Vom Regional-Getränk zum globalen Durstlöscher
Der Brau Union Österreich ist es gelungen, den Radler neu zu erfinden, jeder zweite verkaufte Radler in Österreich ist einer der Marke „Gösser Naturradler“. Auch der Mutterkonzern Heineken wurde längst auf das erfolgreiche Produkt aufmerksam. In der Konzern-Zentrale in Amsterdam gibt es ein eigenes Radler-Team, das österreichische Konzept wird in die ganze Welt exportiert.
München an einem heißen Sommertag 1922. Das Wetter ist schön, die Gäste zahlreich und durstig. Zu durstig. Einer Ausflugsgaststätte droht langsam aber sicher, das Bier auszugehen. Der Wirt beschließt, es im Verhältnis 50:50 mit Limonade zu mischen, um alle Besucher mit ausreichend alkoholhaltigen Getränken versorgen zu können. So wurde der Radler erfunden – besagt zumindest eine deutsche Legende. Die Idee setzt sich schnell durch, jahrzehntelang werden die Getränke selbst gemischt, bis schließlich vor etwa 20 Jahren die ersten vorgefertigten Radler auf den Markt kommen. „Die waren aber von der Rezeptur einfach gestrickt und mit künstlichen Süßstoffen versetzt“, erinnert sich Andreas Stieber, Marketinggeschäftsführer der Brau Union. Dem Braukonzern gelingt dann 2007 der Durchbruch: 40 Prozent Bier, 60 Prozent Limonade und keine künstlichen Süßungsmittel für doppelte Erfrischung. Der Mutterkonzern Heineken ehrt das neue Produkt gleich im ersten Jahr mit einem Innovations- Award. Stieber spricht von der „Neuerfindung“ des Radlers – in den traditionellen Biermarkt kommt Bewegung.
Wandel beim Trinkverhalten
Die Neuerfindung kommt genau zur richtigen Zeit für die Branche. Egal ob auf der Baustelle, in der Fertigungs- halle oder im Büro: Ein oder gleich mehrere Biere neben der Arbeit wa- ren früher nicht allzu ungewöhnlich. Mittlerweile hat sich das geändert, in den meisten Unternehmen gibt es ein striktes Alkoholverbot, Bier verliert tagsüber an Relevanz. Europaweit sinkt der Bierkonsum, österreichweit stagniert er. „Wir haben uns damit beschäftigt, welche Alternativen wir anbieten können, die für den Konsumenten tagsüber interessant sind“, sagt Stieber. Nach einer Anlaufphase schlägt das neue Produkt voll ein, heute ist jeder zweite verkaufte Radler in Österreich ein „Gösser NaturRadler“. Es sei damals gelungen, die Zielgruppe zu erweitern. Stieber: „Wir haben mehr Frauen angesprochen, mehr jüngere Konsumenten – das war ein Startschuss für die Weiterentwicklung des Radlers wie man ihn heute kennt“.
Konzept weltweit umgesetzt
Als erstes erkennen die Kollegen in Ungarn das Potential des Radlers. „2009 haben sie das Produkt unter dem Namen Natur-Zitrone auf den Markt gebracht“, sagt Andrea Brandt, die sich als Innovationsmanagerin im Unternehmen um die Entwicklung von neuen Produkten kümmert. Schnell stellt sich heraus, dass der „Radler“ nicht nur in Deutschland und Österreich funktioniert, auch in Kroatien und der Slowakei wird das Konzept mit der regionalen Hauptbiermarke sofort gut angenommen. „Das war der Startschuss für Heineken, sich global und intensiv mit dem Thema zu beschäftigen“, sagt Brandt. In Amsterdam wird ein eigenes Radler-Team gebildet, das sich damit beschäftigt, wie das Produkt international ähnlich erfolgreich wie in Österreich werden kann.
„Wir haben uns damit beschäftigt, welche Alternativen wir anbieten können, die für den Konsumenten tagsüber interessant sind“
Andreas Stieber
Das ist gelungen: Mittlerweile wurde das Konzept des Gösser- Radlers auf allen Kontinenten weltweit und in mehr als 35 Ländern umgesetzt. Im Kongo wird Primus-Radler getrunken, in den Niederlanden Amstel-Radler, in Portugal der Sagres-Radler. Bei der Weiterentwicklung war man in Linz stark involviert, durch die heimische Erfolgsgeschichte konnte international Überzeugungsarbeit geleistet werden. In der großen Welt des Mutterkonzerns Heineken wird anerkannt, dass der Radler, der nun die Welt erobert, in Österreich erfunden wurde. Dafür gibt es Schulterklopfen und Respekt, auch die Reputation der Brau Union im Gesamtkonzern ist gestiegen, erzählt Stieber.
In Österreich liegt der Anteil des Radlers am Biermarkt momentan bei etwa acht Prozent. Auch wenn es wie bei anderen Erfrischungsgetränken saisonale Schwankungen gibt, ist der Gösser-Radler bereits ein Selbstläufer, sagt Brandt. „Mittlerweile ist er zu einem ganzjährigen Produkt geworden, das Bier auch für neue Konsumenten interessant macht.“ Derzeit versucht man, weitere geschmackvolle Alternativen zu Getränken gegen den Durst zu etablieren, wie etwa das alkoholfreie Gösser Kracherl. Wer weiß, vielleicht gibt es bald weitere oberösterreichische Getränke, die sich global durchsetzen – denn auch Heineken ist schon auf die neuesten Innovationen aus Linz gespannt._
„Der Gösser-Radler ist mittlerweile zu einem ganzjährigen Produkt geworden, das Bier auch für neue Konsumenten interessant macht“
Andrea Brandt
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