Rein in den Konter!
Sie machen klein. Lächerlich. Oder verkleben den Mund. Verbale Attacken, die uns die Luft abschnüren. Manchmal fällt uns die passende Antwort erst Stunden nach dem rhetorischen Angriff ein. Doch dann ist es zu spät. Wie man sich dagegen wappnen kann, erklärt Kommunikationsexpertin Iris Zeppezauer.
Es läuft gut. Das leichte Zittern der Hände und das holprige Japsen in der Stimme sind verschwunden. Doch plötzlich fällt ein Kommentar. Nicht irgendeiner. Sondern DER eine. „Ok, das klingt ja alles ganz nett. Aber das ist wohl nicht unbedingt Ihr Fachgebiet?“ Wumm. Schockstarre. Tausend Gedanken, die plötzlich durch den Kopf wirbeln. Wie kommt man hier raus?
Verbale Attacken haben viele Gesichter
Nicht nur im Businesskontext, sondern auch im privaten Bereich wird kräftig ausgeteilt. Das Ziel dabei? „Die Position des Gegenübers zu schwächen“, erklärt Zeppezauer, die auch Führungskräfte auf wichtige Auftritte und Verhandlungen vorbereitet. Das Paradoxe daran? Jeder ist abwechselnd Täter, Opfer oder Retter. „Wir sind permanent mit Untergriffen konfrontiert, wobei man ja meistens glaubt, nur die anderen sind unfair.“ Als Beraterin und Coach kennt Zeppezauer die „unterschiedlichen Verpackungen von Angriffen“ aus klassischen beruflichen Situationen. „Der cholerische Vorgesetzte oder Kollege, der direkt, laut und respektlos attackiert, ist bekannt. Neben sexistischen Angriffen gibt es auch Relativierer oder in Scherze verpackte Angriffe. Als Betroffener muss man sich zuerst die Verpackung ansehen und schauen, wie stark einen diese Attacken treffen.“
Ein Beispiel für eine Aussage von Relativierern ist: „Das ist doch alles nicht so schlimm, da musst du dir halt eine dickere Haut zulegen.“ Subtile, fiese Angriffe in Form von Scherzen hält Zeppezauer für besonders gefährlich, da sie auf den ersten Blick oft nicht erkennbar sind. „Das sind dann Sätze wie: „Na, heute schon früher weg? Naja, macht nichts, bist ja dafür auch später gekommen grins .“ Das sind dann die witzigen, netten Kollegen, die Scherze auf Kosten anderer machen.“ Jeder habe unterschiedliche Angriffsflächen. „Den einen trifft so ein Witzchen gar nicht, dafür würde ihn ein Angriff auf seine Kompetenz wie „Das solltest du aber wissen“ oder „Haben Sie sich das überhaupt richtig angesehen?“ fertigmachen.“
Die Reaktionen darauf
Manchmal lacht man mit. ßber den Scherz, der einem kurz das Herz bluten lässt. Oder man schweigt, zu einer Bemerkung, die einen um einen halben Meter kleiner macht. Rechtfertigt sich wegen einer unfairen Attacke. Fährt die Krallen aus. Autsch. „Im Affekt fallen wir in die „Flight-or-fight-Reaktion“ also in Flucht oder Gegenangriff, und ärgern uns dann, wenn wir es nicht geschafft haben, die Schrecksekunde auszusitzen, um bewusster auf die Attacke reagieren zu können“, meint Zeppezauer. Es sei immer eine Frage des eigenen Verhaltenstypus, wie man auf Angriffe reagiere: „Wenn ich selbst ruhig und einfühlsam bin, dann ziehe ich mich nach einer Beleidigung eher zurück, wenn ich zum dominanten Verhaltenstypus gehöre, dann kann es schon sein, dass es mich einmal in der Faust juckt und ich verbal zurückschlage.“
Das prägendste Beispiel in ihrer eigenen Karriere? „Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn war ich einem patriarchalischen Chef unterstellt und wollte nebenbei ein Studium beginnen und bat um finanzielle Unterstützung. Ich saß ihm gegenüber, in seinem chaotisch-angekramten Büro, er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und sagte: „Die jungen Leute haben halt immer solche Flausen. Sie wollen studieren, anstatt ihren Job ordentlich zu machen.“ Zuerst war ich sprachlos, dann begann ich, mich zu rechtfertigen. Lange Zeit habe ich mich fürchterlich geärgert, dass ich nicht ordentlich gekontert habe“, so die Kommunikationstrainerin über ihr einschneidendes Erlebnis, das Anlass war, an diesem Thema dranzubleiben. „In so eine Verlegenheit werde ich nie wieder geraten“, schwor sie sich damals.
