Von Apps und Medikamenten
Wie eine App Schlaganfallpatienten dabei unterstützt, ihren Leidensdruck zu mindern, und eine Software helfen kann, neue Medikamente für die Krebsforschung herzustellen – wir haben wieder die spannendsten Start-ups unter die Lupe genommen.
Rewellio
Die Motivation, ein Unternehmen zu gründen, beschreibt Georg Teufl mit einem Wort: Sinnhaftigkeit. Der diplomierte Physiotherapeut will Therapiemethoden digitalisieren. Herausgekommen ist mit Rewellio eine App, die es Schlaganfallpatienten ermöglicht, ihre Reha-Übungen in den eigenen vier Wänden schneller und günstiger fortzusetzen.
„Ich beschäftige mich schon lange mit motorischem Lernen und habe viel mit Schlaganfallpatienten gearbeitet, zudem habe ich immer gerne programmiert. Ich wollte diese beiden Leidenschaften unter einen Hut bringen“, sagt Georg Teufl, Mitgründer von Rewellio. Handerkennung und Virtual Reality seien die letzten Jahre immer Gesprächsstoff gewesen, „die Idee war schließlich, für Schlaganfallpatienten, die ihre Hand nicht bewegen können, sowohl bekannte Therapiemethoden wie etwa die Spiegeltherapie als auch völlig neue Konzepte in einer App zu digitalisieren, damit es ihnen möglich wird, nach der normalen Reha-Zeit auch daheim weiter üben zu können“, so Teufl. Das sei wichtig, denn die effektive Therapiezeit entscheide über den tatsächlichen Genesungsfortschritt. Die Übungen bauen auf der ständigen Wiederholung auf: Bälle berühren, probieren diese zu fassen oder Gegenstände kontrolliert umzuwerfen. Neben dem Tablet oder Smartphone hat man auch die Möglichkeit sogenannte EMG Biofeedback Armband Übungen zu machen. Das ist in diesem Fall ein Gerät zur Gestensteuerung, das Muskelaktivitäten misst, auch wenn sie noch so gering sind. „Bei einem Schlaganfallpatienten sind die Beugemuskel sehr gespannt, das erkennt man an der typisch geballten Faust. Die Hand macht dann immer einen Bogen, weil die Streckmuskeln nicht gegen die Beugemuskeln ankommen. Wir wollen dem Patienten visualisieren, die Beugemuskeln locker zu lassen und die Streckmuskeln zu aktivieren.“ Mittels einem Smartphone oder Tablet, einer Virtual Reality Brille und der App kann für unter 500 Euro und zusätzlicher Gerätekosten (Hardware) zuhause geübt werden. „Die Software wird den Patienten zwischen zehn und 30 Euro im Monat kosten. Für eine App mag das viel erscheinen, für eine medizinische Trainingstherapie ist es vergleichsweise wenig.“ Jene Patienten, die damit bereits ihre Übungen machen, hätten eine Riesenfreude, weil der Leidensdruck zumindest ein bisschen gemindert werde, so Teufl. Zum jetzigen Zeitpunkt übernehme die Krankenkassa die Kosten noch nicht, „unser Ziel ist aber natürlich, dass wir in weiterer Folge Evidenzstudien schaffen und die Krankenkasse die Kosten übernimmt“.
Die Idee war, bekannte und völlig neue Therapiemethoden für Schlaganfallpatienten in einer App zu digitalisieren.
Georg Teufl
Mitgründer, Rewellio
Datavisyn
Was passiert, wenn ein JKU-Professor mit einem Doktoranden und zwei Kollegen aus den USA gemeinsam ein Start-up gründen will? Sie nützen ihr in großen Mengen vorhandenes Hirnschmalz – fachwörtlich Expertise genannt – um eine Softwarelösung zu entwickeln, die dabei helfen soll, neue oder bessere Medikamente für die Krebsforschung herzustellen.
Krebs ist eine Krankheit, die durch eine Kombination veränderter Gene verursacht wird, welche sich bei jedem Patienten aber anders zusammensetzt. Daher ist es auch so schwer, dagegen vorzugehen. Der Mensch hat über 20.000 Gene. Für jeden einzelnen Fall muss man herausfinden, wie sich die Krankheit zusammensetzt, um eine wirksame Behandlungsmethode zu finden. „Im Grunde ist das ein großes Datenfilterungsproblem. Unsere Software hilft dabei, für jedes Gen verschiedenste Kennzahlen zu errechnen, um zum Beispiel herauszufinden, wie ‚druggable‘ es ist, also wie gut ich es mit einem bestimmten Medikament (Drug) beeinflussen kann, um gegen die Krankheit ankämpfen zu können“, so der JKU-Professor und Mitgründer von Datavisyn, Marc Streit. Will beispielsweise ein Pharmaunternehmen für eine Krankheit ein neues oder besseres Medikament herstellen, kann es mit der Software die entsprechenden Gene herausfiltern, bei denen das Medikament die bestmögliche Wirkung erzielen kann.
„Die Analysen machen die Pharmafirmen in den Forschungslabors selbst, aber mit unserer Software geht das zielgerichteter und damit auch schneller als bisher“, sagt Streit. Die Prozesskette bis zur endgültigen Zulassung eines neuen Medikaments dauert oft bis zu zehn Jahre und sei für die Pharmaunternehmen sehr teuer. „Je besser man diesen Prozess unter Kontrolle hat und rausfinden kann, was mögliche interessante Drug Targets sind, umso schneller wird der Prozess und desto besser das Medikament.“ Gefüttert wird die Software von den Pharmaunternehmen mit öffentlichen Daten und eigens generierten Daten, die die Firmen in Experimenten und klinischen Studien selbst sammeln. Das Resultat ist zunächst einmal ein großer Datenberg. In diesem wird dann mit statistischen Methoden nach Mustern gesucht. Oft könne der Forscher aufgrund dieser Menge an Daten das Resultat am Ende aber nur begrenzt interpretieren. „Daher liegt die Kernkompetenz unserer Software in der Visualisierung. Wir bereiten die Daten so auf, dass sie die Forscher besser verstehen können. Das unterscheidet uns von anderen Firmen, die so etwas ebenfalls anbieten“, sagt Streit. Dabei arbeite man unter anderem mit großen deutschen Pharmafirmen zusammen, wie etwa Bayer oder Boehringer Ingelheim._
Unsere Software hilft dabei, gezielt Medikamente für die Krebsforschung herzustellen.
Marc Streit
Mitgründer, Datavisyn
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