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Wie leben wir in Zukunft? Ein Ausblick, der Angst machen kann. Oder noch viel mehr Mut macht.

Wie leben wir in Zukunft? Ein Ausblick, der Angst machen kann. Oder noch viel mehr Mut macht.

Es ist noch nicht lang her, da haben wir uns alle „Ein gutes Neues Jahr!“ gewünscht. Aber wie gut wird dieses Jahr wirklich? Besser als die vergangenen beiden Jahre? Oder vielleicht (noch) schlimmer? Wir fragen Trend- und Zukunftsforscherin Christiane Varga, wie wir in Zukunft leben werden, wie sehr wir die Zukunft selbst in der Hand haben und welche Chancen die neuen Trends trotz Krise (oder auch durch die Krise) mit sich bringen.

Wie oft haben Sie heute schon an die Zukunft gedacht?

Christiane Varga: Spannend. Ich habe sicherlich schon sehr oft an die Zukunft gedacht heute. Warum? Weil das ein Prozess ist, der bei uns Menschen unbewusst stattfindet. Das fängt an mit der Überlegung: Brauche ich heute noch was vom Supermarkt? Geh ich hin oder versuche ich meinen Mann zu überzeugen? Das alles hat im Kleinen mit Zukunft zu tun. Unser Hirn ist eine Zukunftsmaschine und macht sich permanent Gedanken über die Zukunft. Bei keinen anderen Lebewesen ist das der Fall.

Wenn Sie heute mit dem Jahr 2032 gemeinsam am Frühstückstisch sitzen würden, worüber würden Sie mit ihm reden?

Christiane Varga: Auch eine sehr gute Frage. Ich würde zunächst mal ein bisschen warm werden und versuchen, es kennenzulernen. Ich würde ihm mit großer Neugierde gegenübersitzen und ihm mit offenen Augen und freundlichem Lächeln begegnen. Das ist nicht naiv gemeint, aber ich denke, wenn wir nicht allzu misstrauisch dem Morgen gegenüber stehen, hat das auch seine Wechselwirkung. Das ist wie bei unserer Haltung Menschen gegenüber – wenn wir jemandem positiv begegnen, wirken dann auch positive Aspekte auf uns zurück. Ja, und dann würde ich gern mit dem Jahr 2032 besprechen, was es so zu bieten hat, damit die Menschen in einer lebenswerten Umgebung leben und es fragen, was wir dafür gemeinsam tun können.

Wenn wir mal nur in die nahe Zukunft schauen: Was wird uns wohl dieses Jahr erwarten und vielleicht auch überraschen?

Christiane Varga: Mit der Pandemie haben wir es mit einer Dynamik zu tun, die relativ schwer prognostizierbar ist. Sie ist abhängig von unterschiedlichen Parametern. Deswegen haben wir ja so ein großes Problem damit. Wir können die Zukunft mit einem Mal überhaut nicht mehr planen, das versetzt uns in diese Unsicherheit. Bei manchen schlägt sich das in Aggressionen oder Fatalismus um. Der gemeinsame Nenner ist die Angst vor einer ungewissen Zukunft. Sich das bewusst zu machen, kann schon helfen als ersten Schritt. Im zweiten Schritt können wir uns überlegen: Welche Bereiche kann ich denn beeinflussen und positiv gestalten? Alles, was sich jetzt verändert, egal ob positiv oder negativ, macht Dinge sichtbar, mit denen sich die breite Masse bis jetzt nicht so auseinandergesetzt hat – das können politische Systeme sein, aber auch der Arbeitsbereich, vieles funktioniert nicht mehr wie zuvor. Alte Muster werden aufgebrochen und die sorgen für Leerstellen. Das verunsichert uns einerseits, gleichzeitig bedeutet das: Diese Leerstellen können wir mit neuen Ideen und Konzepten füllen. Ja, die Zukunft ist ungewiss, genau das bietet aber auch die Chance, sie mitzugestalten.

Welche Trends hat die Corona-Pandemie beschleunigt oder verstärkt?

Christiane Varga: Allen voran natürlich Homeoffie und Remote Work, auch für jene, die sich zuvor noch nicht damit beschäftigt haben. Das führt dazu, dass die Menschen mittel- und langfristig wieder in ländliche Regionen ziehen. Natürlich liegt das auch an den hohen Preise in den Städten. Ich sehe ländliche Regionen stark im Kommen. Früher hieß es, in der Stadt ist das große Hallo, da kommen immer die Innovationen her, aber das wird sich auch auf ländliche Regionen verlagern. Gleichzeitig gibt es immer mehr dörfliche Strukturen in der Stadt, auch das hat die Pandemie verstärkt. Das Umfeld wurde wieder wichtiger, das Grätzel hat wieder eine Bedeutung bekommen. Auch deshalb, weil es immer weniger klassische Familien gibt. Die Zukunft wird weniger linear als wir denken: Wir unterscheiden nicht mehr einfach zwischen Landei und kosmopolitische Städter – wir werden beides sein.

Und welche eigentlich schon auftretenden Trends hat die Pandemie gebremst oder gestoppt?

Christiane Varga: Alle Sachen, die mit Massenkonsum zu tun haben, alle Massenphänomene wie Massentourismus und Massenkonsum. Diese Dynamik wurde schon sehr gestoppt, weil immer mehr Menschen klar wurde, dass alles zusammenhängt. Und dass es etwa starke Auswirkungen hat, wenn ich ohne zu überlegen den Billigflieger buche oder permanent Kleidung konsumiere.

Die Welt ist also im Wandel. Kann man sich dagegen überhaupt wehren?

