
Nicht von der Stange
Bei BDO Austria beraten er und sein Team Unternehmen unter anderem bei der Wahl der optimalen Finanzierungsstruktur und begleiten bei Risiko- und Kapitalmarktthemen: Uns steht Michael Grahammer Rede und Antwort für Fragen rund um das Thema Finanzen, die uns auf der Zunge brennen. Welche Rolle spielt das Risikomanagement bei den Finanzierungsinstrumenten, wie beeinflusst die Finanzkrise von 2008 noch immer unsere Perspektive auf Liquidität und wie steht er eigentlich zu Kryptowährung?
Welche Strategien empfehlen Sie Unternehmen, um den klassischen Zielkonflikt zwischen Liquidität, Rentabilität und Sicherheit zu lösen?
Michael Grahammer: Liquidität und Sicherheit gehen für mich Hand in Hand. Und die Liquiditätssicherung hat oberste Priorität. Wenn diese nicht gegeben ist, dann nützt ein profitables Geschäftsmodell nichts. Liquiditätssicherung kostet zwar etwas, aber nichtsdestotrotz ist sie für ein Unternehmen unerlässlich, um die Profitabilität des Unternehmens oder des Geschäftsmodells entsprechend ausleben zu können.
Welche Faktoren bestimmen eine optimale Finanzierungsstruktur und wie stehen diese in Wechselwirkung zueinander?
Michael Grahammer: Die Wahl der optimalen Finanzierungsinstrumente hängt vom eigenen Geschäftsmodell ab. Es macht einen wesentlichen Unterschied, ob man zum Beispiel im Handel oder in der Industrie tätig ist, ob man ein sehr anlagenintensives Geschäft hat oder es sich um die öffentliche Hand handelt. Außerdem spielen die Cashflows eine große Rolle. Je kurzfristiger die Cashflows sind, desto kurzfristiger die Finanzierung, die darauf aufgehängt ist. Je langfristiger die Cashflows und die Paybacks sind, desto langfristiger die Finanzierung. Und daran müssen die Finanzierungsinstrumente entsprechend angepasst werden. Üblich ist ebenfalls, dass größere Investitionen entsprechend langfristig finanziert werden und die Betriebsmittel eher kurzfristig.
Inwiefern hat die Finanzkrise von 2008 die Perspektive auf Liquidität und Sicherheitsüberlegungen verändert?
Michael Grahammer: Es gibt mittlerweile in den Unternehmen schon wieder eine jüngere Generation, die sich gar nicht mehr an die Finanzkrise erinnern kann. Ich habe live miterlebt, wie große Banken den Unternehmen von heute auf morgen die Linien gekürzt oder gestrichen haben, die davor nicht kommittiert waren. Ich rate allen Unternehmen immer dazu, dass man einen ausreichenden Stand an kommittierten Linien haben sollte, um die Liquidität der nächsten Monate sicherzustellen. Und man sollte sich idealerweise nicht nur auf eine Bank verlassen, sondern dort etwas diversifizieren.
Wie bewerten Sie die Risiken und Chancen der Investition in Kryptowährungen im Vergleich zu traditionellen Anlageformen?
Michael Grahammer: Ich habe eine sehr klare Meinung zu Kryptowährungen: Ich halte sie für einen groben Unfug. Und zwar deshalb, weil ich denke, dass sie für 95 Prozent der Cyberkriminalität, die es auf der Welt gibt, die Basis sind. Wenn es keine Kryptowährungen mehr gäbe, dann wäre ein Großteil der Cyberkriminalität von heute auf morgen ausgelöscht. Außerdem wird durch Kryptowährung sehr viel Energie unnötig verbraucht und das geldpolitische Instrumentarium komplett ausgeschaltet. Dann fehlen die Steuerungsinstrumente und das finde ich wirklich gefährlich.
Welche Rolle spielt das Risikomanagement bei der Gestaltung der besten Finanzierungsinstrumente und wie kann es zur Sicherung der Unternehmensbonität beitragen?
