberg@dioezese-linz.at, schlosspuchberg.at
Anmeldeschluss_ 1. April 2023
Podcastfolge #64
Das ganze Interview mit Sabine Pelzmann zum Anhören.
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