Warum reden jetzt alle über Longevity?
Longevity, was soll das überhaupt sein? Wieder so ein neuer Anti-Aging-Trend? Erstens: Es geht gar nicht um Anti-Aging, sondern eher um das Gegenteil: Langlebigkeit – möglichst lange fit sein und gesund altern. Und zweitens steckt mehr dahinter, als man im ersten Moment denken mag. Genau darüber reden wir mit zwei, die ihren Lebensstil auf Longevity ausgerichtet haben.
Richard König gießt sich großzügig Olivenöl über sein Spargelgericht und schmunzelt: „Meine Familie lacht schon darüber, weil ich das immer mache, auch bei Suppen oder Pizza.“ Er mache das wegen der Antioxidantien, die es enthält. Für gesunde Lebensführung interessiert sich der CoGründer und CEO der Saint Charles Apothecary schon lange – seit vor etwa zwei Jahren langsam das Thema Longevity auch in Europa aufkam, kippte er regelrecht rein. Und gibt aber gleich zu bedenken: „Ständig werden neue Erkenntnisse gewonnen, das überfordert auch viele. Schon allein im Bereich Ernährung hat man gar keinen Überblick mehr – von Keto- oder Paleo-Diät über vegan, vegetarisch bis hin zu Lebensmitteln, die einmal hochgejubelt und dann wieder verdammt werden.“ Das Wichtigste sei, für sich selbst herauszufinden, was einem guttut. Nur, weil es für jemanden im Bekanntenkreis funktioniert, bedeutet nicht, dass es auch für einen selbst ähnlich wirkt.
Mach, was DU willst
So habe Richard König etwa mit dem 16-zu8-Fasten wieder aufgehört. „Also 16 Stunden fasten und acht Stunden essen – das wurde ja extrem gehypt, eine Zeit lang hat das fast jeder gemacht. Bis vor Kurzem habe ich das auch einige Jahre gemacht. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich dadurch zu wenig Proteine zu mir nehme.“ Seither frühstückt er einen protein- und ballaststoffreichen Shake und trinkt ein Schlückchen vom Mikrobiom-Drink seiner eigenen Marke. Sein Morgen beginnt so gut wie immer um sechs Uhr, dann meditiert er erst einmal. Selbst am Wochenende schläft er nicht sehr viel länger, um einen möglichst konstanten Rhythmus einzuhalten.
Worauf wir (auf-)bauen können
Robert Höllwart sieht das genauso. „Natürlich ist es spannend, wenn an Substanzen geforscht wird, die unsere Langlebigkeit positiv beeinflussen. Aber wenn wir nicht mit der Basis beginnen, bringt das alles nichts.“ Der Gründer des Nahrungsergänzungsmittelherstellers Naturtheke vergleicht das gerne mit dem Hausbau: „Da fängt man auch nicht mit dem ersten Stock an, sondern mit dem Fundament.“ Das Fundament sei nun mal ein gesunder, bewusster Lebensstil – „also eine ausgewogene Ernährung, ausreichend Sport – ohne sich etwas zu verbieten, aber in Maßen zu genießen. Je mehr man sich daran hält, desto besser.“
Mit seinen 31 Jahren zählt Robert Höllwart zu jener Altersgruppe, die die Auswirkungen von Stress, wenig Bewegung und ungesunder Ernährung noch kaum zu spüren bekommt. „Aber die Rechnung bekommen wir spätestens in unseren 50er oder 60er Jahren – das ist dann die Quittung unserer Lebensweise in jungen Jahren. Was wir unserem Körper zufügen, wie wir ihn behandeln, das gibt er uns irgendwann zurück“, sagt er. Diese Rechnung mache sich dann zum Beispiel mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Insulinresistenz, Diabetes oder Schilddrüsenthemen bemerkbar. Er selbst achtet daher auch jetzt schon auf seinen Lebensstil. Vier- bis fünfmal pro Woche treibt er Sport – und zwar einen Mix aus Krafttraining und Ausdauersport. „Ich gehe regelmäßig laufen, mal schneller, mal lockerer.“ Ähnlich sportlich ist übrigens auch Richard König unterwegs: „Entweder fahre ich mit dem Fahrrad, in- oder outdoor, oder ich mache Körperübungen.“ Ein Fitnessstudio braucht er dazu nicht, zuhause hat er ein paar Hanteln, eine Klimmzugstange, Ringe an der Decke und er arbeitet viel mit Eigengewicht.
