Hochschulen: Wo steckt hier der Unternehmergeist?
Bildung und Forschung – die Kernaufgaben von Hochschulen. Und gleichzeitig ein großes Potential für die Wirtschaft. Denn wer könnte innovative Technologien, die in Forschungsprojekten entwickelt wurden, besser verwerten als die Forscher, Studenten und Absolventen selbst? Vor allem dann, wenn Industrie und mittelständische Unternehmen den Doppelpass mit den Startups suchen. Die Kombination aus Innovationen, Persönlichkeiten und Kapital ist ein Nährboden für Wachstum und Fortschritt – die Hochschule damit ein Wirtschaftsmotor.
München – nur knapp zwei Autostunden von der österreichischen Grenze entfernt. Die Bagger haben das riesige Areal bereits verlassen. Das Gebäude wächst täglich. 17 Millionen wurden investiert, um einen neuen Entrepreneurship-Campus an der Technischen Universität München zu errichten. In Kürze sollen hier alle Aktivitäten der unterschiedlichen Fakultäten gebündelt werden, die sicherstellen sollen, dass das Innovationspotential am Standort bestmöglich genutzt wird. Eine der erfolgreichsten Gründeruniversitäten Europas möchte man werden. Als technische Hochschule hat man erkannt, dass zusätzlich auch eine begleitende, unternehmerische Ausbildung notwendig ist, und die Sensibilisierung sehr früh stattfinden muss, damit Forscher den Drang entwickeln, ihre Innovationen auch zu verwirklichen. Der Anstoß für die umfassenden Aktivitäten im Gründungsbereich und die nunmehr klare Positionierung als Gründeruniversität kam jedoch weder von der Hochschule selbst noch von der Politik. Deutschlands reichste Frau, BMW-Erbin und Großaktionärin Susanne Klatten, brachte mit einer millionenschweren Zuwendung den Stein ins Rollen und legte damit den Grundstein für den Aufbau des Gründerzentrums „UnternehmerTUM“ im Jahr 2002. Zusätzlich wurde ein Fonds ins Leben gerufen, der Projekte mit bis zu drei Millionen Euro in der Aufbauphase finanziert.
Potential auch in Österreich
Die Geschichte klingt für österreichische Protagonisten wie ein Märchen vom Schlaraffenland. Die Entschlossenheit und Zielstrebigkeit sowie die finanziellen Mittel, die sowohl von Investorenseite als auch öffentlicher Seite in München aufgewendet werden, sind in Österreich derzeit nicht vorstellbar. Die Brötchen, die gebacken werden sind deutlich kleiner – die Entwicklung und der Output trotzdem beachtlich. Doch zurück zum Anfang. Wie entschlossen ist mit Oberösterreich das wirtschaftsstärkste Bundesland, die Hochschulen als Wirtschaftsmotor zu nutzen? Fragt man an der Johannes Kepler Universität nach, hört man, dass der Forschungsverwertung in Form von Unternehmensgründungen bis dato so gut wie keine finanziellen Mittel gewidmet sind. Die Voraussetzungen könnten aber besser nicht sein. „Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Fakultäten – vor allem Wirtschaft und Technik – ist das unternehmerische Potential an der JKU besonders hoch. Das zeigen sämtliche Erhebungen, die wir laufend durchführen. Wir sind international im Spitzenfeld. Gemeinsam mit der Fachhochschule Oberösterreich und Kunstuniversität Linz besteht ein richtiger Katalysator für Gründungen aus den Hochschulen. Wir müssen hier weiter kräftig Gas geben, um das Potential mittelfristig ausschöpfen und weiter heben zu können“, ist Universitätsprofessor Norbert Kailer überzeugt, der seit Jahren einer der führenden Entrepreneurship Educators im deutschsprachigen Raum ist. Seit kurzem ist die JKU nun Konsortialpartner des Projekts „Wissenstransferzentrum West“, welches sich mit der Forschungsverwertung, unter anderem auch in Richtung Unternehmensgründung, beschäftigt.
Bestandsaufnahme
Potential scheint da zu sein. Was ist bereits geschehen? Zugpferde bei den Bemühungen, die Unterstützungsinfrastruktur für Gründungen aus den Hochschulen zu optimieren, sind FH-Geschäftsführer Gerald Reisinger und Gerold Weisz vom Transferzentrum für Unternehmensgründung an der FH. Gemeinsam mit Norbert Kailer und David Böhm vom Institut für Unternehmensgründung der JKU bau- en sie seit 2012 den hochschulübergreifenden Prä-Inkubator akostart auf, der Projekte direkt aus dem Hörsaal oder Forschungslabor heraus in der frühen Planungsphase begleitet, Infrastruktur kostenlos anbietet und wichtige Kontakte herstellt. Über interdisziplinäre Maßnahmen werden beispielsweise an der JKU auch im Rahmen von Lehrveranstaltungen Forscher aus dem technischen Be- reich mit Studierenden der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Arbeitsgruppen zusammengespannt und aus JKU-Patenten tragfähige Geschäftsmodelle entwickelt sowie Businesspläne erstellt. „Bezüglich unternehmerischer Hochschulen marschieren wir in Oberösterreich in eine gute Richtung. Seit zwei Jahren gibt es akostart, da entsteht etwas. Wir brauchen Geduld, die Wege sind gelegt. Die Bereitschaft aller Institutionen und Verantwortlichen manifestiert sich in der akostart Gründung“, sagt Reisinger im Zuge einer von Academia Superior veranstalteten Podiumsdiskussion zum Thema Ende September. Die Aufbauarbeit scheint tatsächlich bereits Früchte zu tragen – und das mit einem minimalen Budget, das über einen Schulterschluss von privaten Unternehmen, den drei Hochschulen selbst, der Wirtschaftskammer OÖ und Forschungslandesrätin Doris Hummer sowie Wirtschaftslandesrat Michael Strugl bisher gestemmt wurde.
