Nahe am Wasser gebaut
Mit rund 2,8 Millionen Tonnen umgeschlagenen Gütern ist der Linz AG Hafen einer der größten Hafenplätze an der oberen Donau und hat eine jahrzehntelange Tradition. Mit dem Um- und Ausbau des Linzer Hafens betritt nun aber selbst ein erfahrenes Unternehmen wie die Linz AG sprichwörtliches Neuland. Welche Überraschungen hält das gleichnamige Projekt nahe der Donau bereit und worauf muss man bei der Planung und beim
Bau von Industrie- und Gewerbebauten eigentlich achten?
Männer in Warnwesten weisen LKW und Schiffe ein, im Containerterminal wird ankommendes Gut kontrolliert. Listen auf Klemmbrettern werden gecheckt und abgehakt, Anweisungen in Walky-Talkys durchgesagt. Im Handels- und Tankhafen werden Schiffe be- und entladen. Man hört Hupen, sieht in gestresste Gesichter und blinkende Signallichter. Die Zuschauer sind vom Trubel begeistert und beeindruckt. Es ist aber keine Fernsehreportage, die sie sich gemütlich auf der Couch ansehen. Sie sind mittendrin und beobachten das Treiben dennoch von einem geschützten Bereich aus. Genauer gesagt, von den Dächern der Speziallagerhalle. Von dort hat man einen guten Überblick auf den gesamten Hafen und kann den Fachleuten und Experten bei ihrer Arbeit auf die Finger schauen. Die gelegentlichen Brisen der Donau verstärken das aufkeimende Meeresfeeling zusätzlich. Man könnte meinen, sich in Hamburg zu befinden, tatsächlich ist man aber eingetaucht in das Neuland des Linzer Hafens.
Alles, außer gewöhnlich
So haben sich das die Initiatoren des Linzer Hafenprojekts „Neuland“ vorgestellt. „Als Besucher des Hafens ist man dann schon direkt im Betriebsareal, aber auf den Dächern. Das wird der Clou, denn so etwas gibt es in der Umgebung sonst nirgends, dass man erstens im Hafengebiet einen Stadtteil neugestaltet und zweitens auch die Öffentlichkeit einbindet, um das Hafenfeeling spüren und erleben zu können. In Hamburg gibt es zwar die Speicherstadt, aber da ist nur mehr wenig Umschlag und kein Hafenbetrieb mehr“, so Hafendirektor Harald Kronsteiner. Aufbauend auf einen Masterplan, der 2014 konzipiert wurde, entsteht eine logistische Expansion des Linzer Handelshafens sowie eine architektonische Aufwertung des Stadtteils mit Neubauten. „Es ist eine betriebliche Erweiterung und eine städtebauliche Entwicklung verbunden mit einer teilweisen Nutzung des Hafengebietes durch die Bevölkerung“, sagt Kronsteiner. Von Nord nach Süd wird eine Betriebsachse entstehen, von Ost nach West eine Kultur- und Freizeitachse. Dabei werden der Linzer Verschiebebahnhof und der Containerterminal ausgebaut und modernisiert, neue Parkdecks, eine Tiefgarage und ein Ingate errichtet sowie ein Hafenportal und ein Hafenturm gebaut. Das erste sichtbare Projekt war mit Start des Umbaus des alten Lagerhauses 2 im Jänner 2017. Die erste bauliche Etappe wurde mit Juli 2018, mit der Übersiedelung der Hafendirektion, abgeschlossen. In der zweiten Etappe folgt der Bau des Parkdecks, der Tiefgarage und des Ingates. Diese soll voraussichtlich mit Anfang 2020 fertig werden. Die dritte Etappe ist die Lagerhalle auf der Verlandungsfläche 2, bei der die Dächer begehbar gemacht werden. „Für die dritte Etappe sind wir im Planungsstatus, hier wollen wir die Einreichung noch heuer schaffen. Geplanter Baubeginn wäre voraussichtlich Mitte bis Herbst 2019 mit einer Bauzeit von rund eineinhalb Jahren“, so Kronsteiner. Bei den Investorenprojekten – Hafenportal und Hafenturm – könne man zeitlich noch nicht abschätzen, wann es losgehen wird, da die Gespräche mit potentiellen Investoren noch laufen. „Diese Gebäude haben mit unserem Hafenbetrieb, also betriebswirtschaftlich, nichts zu tun. Deshalb werden sie auch privat finanziert. Das Hafenportal wird von uns geplant und quasi baureif gemacht. Das fertige Projekt wird dann einem Privatinvestor übergeben, der es errichtet und betreibt.