Gute Nacht!
Dass Schlaf einen immensen Einfluss auf die Art und Weise hat, wie wir altern, ist unumstritten. Wie viele Stunden Schlaf jemand brauche, müsse aber jeder selbst herausfinden. „Unter acht Stunden Schlaf funktioniere ich nicht“, weiß Richard König. Eine Schlafmaske und ab und zu ein Melatonin-Spray würden seinen Schlaf verbessern – das bestätigt auch seine Uhr, mit der er seine Nacht gerne trackt. Dem Zufall überlässt der Mitte-Fünfzig-Jährige seine Gesundheit also nicht. Und auch nicht irgendeiner angeblich zellverjüngenden Pille. „Bei Longevity denkt man primär an moderne Diagnostik und Supplements. Das sind auch alles tolle Dinge, aber im Prinzip geht es um den Lifestyle, also: Wie ernähre ich mich, wie bewege ich mich, wie schlafe ich, wie bewältige ich Stress und wie bin ich sozial eingegliedert?“ Die Verantwortung ans Longevity-Biohacking-Lab abgeben funktioniert also nicht.
Was fehlt uns denn?
Was die beiden Longevity-Anhänger noch gemeinsam haben: Sie lassen regelmäßig ein ausführliches Blutbild machen. Um zu schauen, wie ihr Körper mit Nährstoffen versorgt ist. Ein klassischer Blutbefund reiche dazu allerdings nicht aus. „Am besten ist, man misst alle Werte im Vollblut, dann kann man auch gleich feststellen, ob die Schilddrüse richtig arbeitet und wo man vielleicht Mängel hat“, erklärt Robert Höllwart. Einfach so mal eben jede Menge Mikronährstoffe einzuwerfen, sei wenig zielführend, weil jeder Körper unterschiedlich ticke. Basics wie Vitamin D3 und K2, Selen, Jod, Zink, Magnesium und Omega 3 würden aber die meisten Menschen brauchen. „Selbst mit ausgewogener Ernährung kann man das mit unseren heute verfügbaren Lebensmitteln meist nicht mehr abdecken.“
Apropos Lebensmittel. Von extremen Ernährungsformen rät Robert Höllwart unbedingt ab: „Viele probieren Ernährungsformen wie Low Carb oder High Protein – Extreme, die man nicht durchhält.“ Außerdem brauche der Körper alle drei Makronährstoffe: Eiweiße, Fette und Kohlenhydrate. „Auch deshalb, weil sie einen Einfluss auf den Hormonspiegel haben. Eiweiße haben vielleicht einen etwas höheren Stellenwert als Kohlenhydrate und Fette, weil sie einen größeren Einfluss auf die Zellstruktur haben – je älter man wird, desto mehr Proteine benötigt man. Etwa weil man im Alter Muskeln abbaut und die Hormonwerte sinken.“
Genießen: gesunde Lebensmittel. Und das Leben!
Richard König achtet daher auch bei seinem Mittagessen (das eher leicht ausfällt) und schließlich beim gemeinsamen Abendessen mit seiner Frau auf die ausgewogene Makronährstoffverteilung – wobei er rotes Fleisch fast komplett von seinem Speiseplan gestrichen habe. In seinem Freundeskreis würden immer mehr ähnlich wie er großes Interesse an gesunder Ernährung haben. Das Bewusstsein steigt tatsächlich, das zeigen auch viele Umfragen. Man könne das ein bisschen mit dem Thema Rauchen in den 60er oder 70er Jahren vergleichen: „Da gab es auch noch Leute, die der Meinung waren, das sei gar nicht schädlich; sogar manche Studien behaupteten, Rauchen könnte gar nicht schädlich sein. Wer weiß, wer diese Studien bezahlt hat“, sagt er und zwinkert. Ungefähr da stünden wir heute beim Thema Ernährung. Vielleicht kommt ja auch tatsächlich bald mal ein Werbeverbot für zuckerhaltige Nahrungsmittel.
Neben dem wichtigen Faktor der gesunden Ernährung spiele aber auch die mentale Gesundheit eine erhebliche Rolle in Sachen Longevity. Nicht nur ein voller Terminkalender kann Stress verursachen, sondern auch der Stress, sich gesund zu ernähren. Für Richard König ist daher klar: „Wenn am Wochenende die Lust auf Burger groß ist, dann gibt’s halt auch mal einen Burger.“_
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
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Robert König Media,
Chris Wiener