
„KI ist für mich ein kreativer Partner, kein Ersatz“
„Sie macht meinen Werkzeugkasten größer.“ So beschreibt Ines Thomsen ihren Zugang zu neuer Technologie. Die Fotografin arbeitet weiterhin mit echten Menschen und echten Momenten – und teilt ihr Wissen über AI-Fusion-Fotografie & Co. international auf den Bühnen dieser Welt. In ihrem Buch geht es nicht nur um Technik, sondern vor allem um das Mindset, mit dem wir kreativen Wandel aktiv gestalten.
INFOBOX
Wie hätte es anders sein sollen: Auch bei unserem Shooting hat sich Ines für ein Foto mit AI-Fusion entschieden. Das Bild von ihr vor einem überdimensional großen Kameraobjektiv ist eigentlich vor einem neutralen Hintergrund in ihrem Studio entstanden.
Wer Ines – wie auch wir in ihrem Studio – heute begegnet, spürt sofort ihre Energie und Neugier. Eigenschaften, die sie auch beim Thema KI weit gebracht haben. Und trotzdem hält sie oft eine Fujifilm in der Hand, wenn sie mit ihrem Sohn draußen ist. Für sie ist das kein Widerspruch, sondern ein Bekenntnis: „Fotografie ist und bleibt Handwerk, Herz und echte Momente. KI erweitert all das und ersetzt es nicht.“ Denn auch wenn sie heute mit AI-Fusion experimentiert, sind ihre Shootings mit echten Menschen der Kern ihrer Arbeit. Ob Porträts, Corporate-Aufträge oder Business-Shootings: Ines fotografiert Menschen und Geschichten, die im echten Leben stattfinden und nutzt die KI nur, um kreative Räume zu öffnen. „Im Mittelpunkt bleibt für mich immer der Mensch – mit seiner Geschichte, seiner Persönlichkeit und seinen Emotionen.“
Und doch war sie beim ersten Kontakt mit der neuen Technologie überwältigt. „Der Gedanke, was das für meine Arbeit bedeuten könnte, traf mich mit voller Wucht… und plötzlich war alles anders.“ Martin Dörsch, ein Freund und der Co-Autor ihres Buches, der sich als Vorreiter früh mit dieser großen Veränderung befasste, warnte sie vor einigen Jahren: „Alles, was du in dieser Welt und dieser Gesellschaft noch machen willst, mach es besser jetzt.“ – „Als ich zum ersten Mal mit KI in Berührung kam, war das ein Schock. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, dass alles, was ich mir aufgebaut habe, plötzlich vorbei sei könnte. Aber dann habe ich gemerkt: Genau jetzt entscheidet sich, wie ich damit umgehe. Ich konnte mich wegdrehen und hoffen, dass der Sturm an mir vorbeizieht – oder ich konnte hinschauen, neugierig werden und Schritt für Schritt lernen. Ich habe mich fürs Hinschauen entschieden. Und das war der Beginn von etwas Neuem.“
Mut beginnt außerhalb der Komfortzone
Was als Notwendigkeit begann, entwickelte sich schnell zur Faszination. Heute nimmt die KI rund zwei Drittel ihrer beruflichen Tätigkeit ein – in Form von KI-unterstützten Fotoprojekten, Workshops zum Einsatz in der Kreativarbeit oder Vorträgen. Und in Form ihres Buches, mit dem sie versucht, ihren Leserinnen und Lesern Werkzeuge an die Hand zu geben, damit diese ihren eigenen Weg im Umgang mit der KI finden. „Darin geht es nicht nur um Fotografie, sondern auch um die Metaebene: Wie können wir Menschen uns anpassen?“ Dafür haben sie und Martin Dörsch mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen Bereichen – etwa Recht, Ethik und der Kreativwirtschaft – gesprochen. „Wir wollen sowohl inspirieren als auch aufklären und eine kritische Debatte anstoßen.“
Außerdem enthalte das Buch ein „Vokabelheft“ mit KI-Grundbegriffen sowie praktische Workflows, die Leserinnen und Leser für sich selbst entwickeln können. Passend dazu ist Ines selbst das beste Beispiel. Denn auch ihr Buch entsteht mit KI-Unterstützung. „Fakt ist, dass ich vermutlich nie ein Buch in dieser Qualität hätte schreiben können, schließlich bin ich keine Schriftstellerin“, räumt sie ein. Aber jetzt stehe ihr ein Tool zur Verfügung, das sie dazu befähigt.
Back to the future
Auch simplere Alltagsdinge würde sie hier und da gerne mal outsourcen: Stellt man sich KI als menschliche Assistentin vor, würde Ines ihr beim Shooting sofort die organisatorischen Aufgaben überlassen, etwa Getränke bringen oder Sets aufbauen. Die eigentliche kreative Arbeit – die Interaktion mit den Models, das Einfangen des perfekten Moments – behält sie lieber selbst in der Hand. In der Realität nutzt sie die Technologie hauptsächlich in der Vor- und Nachbearbeitung.
AI-Fusion etwa ist eine Hybridform, bei der echte, von ihr fotografierte Menschen mit KI-generierten Hintergründen oder Elementen kombiniert werden. „Damit lassen sich plötzlich Dinge umsetzen, die vorher nie denkbar waren.“ Ein Schlüsselerlebnis hatte sie bei einem Shooting im Wald. „Die Idee war, diese mystische Stimmung mit den Sonnenstrahlen durch die Bäume einzufangen, und ich dachte mir: Das wirst du niemals so abliefern können.“ Doch mit Hilfe der AI-Fusion gelang ihr genau das. „Mit konventionellen Mitteln … keine Chance!“
Trotz all der spürbaren Begeisterung für die neuen Möglichkeiten bleibt Ines der großen Unbekannten gegenüber nicht unkritisch. Komplett KI-generierte Personen kommen für sie in ihrer Arbeit nicht in Frage. „Allein schon, weil wir uns auf diesem Neuland auch in rechtlichen Grauzonen bewegen.“ Für sie ist und bleibt KI ein Werkzeug zur Erweiterung ihrer Kreativität und Kompetenz. Und nicht deren Ersatz._
# Gedankensprung
Mein Stil in drei Worten_emotional, clean, menschlich
Fotografie ohne Emotion ist_nichts für mich.
Das gefährlichste Missverständnis über KI ist_dass sie vermenschlicht wird.
Technik nervt mich, wenn_sie nicht funktioniert.In meinem Buch_wird es um den echten menschlichen Zugang gehen.
Das schönste Kompliment zu einem Foto mit AI-Fusion war_
dass es voller Emotionen sei. Also genau das, was viele der Künstlichen Intelligenz absprechen.
Redaktion
- David Bauer
Fotos
Sabine Kneidinger, Retusche und Compositing: Denisa Krycnerova