Vollgas in die Zukunft
Die Autobranche steht vor gravierenden Veränderungen. Digitalisierung, Industrie 4.0 und alternative Antriebskonzepte sind die großen Themen, denen sich die Betriebe des automotiven Sektors jetzt stellen müssen. Der Zulieferkonzern Miba macht dies mit einer klaren Digitalisierungsstrategie. Vorstandsvorsitzender Mitterbauer über die dabei auftretenden Herausforderungen und was das Unternehmen bald mit Google und Facebook gemeinsam hat.
Gleitlager sind ein sehr lebenskritischer Teil in einem Motor und können einen Motorschaden verursachen, wenn die Lebensdauer überschritten wird. Passiert das etwa bei einem Containerschiff auf dem offenen Meer, sind die Reparaturkosten enorm. Wenn man das Lager aber noch vor dem Ende seiner Lebensdauer und damit zu früh auswechselt, werden ebenso unnötige Kosten verursacht. Digitalisierung und Industrie 4.0 bieten genau da Chancen, spricht F. Peter Mitterbauer, Vorstandsvorsitzender der Miba AG, über ein aktuelles Forschungsprojekt. Dabei versuche man, einen Sensor einzubauen, der rechtzeitig über das bevorstehende Ende der Lebensdauer informiert. Die Miba bezeichnet solche, mit Sensoren ausgestattete Komponenten, als „intelligent components“. Einen ähnlichen Mehrwert möchte der Zulieferer der Motoren- und Fahrzeugindustrie für Kunden auch bei Reibbelägen anbieten: Ein Sensor soll Rückmeldung zur Reibung geben. Die Forschungsprojekte, mit denen man Mehrwert für die Kunden generieren möchte und die somit nach außen gerichtet sind, gehören zur ersten Säule der Digitalisierungsstrategie des weltweit tätigen Konzerns. In der zweiten Säule geht es um die Verbesserung der internen Wertschöpfung. Als Stichwörter nennt Mitterbauer, der das Familienunternehmen mit Sitz in Laakirchen in dritter Generation führt, Logistik und papierlose Fabrik: „Wir haben ein größeres Intralogistikprojekt mit der Vision, dass in unseren Werken einmal keine Gabelstapler mehr herumfahren und weniger bis keine Papiere zur Dokumentation mehr notwendig sind, weil die Waren über mehrere Produktionsschritte hinweg digital verfolgt werden.“ Bei dieser Aussage drängt sich das Bild von menschenleeren Fabrikshallen auf, von dem oft bei Studien über mögliche Jobverluste wegen Industrie 4.0 die Rede ist. Dazu Mitterbauer: „Es ist noch völlig unklar, wie schnell die Vision Realität wird. Wenn es zu einer Umsetzung kommt, werden wir die Mitarbeiter aber für andere Tätigkeiten brauchen.“ Die Ausbildung und Weiterbildung von Mitarbeitern sei deshalb eine der großen Herausforderungen bei den aktuellen Veränderungen. Der Geschäftsführer fordert daher auch von der Regierung, neben einem Sparprogramm in Aus- und Weiterbildung zu investieren.
In der Miba brauche man neben den bereits aktuell besetzten Bereichen Maschinenbau, Materialkunde oder Werkstoffwissenschaften zukünftig Elektroniker, Physiker, Chemiker und vor allem Informatiker. „Wir brauchen – im positiven Sinne gemeint – Data Nerds, die aus Millionen von Daten Informationen gewinnen können“, erklärt Mitterbauer, dass man auf der Suche nach andersdenkenden Leuten für Lösungen in neuen Themenfeldern sei. Es fehle in der Öffentlichkeit noch das Bewusstsein, dass es für Personen mit solchen Jobprofilen zukünftig auch spannende Arbeitsplätze in der Industrie geben werde.
