Ein Ultra-Marathon der etwas anderen Art
Wer läuft schon freiwillig einen Ultra-Marathon? Dazu braucht es eine enorme Kondition, ausreichend Vorbereitung, gute Unterstützungsmechanismen und einen langen Atem. Dasselbe gilt für den Einsatz für Diversity, Equity und Inclusion in einem großen Konzern. Sandra Brandstetter, Geschäftsführerin der Energie AG Personalmanagement, und ihr DiversiTeam beweisen, dass sie der sportlichen Herausforderung gewachsen sind.
Der Lift hält im 14. Stock des Power Towers der Energie AG, Sandra Brandstetter empfängt uns mit einem Lächeln in ihrem Büro. Mitten am Tisch liegen bunte Folder, Post-its und Buttons mit dem Aufdruck „DiversiTeam“. Was es damit auf sich hat? Beim DiversiTeam handelt es sich um eine Gruppe aus fünfzehn Mitarbeitenden, verteilt über das gesamte Unternehmen, die seit ungefähr einem Jahr strukturierte Maßnahmen im Bereich Diversity, Equity und Inclusion (abgekürzt: DEI) setzen. Und zwar neben ihren Haupttätigkeiten. Fünf Handlungsfelder wurden definiert: Frauen, Kultur und Change, positive und inklusive Führung, Regionalität und Barrierefreiheit.
„Uns ist ganz wichtig, dass wir nicht nur von Diversity reden. Denn Diversity bedeutet ja nur Vielfalt. Wenn ich die ganzen vielfältigen Menschen in einzelne Käfige sperren würde, ist zwar jeder und jede für sich vielfältig, aber wir haben unser Ziel verfehlt. Deswegen spielen alle drei DEI-Begriffe bei uns eine große Rolle.“ Sandra Brandstetter, die den Personalbereich verantwortet, betont, dass es weder um Gleichheit noch um Gleichmachen gehe, sondern um Chancengleichheit. Sie selbst hatte sich mit dem Thema noch nicht ausreichend beschäftigt, bis die Umsetzung von konkreten Maßnahmen in ihren Aufgabenbereich überging. Sie stellte nach einiger Zeit fest: „Je mehr ich mich aktiv damit auseinandergesetzt habe, umso mehr Sinn habe ich darin gesehen.“
Sprache schafft Wirklichkeit
Nicht nur deshalb ist sie wohl die beste Wahl als Botschafterin für DEI im Unternehmen. Doch ohne ihr Team würde es bei Weitem nicht so gut funktionieren. Denn immer wieder stoßen sie gemeinsam auch auf Herausforderungen oder Widerstand in der Belegschaft. „Haben wir keine anderen Probleme?“, bekommen sie dann zu hören. „Es geht sehr viel um Bewusstseinsbildung, vor allem auch in der Führungsebene. Weiß man zum Beispiel, dass Bewerber mit ausländischen Namen um ein Zigfaches weniger zu Gesprächen eingeladen werden, spricht man die unbewussten Vorurteile an, die noch in unseren Köpfen herrschen.“ Sprache schafft Wirklichkeit, ist Brandstetter überzeugt. Werden in Stellenanzeigen nur Mitarbeiter gesucht, werden sich vor allem Männer bewerben. „Die Umsetzung von DEI ist kein Marathon, sie ist ein Ultra-Marathon. Sobald eine Maßnahme umgesetzt wurde, poppt schon die nächste Challenge auf.“ Der Vorstand und der Aufsichtsrat stehen jedoch von Anfang an hinter dem Team, die ursprüngliche Idee brachte CEO Leonhard Schitter vergangenen Jänner selbst ein. Dass ein Commitment auf oberster Führungsebene essenziell für das Gelingen ist, liegt nicht nur an der notwendigen finanziellen Unterstützung, sondern im Besonderen an Managemententscheidungen, wie der Besetzung von weiblichen Top-Führungskräften, deren Anzahl zuletzt von einer auf sieben Personen stieg.
DEI on tour
Brandstetter und ihr Team nutzten ihren gemeinsamen Elan und starteten eine DEI-Tour durch die gesamten Standorte des Unternehmens. Vor Ort sprechen sie mit Mitarbeitenden über die Relevanz der Maßnahmen, über Vorurteile, über Sensibilisierung und darüber, wie alle gut ins Team integriert werden können. Im Hauptsitz veranstalten sie regelmäßige Diversity-Cafés, bei denen die Belegschaft nach dem Mittagessen in dreiviertelstündigen Treffen die Möglichkeit hat, sich über Themen aus dem DEI-Umfeld zu informieren und zu diskutieren. Kürzlich wurde der gemietete Raum sogar schon zu klein, so groß war das Interesse. Als Anfang des Jahres eine DEI-Umfrage an 2.300 Mailadressen geschickt wurde, kamen innerhalb von drei Stunden 700 Rückmeldungen. Ein Beweis, dass der Themenkomplex bewegt.
Für sein Engagement wurde das DiversiTeam erst kürzlich bei den Minerva Awards in Wien ausgezeichnet und kam unter die Top 30 bei der Diversity Leaders Challenge. Ein großer Ansporn für Brandstetter und ihr Team: „Wir wollen noch besser werden und im nächsten Jahr eine Topplatzierung erreichen.“ Der Grundstein dafür ist auf jeden Fall schon gelegt.
Redaktion
Fotos
Robert Maybach