“ Insgesamt sollen laut Masterplan über 273 Millionen Euro investiert werden, davon 151 Millionen von der Linz AG und 122 Millionen von Privatinvestoren, angelegt auf zehn Jahre. Hafenturm, Hafenportal und Hafendirektion werden für die Bevölkerung frei zugänglich sein, bei der ebenfalls geplanten Speziallagerhalle werden die Dächer begehbar sein. Es ist ein ambitionierter Plan, den sich die Linz AG hier vorgenommen hat. Aber wie plant und baut man solche großen Industrie- und Gewerbeprojekte eigentlich? Auf was muss man alles achten und wie lange können baurechtliche Verfahren dauern?
„Als Besucher des Hafens ist man dann schon direkt im Betriebsareal, aber auf den Dächern. Das wird der Clou.“
Harald KronsteinerHafendirektor, Linz AG Hafen
Zu viele Baumeister verderben den Brei?
„Wenn viele mitreden, dann wird es wie immer im Leben kompliziert“, sagt Baumeister Stefan Graf von der Baugesellschaft Leyrer + Graf, die bereits unzählige Industrie- und Gewerbebauten wie etwa das Shoppingcenter G3 in Gerasdorf gebaut hat. „Der Industrie- und Gewerbebau unterscheidet sich von sämtlichen anderen Arten des Bauens durch die stark erhöhte Komplexität.“ Gerade weil die meisten Industriebauten große Anlagen mit viel technischer Ausrüstung und Elementen sind, seien bei der Planung immer sehr viele Menschen beteiligt. Die Komplexität beginne bereits bei der Planung. „Diese muss vor Baubeginn komplett ausgereift sein, von der räumlichen Planung über die Bereitstellung der benötigen Maschinen, von der Lagerung der Teile, der Ausrüstung hin zu den Sanitäranlagen. Die einzelnen Gewerke müssen vor Baubeginn schon aufeinander abgestimmt sein, damit sie beim Bau perfekt ineinandergreifen können.“ Ein zweiter Aspekt seien die oft langen Lieferzeiten der Materialen und Ressourcen, die Auswirkungen auf den gesamten Zeitplan haben. Die Abläufe müssen dennoch so aufeinander abgestimmt sein, dass alles nahtlos ineinander übergreift. „Die Anforderungen an den Bauleiter sind dadurch sehr hoch. Dieser muss nicht nur ein guter Techniker sein, sondern noch viel mehr ein guter Projektmanager.“ Je nach Kapazitätsauslastung und Projektgröße werden auch öfter Arbeitsgemeinschaften (ARGE) gebildet. Das passiere mittlerweile tendenziell häufiger, weil die Firmen stark ausgelastet seien und man sich dadurch etwas entlasten könne. „Wie viel Firmen tatsächlich daran beteiligt sind, variiert stark von Projekt zu Projekt. Zehn bis 12 Firmen hat man aber sehr rasch beisammen. Dafür gibt es dann die Baukoordination, die alles aufeinander abstimmt.“