Wachstumspläne
Die Miba beschäftigt aktuell an 22 Produktionsstandorten in weltweit elf Ländern knapp 5.400 Mitarbeiter – etwa 40 Prozent davon arbeiten in Österreich. Zur Gruppe gehören die sechs Produktgruppen Sinterformteile, Gleitlager, Reibbeläge, Beschichtungen, Sondermaschinen und Leistungselektronik. In den vergangenen fünf Jahren wurden rund 2.500 neue Leute aufgenommen – circa 500 davon in Österreich. Diese Zahl zeige laut Mitterbauer trotz oft gegenteiliger Aussagen über den Standort Österreich, die hier herrschende Sicherheit und Stabilität. Natürlich brauche die Miba daneben auch internationales Wachstum: „Die Kombination macht es aus.“ In den nächsten Jahren werde der Konzern aufgrund der prozentuell höheren Nachfrage in Nordamerika und China stärker wachsen als in Europa. Der Konzern ist auch auf der Suche nach möglichen Zukäufen: „Wir machen das sehr strukturiert.“ Die Firmen müssen in einem strategisch attraktiven Bereich tätig sein und den „Miba-Fit“ haben. „Dazu gehört etwas Produzierendes, das mit Technologie zu tun hat“, erklärt Mitterbauer. Besonders der Bereich der neuen Energien sei für den Konzern interessant.
Ein Beispiel für eine bereits neu gefundene Produktgruppe sei die Leistungselektronik, die vor sechs Jahren durch die Übernahme von zwei Firmen in der Steiermark zur Miba-Gruppe dazugekommen ist. „Diese Produkte haben eigentlich nichts mit unserem ursprünglichen Geschäftsfeld zu tun, sind aber kritische Komponenten für die Anwendungsfelder bei unseren Kunden“, erklärt Mitterbauer, dass dort etwa Kühlsysteme und Widerstände produziert werden. Ein Abnehmer der Widerstände sei zum Beispiel ein großer chinesischer Produzent von reinen Batteriefahrzeugen und Hybrid-Autos.
Aktuell werden rund 46 Prozent des Umsatzes in der Automobilbranche und der Rest in der Investitionsgüterindustrie mit Lkw, Zügen, Schiffen, Kraftwerken und Land- und Baumaschinen gemacht. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, wolle man einen Mix der Umsätze von jeweils der Hälfte erreichen. Der „totale Umbruch“ in der Automobilindustrie bereitet dem Unternehmer „nicht wirklich“ Sorgen: „Wir sind nicht im Dornröschenschlaf. Wir wissen, was wir gut können und diese Chancen nutzen wir.“ Um auf neue Entwicklungen aufmerksam zu werden, sitze man frühzeitig in den Entwicklungsküchen der Kunden, höre ihnen zu, stelle Fragen und versuche dafür Lösungen zu entwickeln und zu produzieren. Dabei besinne man sich auf die eigenen Kernkompetenzen und schaue, wie man diese in neuen Feldern anwenden könne. Da es im Arbeitsalltag dafür oft nicht genug Zeit gebe, wurde zum Aufspüren neuer Themen etwa in der Reibbeläge-Gruppe die Einheit „Disruptive Innovation“ mit bestehenden und neuen, externen Mitarbeitern gebildet.
Antworten für übermorgen
Die konventionellen Verbrennungsmotoren werde es laut Mitterbauer noch Jahrzehnte geben – auch wenn sie prozentuell weniger werden. Die alternativen Antriebskonzepte seien in den Entwicklungsabteilungen bereits Realität. Der Bereich Hybridisierung komme der Miba zu Gute: „Wir sind da sehr nahe bei den Kunden und können spezielle technische Lösungen entwickeln und anbieten.“ Die von der Miba produzierten Teile befinden sich auch in einem Bereich des Motors, der tendenziell gleich gebaut werde. Und wenn es darum gehe, Motoren effizienter und kleiner auszulegen, werden diese komplexer und es werden tendenziell sogar mehr Sinterteile benötigt. Für reine Batteriefahrzeuge habe man interessante Produkte wie etwa Getriebekomponenten oder Widerstände für die Batterie im Produktportfolio.