Michael Grahammer: Das Risikomanagement hat sicherzustellen, dass die wichtigsten Risiken im Unternehmen identifiziert werden, dass sie priorisiert werden und dass entsprechende Maßnahmen zur Steuerung der Risiken beziehungsweise zur Mitigation davon getroffen werden. Man wird nie alle Risiken abfangen können, aber man sollte jedenfalls darauf vorbereitet sein. Bei der Wahl der Finanzierungsinstrumente spielt das Risikomanagement insofern eine Rolle, als dass die Liquiditätssicherung Teil des Risikomanagements sein muss. Und was die Unternehmensbonität anbelangt, ist das Risikomanagement das Um und Auf.
Welche Überlegungen sollten Unternehmen bei der Entscheidung zwischen On-Balance- und Off-Balance-Projektfinanzierung anstellen?
Michael Grahammer: Die Off-Balance-Projektfinanzierung spielt bei sehr großen Investitionsprojekten eine Rolle, die aus dem Projekt heraus entsprechende Cashflows erwirtschaften sollen. Im Mittelstand kommt das eher selten vor. Da sind es üblicherweise On-Balance-Projekte oder Investitionsfinanzierungen. Ich rate aber dann, wenn es große Investitionsvorhaben gibt oder wenn beispielsweise große Firmenübernahmen getätigt werden sollen, dass man eine Off-Balance-Struktur wählt, um den eigenen Unternehmensbestand nicht zu gefährden.
Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Finanzierungsinstrumente flexibel genug sind, um auf unerwartete wirtschaftliche Veränderungen zu reagieren?
Michael Grahammer: Indem man ausreichend verfügbare Rahmen mitführt und sich leistet. Das ist meistens mit Bereitstellungsprovisionen verbunden. Dies geht zwar ein wenig zulasten der Rentabilität oder Profitabilität. Aber es macht natürlich Sinn, um für unerwartete Ereignisse gewappnet und in der Lage zu sein, das eigene Geschäft mit ausreichend Liquidität zu versorgen.
Welche Bedeutung haben langfristige Zinsfixierungen im aktuellen Zinsumfeld, und wie können sie zur Stabilität der Finanzierungsstruktur beitragen?
Michael Grahammer: Zinsfixierungen spielen eine wesentliche Rolle. Wir haben gerade ein etwas unsicheres Zinsumfeld. Im Moment sieht es eher danach aus, dass die Zinsen vielleicht auch längerfristig noch tief bleiben könnten, beziehungsweise noch tiefer fallen könnten, als das zu Jahresbeginn vermutet worden ist. Das motiviert natürlich nicht unbedingt dazu, die Zinsen jetzt zu fixieren. Man darf aber nicht vergessen, dass, wenn sich die Situation dreht und auf breiter Fläche höhere Zinsen erwartet werden, eine Zinsfixierung viel teurer ist. Das heißt, man sollte einen Zeitpunkt nutzen, in dem die Zinserwartung eher flach ist, um die Zinsen nach vorne hinaus günstig zu fixieren.
Welche Faktoren sollten bei der Auswahl der Gesellschaft innerhalb eines Konzernverbunds für die Aufnahme von Finanzierungen berücksichtigt werden?
Michael Grahammer: Vor allem in Österreich ist die verbotene Einlagenrückgewehr ein großes Thema, das die Banken sehr stark umtreibt. Man sollte darauf achten, wenn man in den Unternehmen eine Gruppenstruktur schafft, dass man die Möglichkeit hat, von oben nach unten zu finanzieren, also von der Mutter zur Tochter oder zur Enkelin. Umgekehrt geht es nämlich nicht. Bei der Wahl der richtigen Unternehmensstruktur sollte man die Einlagenrückgewehr jedenfalls mitberücksichtigen.
Wie können Unternehmen dafür sorgen, dass ihre Finanzierungsstruktur nicht nur kurzfristige Liquidität, sondern auch langfristiges Wachstum und Nachhaltigkeit unterstützt?
Michael Grahammer: Ich glaube, die Sicherstellung von Wachstum und Wachstumskapital ist eine Frage von verfügbaren Eigenmitteln. Man wird langfristiges Wachstum kaum über reines Fremdkapital darstellen können, sondern man wird Eigenmittelkomponenten brauchen. Sei es echtes Eigenkapital über Investoren oder über Mezzaninkapital in der einen oder anderen Form. Wichtig ist: Unternehmensfinanzierung ist nie ein Produkt von der Stange, sondern sehr individuell._
INFOBOX
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Redaktion
- Melanie Kashofer
Fotos
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Marcel Hagen