Raus aus der Hilflosigkeit
Aber wie beantwortet man Attacken, ohne sich auf das Niveau des Angreifers zu begeben? Oder anders gefragt: Wie hätte die Kommunikationsexpertin mit der heutigen Erfahrung auf den Angriff ihres damaligen Chefs reagiert? „Im ersten Schritt überlegt man sich genau, wie man in das Gespräch reingehen und wo es stattfinden soll“, erklärt Zeppezauer. Neutrale Orte wie Besprechungszimmer sollen gewählt werden, um auf Augenhöhe mit dem Gesprächspartner zu sein. „Dann kommt es auf die Körperhaltung und -sprache an: Wie betrete ich den Raum? Denn wir scannen automatisch jede Bewegung einer Person und definieren unbewusst, ob sie stärker ist als man selbst.“ Zu einer guten Körpersprache gehört neben einer aufrechten Haltung auch eine offene, helle Mimik. „Guter Blickkontakt und Aufmerksamkeit strahlen Selbstbewusstsein aus.“
Gepaart mit einer festen Stimme und ruhigen Atmung ist man auf verbale Attacken jederzeit gut vorbereitet. „Die Stimme ist ein riesiger Trigger, weil wir aus der Stimme herausfiltern können, wie sich die andere Person fühlt“, so Zeppezauer. Bei Aufregung sei die Stimme höher und man wirke dadurch kleiner und unsicherer. Was also tun? „Eine hohe, brüchige oder gar schrille Stimme versetzt einen in noch mehr Stress, da hilft nur noch einmal tief durchatmen, durch die Nase ausatmen und dann zu sprechen beginnen. Das macht die Stimme gleich viel tiefer und man signalisiert mehr Sicherheit und Kompetenz.“ So weit, so gut. Aufrecht und ruhig mit heller, offener Mimik. Doch was sage ich nun? „In meinem konkreten Fall hätte ich auf die Aussage: „Ihr jungen Leute habt ja alle Flausen im Kopf“ zumindest gleich mit „Wie meinen Sie das, wie kommen Sie darauf?“ nachfragen sollen, um mit einer Rückfrage in den Konter einzusteigen oder seinen Angriff mit etwa „Ganz im Gegenteil“, zu entkräften.“
Rückfragen als Kontereinstieg seien eine bewährte Methode, um sympathisch, aber trotzdem eng am Thema zu bleiben. „Wichtig ist immer, dass man nach einer Attacke zuerst durchatmet und dann reagiert. Und damit der anderen Person signalisiert, dass der Angriff registriert wurde.“ Das kann neben Rückfragen auch durch einen Kommentar wie „Das sehe ich nicht so“ geschehen. Eine weitere konkrete Technik ist die Zoomtechnik, die kritische Situationen deeskaliert, indem man einen Schritt zurückgeht. „“Schauen wir uns noch einmal gemeinsam an, worum es hier genau geht“ wäre etwa eine Reaktion aus der Zoomtechnik. Auch dabei gewinnt man an Zeit, um sich kurz überlegen zu können, wie man angemessen kontern kann“, so Zeppezauer.
Iris Zeppezauer, Geschäftsführerin, Sekunde Eins
Die ausgebildete Wirtschaftswissenschafterin, Kommunikations- und Verhaltensexpertin Iris Zeppezauer arbeitet seit mehr als zehn Jahren mit Persönlichkeiten, die ihre Meinung klar und wertschätzend transportieren müssen “ auch in unangenehmen Situationen. Seit drei Jahren führt sie ihre Unternehmensberatung Sekunde Eins.
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