„Um das Unternehmen langfristig fit zu halten, beschäftigen wir uns jetzt damit, Antworten für übermorgen zu finden“, sagt Mitterbauer. Dazu gehört auch die betriebliche Krabbelstube, die 2014 eröffnet und mittlerweile auf 24 Plätze verdoppelt wurde und die Mitarbeiter bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützt (näheres zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Wirtschaft auf Seite 108). Eine weitere wichtige Maßnahme, um mit Vollgas in die Zukunft zu fahren ist auch der aktuelle Bau eines neuen Headquarters um 8,5 Millionen Euro am Stammsitz in Laakirchen. Das „Miba Forum“ soll im Frühjahr 2017 zum 90. Geburtstag des Unternehmens eröffnet werden. Das Gebäude ist einem Vierkanthof nachempfunden, erklärt Mitterbauer: „Wir haben etwas gesucht, das in die Gegend passt und Tradition mit Moderne verbindet.“ Der Name „Forum“ wurde gewählt, weil es ein „Ort der Begegnung und des gemeinsamen Arbeitens“ werden soll. Auf 4.000 Quadratmetern gibt es neben Büros, Konferenz- und Schulungsräumen auch Kreativräume für Forscher und Entwickler. Es sollen Mitarbeiter von internationalen Standorten, sowie Kunden und Lieferanten die Möglichkeit bekommen, im Miba Forum an Projekten zu arbeiten und die Zukunft zu gestalten. Neues, tätigkeitsorientiertes Arbeiten wie man es von den „klassischen Facebooks und Googles dieser Welt“ kennt, soll somit auch bei einem Industriebetrieb in Laakirchen einziehen._
Vorbild Miba
Josef Kurzmann war über 30 Jahre lang in Führungspositionen bei international tätigen Unternehmen, zuletzt Chef der über 6.000 Mitarbeiter der Schalungstechnik-Firma Doka und Vorstandsmitglied der Umdasch AG.
Nun bietet Kurzmann als Investor und Advisor mit seinem Unternehmen „Josef Kurzmann Beteiligung GmbH“ (JKB) Familienunternehmen aus Mittelstand und Industrie im neuen Umfeld von Wirtschaft 4.0 Sparring-Partnerschaften. Der 52-Jährige Unternehmer analysiert für uns Vorzeigeunternehmen, um aufzuzeigen, welches Innovations- und Wachstumspotential in vielen mittelständischen Betrieben steckt.
Der Zulieferkonzern Miba ist laut Aussage vom Vorstandsvorsitzenden F. Peter Mitterbauer mitten drinnen im Thema Digitalisierung und Industrie 4.0. Was können sich andere Unternehmen davon abschauen?
KurzmannMitterbauer rät zu einem pragmatischen Zugang beim Thema Digitalisierung und Industrie 4.0 und macht das selbst, indem er sehr bedarfs- und nutzenorientiert vorgeht. Sich mit neuen Kunden in den gleichen Raum zu setzen, um zu erfahren, wo es Chancen für neue Themen und Produkte gibt, ist genau der richtige Zugang. Es ist notwendig, eine Digitalisierungsstrategie zu entwickeln, weil die Wirtschaft 4.0 wesentliche und disruptive Veränderungen bringt. Denn, was in der Strategie nicht gesetzt ist, kann operativ nicht wachsen. Die von Mitterbauer angesprochene selbstorganisierte, papierlose Fabrik bringt Betrieben im produzierenden und organisatorischen Bereich Möglichkeiten, ihre Fertigungskosten zu reduzieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit weiterzuentwickeln.
Welche wichtigen Bereiche spricht F. Peter Mitterbauer an, um den aktuellen Veränderungen am Markt standhalten zu können?