Christiane Varga: Nein, das geht nicht. Der Wandel ist etwas Lebendiges. Wandel ist Leben und Leben ist Wandel. So platt das klingt, aber das ist die Idee der Welt. Die Dinge haben sich immer schon gewandelt und ändern sich in jeder Minute. Man kann einen Fluss nicht stoppen oder zurückspulen. Und ich verstehe, dass gerade jetzt der Wunsch danach umso größer ist, weil die Leute zu recht überfordert sind. Gleichzeitig zur ungewissen Zukunft haben wir das Gefühl, dass alles schneller wird. Die Digitalisierung, der Informationsfluss, die Dynamik in unseren komplexen Welt bewirken, dass die Dinge viel schneller passieren. Das führt dazu, dass wir uns wieder die Vereinfachung wünschen. Aber das ist nicht möglich. Wir müssen es akzeptieren.

Wie fällt es uns leichter, diesen Wandel anzunehmen?

Christiane Varga: Wenn wir ihn akzpetieren, fällt es uns leichter, uns wirklich damit abzufinden. Das heißt auch, zu versuchen, in der Gegenwart zu sein, immer wieder. Und sich da quasi zu verankern und besonnen zu bleiben. Also nicht dauernd zu überlegen: Was wird in zehn Jahren sein? Sondern, was kann ich heute tun, um Schritt für Schritt in die Zukunft gehen? Weil das große Ganze zu verstehen, ist in einer so komplexen Welt nicht möglich.

Für viele ist aber auch die Gegenwart im Moment schwer zu ertragen. Der Wunsch nach einer besseren Zukunft ist groß.

Christiane Varga: Die Hoffnung ist die beste Freundin von der Zukunft. Wenn wir keine Hoffnung haben, wird es schwierig. Das sieht man bei depressiven Menschen, bei ihnen fehlt das Element Hoffnung, sie haben keine Idee von einem besseren Morgen. Nichts bringt sie mehr zum Aufstehen, sie werden handlungsunfähig. Um das zu verhindern, braucht es ein gewisses Grundvertrauen, Vertrauen ins Leben. Der religiöse Aspekt wird bei uns oft ausgeklammert, man schämt sich dafür. Aber wenn jemand an Gott oder woran auch immer glaubt, und dann daraus Hoffnung zieht, trägt ihn das immer durch die Gegenwart. Darin sehe ich auch die Verbindung zwischen Gegenwart und Zukunft. Dieser Glaube ist wie ein unsichtbares Band. Dadurch entsteht ein Möglichkeitsraum, in dem ich mich geleitet und geschützt fühle. Dann kann ich auch in eine Zukunft gehen, von der ich nicht weiß, wie sie sein wird.

Welche Trends werden in Zukunft kommen? Und was können wir jetzt schon machen, um diese als Chancen zu ergreifen?

Christiane Varga: Man kann sich erst mal anschauen, welche Megatrends es gibt – New Work, Urbanisierung, Individualisierung, Ökologie – und sich die Frage stellen: Was sind die großen Bereiche der Veränderung? Sich erst einmal eine Übersicht zu verschaffen, ist wichtig. Um dann zu entscheiden, welche Bereiche relevant für mich sind. Und Achtung: In scheinbar weniger relevanten Bereichen sind auch oft Schätze verborgen. Das Wichtigste dabei aus meiner Sicht: Sich über diese Themen auszutauschen. Denn je mehr ich mir alleine Gedanken über die Zukunft mache, desto schneller stoße ich an eine Wand. Viel besser daher: recherchieren, austauschen, beobachten, verschiedene Blickwinkel einholen. Sich mit der Zukunft auseinanderzusetzen ist ein nie endender Prozess, das macht sie auch so spannend und lebendig.

Blickt man als Zukunftsforscherin eigentlich mit mehr oder weniger Sorgen in die Zukunft als jemand, der sich kaum damit beschäftigt?

Christiane Varga: Eine Grundhoffnung braucht‘s immer aus meiner Sicht. Sonst macht das Ganze keinen Sinn, wir wollen ja, dass die Zukunft besser wird. Aber ich muss schon sagen, dass es mir jetzt zum ersten Mal im Laufe meiner beruflichen Laufbahn schwer fällt, ganz positiv in die Zukunft zu schauen – Stichwort Spaltung der Gesellschaft. Aber ich glaube, es ist auch Teil der Krise, dass vieles Negative hochkommt und wir da durchmüssen, im Sinne der Transformation. Das Alte passt nicht zum Neuen. Wir müssen uns neue Konzepte und Strukturen überlegen, die wieder stimmig sind. So etwas führt immer zu Chaos und unguten Dingen. Deswegen schau ich schon auch etwas betrübt auf die nahe Zukunft. Aber wir werden mittel- und langfristig da wieder rauskommen – mit neuen Konzepten und Strukturen in allen Bereichen wie etwa Politik und Gesellschaft.

Was wünschen Sie jenen Menschen, die sich schwer tun, positiv in die Zukunft zu blicken?

Christiane Varga: Denen wünsche ich, dass sie besonnen bleiben, weil das am Ende für sie selbst das Beste ist. Und dass sie sich mit anderen austauschen, um auch andere Meinungen einzuholen und so Ideen zu finden, wie sie im sinnvollen Bereich die Zukunft auch mitgestalten können. Komplette Passivität macht mutlos. Viel besser: selbst kleine Schritte gehen und sich bewusst machen, was man selbst in der Hand hat.

Varga Press

Zukunftsforscherin Christiane Varga über die Zukunft und wie wir ihr am besten begegnen können.