Bevor aber mit dem Bauen begonnen werden kann, muss in der Bauverhandlung der gesetzliche Auflagenkatalog abgearbeitet und bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. „Im Wesentlichen hängt es von der baurechtlichen und der gewerberechtlichen Seite ab“, so Graf, „baurechtlich sind das Sachen wie Baugesetze oder Bautechnikverordnung, gewerberechtlich der Arbeitnehmerschutz, Brandschutz oder Fluchtwege.“ Insgesamt hänge es von der Art des Projektes wie auch seiner Lage ab, welche Auflagen zu erfüllen sind. „Wenn beispielsweise in der Nähe eines Naturschutzgebietes gebaut werden soll, wird der Naturschutz als zusätzliches Kriterium einfließen. Auch Lärm oder Staub sind immer zu beachten, weil es hier um Anrainerrechte geht.“ Die Kompetenz und Verantwortung liege hier bei den Planern, als Baufirma sei man, was baurechtliche Verfahren anbelangt, relativ unbelastet, so Graf. „Solche Fragen müssen alle vor dem Baubeginn geklärt werden. Unsere Aufgabe ist es dann zu schauen, ob es die Genehmigungen auch wirklich gibt und alle da sind.“ Dauern können solche Verfahren von wenigen Wochen bis zu mehreren Monaten. Bei besonders kniffligen oder hartnäckigen Anrainerinteressen könne es auch mehrere Jahre dauern, das sei aber eher die Ausnahme. Was die Wünsche des Aussehens und der Architektur der Unternehmen für ihre Objekte anbelange, antwortet Graf prompt: „Es geht immer mehr in Richtung ‚außergewöhnlich’. Man könnte auch sagen: ‚Der rechte Winkel nimmt ab, das Geschwungene nimmt zu’. Das muss in der Regel aber der Statiker mit dem Bauherrn und dem Architekten besprechen.“ Insgesamt sei technologisch aufgrund der Digitalisierung aber weit mehr möglich als früher, insbesondere ausgefallenere Konstruktionen und Berechnungen. „Der Kreativität sind hier wenig Grenzen gesetzt“, so Graf.
Es braucht Investitionen
Das Prädikat „außergewöhnlich“ würde sich wohl auch das Linzer Hafenprojekt verdienen, das sich natürlich auch langfristig betriebswirtschaftlich auszahlen soll. Die Linz AG stehe wirtschaftlich sehr gut da, „damit das auch so bleibt, brauchen wir Zukunftsinvestitionen. Daher wurde das ‚Projekt Neuland‘ ins Leben gerufen“, so Kronsteiner. Weiche Standortfaktoren wie die Linz AG Hafengalerie „Mural Habor“ oder Veranstaltungen wie die Linz AG „Bubble Days“ sollen das USP für den Standort abrunden und die Linzer Kultur- und Freizeitszene mit der Industrie verbinden. Das unterstreicht auch Linz AG-Generaldirektor Erich Haider: „Langfristige Vorhaben, wie sie aktuell und in naher Zukunft im Hafen Linz umgesetzt werden, sind auch für einen erfahrenen Infrastrukturpartner wie die Linz AG etwas Besonderes. Die nächsten Monate und Jahre werden von beachtlicher Bautätigkeit rund um die schrittweise Realisierung des Projektes Neuland geprägt sein. Dieses Projekt trägt maßgeblich zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes bei.“ Eine günstige Finanzierungsvereinbarung mit der Europäischen Investitionsbank sowie eine EU-Förderung im Rahmen der „Connecting Europe Facility“ unterstützen die Weiterentwicklung. Während die letzten Container abgewickelt, die Schiffe fertig entladen sowie die letzten Anweisungen durchgegeben werden, hat sich das emsige Arbeiten am Hafenareal in ein wuseliges Treiben am Hafenportal und im Hafenturm verwandelt. Zeit also, sich in das blühende Leben am Linzer Hafen zu mischen._
Das Projekt Neuland trägt maßgeblich zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes bei.
Erich Haider
Generaldirektor, Linz AG
Der Industrie- und Gewerbebau unterscheidet sich von sämtlichen anderen Arten des Bauens durch die stark erhöhte Komplexität.
Stefan Graf
Geschäftsführender Gesellschafter, Leyrer + Graf Baugesellschaft
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