KurzmannEin ganz wesentlicher Bereich ist das lebenslange Lernen – es wird für alle Unternehmen immer wichtiger. Die Umqualifizierung von bestehenden Mitarbeitern hat den Vorteil, dass diese die Firma bereits kennen und es daher einfacher als ein neues Recruiting ist. Für den Bereich Organisation und neue Arbeitsweisen werden auch Akzente durch den Bau des neuen Miba Forum gesetzt. Weiters ist das neue Headquarter ein starker Impuls für das Image des Unternehmens.
Im Zuge der Wirtschaft 4.0 müssen Geschäftsmodelle verändert und angepasst werden.
KurzmannEs ist eine große Herausforderung für Automobilzulieferer, ihr Geschäftsmodell unter Berücksichtigung ihrer Kernkompetenzen rechtzeitig zu adaptieren und in neue datengetriebene Produkt- und Dienstleistungsangebote zu transformieren. Unternehmen müssen neue Nutzenebenen für ihre Märkte finden und Voraussetzungen schaffen, um dort wettbewerbsfähig zu werden. Daneben dürfen sie das bestehende Kerngeschäft nicht vernachlässigen, denn da gibt es beim Marktanteil nach oben meist noch einen Spielraum. Kapital ist immer eine limitierte Ressource und bei Veränderungsprozessen ist die große Schwierigkeit, das Kapital rechtzeitig in die neue Wirtschaftswelt zu investieren und nicht zu lange nach dem alten Muster weiter zu investieren. Die Miba hat in Form von Forschungsprojekten rechtzeitig begonnen, in das zukünftige Geschäft zu investieren. Man macht sich Gedanken zur Steigerung der Innovationskraft und lässt dabei auch unübliche Ideen mit der Kreativeinheit „Disruptive Innovation“ zu. Dadurch werden Start-up-ähnliche Innovationsräume geschaffen und die braucht es auch, weil es in der Automobilbranche nicht nur evolutionäre, sondern auch revolutionäre Veränderungen geben wird.
Die automatisierte Fabrik der Zukunft
Das Werkstück wird an einem Ende der Produktionshalle in die Fertigung entlassen, kommt am anderen Ende fertig produziert nach den Wünschen der Kunden wieder raus. Es sucht sich selbständig den Weg durch die Halle, erkennt welche Maschinen ausgelastet sind.
Das ist die Idee eines Kernstückes von Industrie 4.0, der „Factory“ – der intelligenten Fabrik, wo sich Fertigungsanlagen und Logistiksysteme weitgehend ohne menschliche Eingriffe selbst organisieren. „Was vor wenigen Jahren noch sehr visionär geklungen hat, ist mit heutiger Technik bereits umsetzbar“, sagt Reinhard Nagler, Sales Manager von Kuka Roboter CEE mit Sitz in Linz. Der deutsche Roboter- und Anlagenbauer mit weltweit über 12.000 Mitarbeitern gilt als Vorreiter in der Robotik und Automationstechnologie. Als aktuelle Herausforderungen für die Umsetzung der Fabrik der Zukunft nennt Nagler die Standardisierung der Kommunikation zwischen vorhandenen Maschinen und den Umgang mit der riesigen Datenmenge – Stichwort Big Data. Kuka sei Mitglied in allen maßgeblichen internationalen Interessensvertretungen und Gremien um die Standardisierung voranzutreiben und hat sich am Silicon-Valley-Start-up Nebbiolo Technologies beteiligt, das als Pionier in Sachen Fog Computing gilt. Diese Technologie ist essentiell für das Datenhandling. Kuka ist im Zusammenhang mit Industrie 4.0 auch stark im Bereich Sensitive Robotik aktiv und hat mit dem „LBR iiwa“ den ersten industrietauglichen sensitiven Roboter im Programm. In den nächsten Jahren werde es im Bereich Robotik erhebliche Weiterentwicklungen geben – so soll etwa die Bedienung wesentlich einfacher werden. „Es werden nach und nach die fehlenden Puzzlesteine ergänzt“, so Nagler über den Fortschritt im Bereich Industrie 4.0 bei Kuka. Den steinigen Weg habe man aber schon geschafft: „Das Ziel ist in Reichweite.“_
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