Gerold Weisz versucht im Zusammenspiel mit Markus Manz vom Hightech-Inkubator tech2b die oberösterreichische Industrie zu sensibilisieren und davon zu überzeugen, dass ein frühzeitiges Engagement im Start-up-Bereich ein großes Innovations- und Zukunftspotential auch für die Industriebetriebe birgt. Viele Projekte suchen in der frühen Phase etablierte und finanzstarke Partner und sind bereit, Anteile für vergleichsweise wenig Geld abzugeben.
Die Praxis funktioniert
Michael Plöckinger kennt die Unterstützung von akostart oö aus eigener Erfahrung. Er kommt mit dem hochschulübergreifenden Prä-Inkubator im Rahmen der FH-Vorlesung „Entrepreneurship“ in Kontakt. Plöckinger ist leidenschaftlicher Fliegenfischer – wann immer er neben seinem berufsbegleitenden Master- Studium Supply Chain Management an der FH Steyr Zeit findet, verbringt er sie an Fischgewässern. Doch dafür müssen Tageslizenzen bei zuständigen Ausgabestellen erworben werden – und die sind spontan oft nicht erreichbar. „Da ist mir die Idee einer App gekommen, über die nicht nur alle Informationen zu den Gewässern leicht zugänglich sind, sondern auch die Lizenzen online erworben werden können“, sagt Plöckinger. Er präsentiert seinen Plan bei akostart und wird in das Programm aufgenommen. Neben der Begleitung und wertvollen Feedbacks bekommt er auch gleich einen Platz im Co-Working-Space von akostart, wo er kostenlos für ein Jahr das Projekt vorantreiben kann. Bei Netzwerkveranstaltungen im Co-Working-Space lernt er Wolfgang Lang kennen. Der ist kurz vor Abschluss seines Wirtschaftsstudiums an der JKU – als Ausbildungsschwerpunkt hat er Unternehmensgründung und Un- ternehmensentwicklung gewählt und ist auch am zugehörigen Institut während des Studiums sehr aktiv. Außerdem ist er ebenfalls begeisterter Fischer und will sich nach mehreren Arbeitsmeetings am Projekt beteiligen. Die beiden gründen bissanzeiger.net, feilen gemeinsam am Businessplan und starten mit der Umsetzung. Im Rahmen des akostart-Advisory- Boards bekommen sie die Möglichkeit, ihr Projekt Start-up-Größen wie Runtastic- Gründer Alfred Luger, 123people-Gründer Bernhard Lehner und Stefan Kalteis oder karriere.at-Gründer Oliver Sonnleithner, Klaus Hofbauer und Jürgen Smid zu prä-sentieren. Von denen bekommen sie nicht nur Feedback und Tipps, sondern nach kurzer Zeit auch ein Investmentangebot. Oliver Sonnleithner und Klaus Hofbauer können sich mit dem Projekt und den beiden Gründern so sehr identifizieren, dass sie als Business Angels einsteigen. Nicht nur sie sind vom Projekt überzeugt. Auf Facebook sind bereits über 36.700 Fans auf ihrer Seite aktiv. Im Frühling, wenn die Angelsaison wieder losgeht, will man durchstarten. Derzeit werden Kooperationen mit den Gewässerbewirtschaftern ausgemacht, bei zwei Gewässern läuft das System bereits reibungslos. „Wir haben über die Plattform akostart oö den Kontakt zu den beiden Gründern bekommen und waren schnell überzeugt, dass dieses Projekt international erfolgreich werden kann. Das Investment war dann die logische Folge“, sagt Oliver Sonnleithner.
Schnittstelle Innovation – Mensch – Kapital
Auch ohne Millionen von privaten Gönnern hat der Aufbau des hochschulübergreifenden Vorzeigemodells akostart oö bis jetzt geklappt. Ob das Potential nun gehoben und man mit Standorten wie München mithalten kann, wird sich in den nächsten Monaten und Jahren zeigen – Politik, Hochschulen, Industrie, Wirtschaft und Banken sind laut Gerold Weisz gleichermaßen gefordert. „Wir müssen die Strukturen nun nachhaltig festigen und die Ressourcen erhöhen, vor allem aber brauchen wir ein Frühphasen-Finanzierungsvehikel. Die guten Projekte müssen in der frühen Phase unkompliziert zu Beteiligungskapital kommen. Das ist die wesentliche Herausforderung, der wir uns nun alle stellen müssen. Wenn wir als Ergänzung zur Begleitung und Infrastruktur im Rahmen von akostart nicht auch die Finanzierung der Projekte bewerkstelligen können, dann werden wir das Potential am Wirtschaftsstandort nicht nutzen können.“ Ein weiterer Schwerpunkt im nächsten Jahr soll auf den Aufbau von internationalen Verbindungen gelegt werden – in Richtung Berlin, London und die USA. Vielleicht ein kluger Schachzug, wenn sich die Projekte bereits frühzeitig international ausrich- ten…
„Wir müssen die Strukturen nun nachhaltig festigen und die Ressourcen erhöhen, vorallem aber brauchen wir ein Frühphasen-Finanzierungs-Vehikel. Die guten Projekte müssen in der frühen Phase unkompliziert zu Beteiligungskapital kommen.“
Gerold WeiszVorstandsmitglied akostart OÖ
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