„Die Zukunft gehört den Gründer:innen“
Wie würden Sie Ihren eigenen Job „pitchen“, wenn Sie vor einer Investorenrunde stünden?
Mayra Frank: Google wurde selbst vor 23 Jahren als kleines Startup in einer Garage im Silicon Valley gegründet, was den beiden Gründern damals einen einzigartigen Zugang zu einem reichhaltigen Ökosystem bestehend aus Unternehmer:innen, Investor:innen sowie weltweit führenden Bildungseinrichtungen und Expert:innen gab. Wir sehen an diesem Beispiel wie Magie entsteht, wenn diese Voraussetzungen auf eine wegweisende Idee, Gründergeist und Entschlossenheit treffen. Leider findet man solch einzigartige Bedingungen auf der Welt nur selten vor. Wir befinden uns heute mit Google in der privilegierten Position, dies ein Stück weit replizieren zu können und mit all den Ressourcen, dem Know-how sowie dem geballten Netzwerk von Google einen Beitrag zu leisten und damit den vielen Gründer:innen zu helfen, die sich noch am Anfang ihrer Reise befinden.
Welche Aufgaben und Ziele verfolgen Sie gemeinsam mit Ihrem Team?
Mayra Frank: Die Aufgabe meines Teams ist es, eine Plattform zwischen Google und dem Startup-Ökosystem zu schaffen, um die Magie an anderen Orten der Welt entstehen zu lassen und eine inklusive und diverse Startup-Szene mitzugestalten. Denn ultimativ ist ein gesundes, wachsendes und vielfältiges digitales Ökosystem nicht nur gut für Google, sondern auch Voraussetzung für Innovation, Fortschritt und wirtschaftliches Wachstum.
Wie schätzen Sie die momentane Lage der Startup-Szene im deutschsprachigen Raum ein?
Mayra Frank: Nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie und durch den aktuellen Krieg in der Ukraine ist die Lage natürlich zunächst einmal für alle Unternehmer:innen extrem unsicher und angespannt. Die Auswirkungen werden wir erst in einiger Zeit vollends erfassen. Unabhängig davon, befinden wir uns grundsätzlich in einer sehr spannenden Zeit für Startups. Es ist momentan so viel Kapital verfügbar wie noch nie – das Gesamtvolumen an Investitionen hat sich im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt und es zeichnet sich trotz der aktuellen Situation keine Abschwächung ab.
Laut Female Founders Monitor sind Frauen bei Startup-Gründungen nach wie vor besonders unterrepräsentiert. Wie kann das besser werden?
Mayra Frank: Zurzeit wird ein enormes Potential – nämlich das der Frauen in der Startup-Szene – kaum bis überhaupt nicht ausgeschöpft. Dabei gründen Frauen tendenziell in enorm wichtigen Bereichen, wie im Gesundheitswesen, Nachhaltigkeit oder Bildung. Allesamt Themen, deren enormer Stellenwert uns durch die Corona-Pandemie einmal mehr vor Augen geführt wurde und wo es noch viel Bedarf für innovative, nachhaltige und digitale Lösungen gibt. Durch die Mobilisierung von mehr Gründerinnen könnten wir eine deutlich höhere Wertschöpfung erreichen. Zudem bringen Frauen eine einzigartige Perspektive auf Produkte, durch die Sie unter anderem mit Produkten und Dienstleistungen gezielt neue Kundinnen ansprechen können. Das hätte bei einem Frauenanteil von 50 Prozent in der Gesellschaft langfristig auch einen hohen volkswirtschaftlichen Wert.
Vor welchen Herausforderungen stehen junge Gründer:innen heutzutage am häufigsten?
Mayra Frank: Die Herausforderungen für Frauen in der Startup-Szene sind vielfältig. Neben vielen kulturellen Hürden sind es vor allem strukturelle Faktoren, die es Gründerinnen noch immer schwer machen. Nach wie vor sehen sich viele von ihnen mit antiquierten Geschlechterstereotypen konfrontiert und sind oftmals leider durch eine klassische Rollenverteilung noch immer klar im Nachteil. Der Female Founders Monitor hat zum Beispiel gezeigt, wie ungleich familiäre Aufgaben auch heute noch im Startup-Bereich zwischen Frauen und Männern verteilt werden. Diese Situation hat sich leider durch die Corona-Pandemie noch verstärkt und wir wurden hier regelrecht zurückgeworfen. Hohe Erwartungshaltungen gehen hier oft mit einer zuweilen größeren Doppelbelastung einher.
Wie sorgt man in der Praxis für mehr Gleichheit?
Mayra Frank: Paritätischere Elternzeitmodelle, eine bessere Kinderbetreuung sowie die Abschaffung steuerlicher Fehlanreize könnten hier wichtige Impulse setzen. Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für Startups ist der Zugang zu Wagniskapital. Gleichzeitig belegen Studien, dass die meist männlichen Investoren nur einen Bruchteil, nämlich erschreckende ein Prozent des verfügbaren Kapitals in Europa, in frauengeführte Unternehmen investieren. Die Investor:innen-Szene muss hier unbedingt offener für Investitionen in weiblich geführte Startups werden und wir brauchen mehr Frauen auf Investorenseite. Nicht zuletzt bedarf es vielfältiger Vorbilder und Erfolgsgeschichten aus der Gründerinnenszene, um vorherrschenden Stereotypen entgegenzuwirken und das Gründen bereits im jungen Alter für Mädchen und junge Frauen zu einem erstrebenswerten, aber auch erreichbaren Ziel zu machen.
Wie unterstützen Sie diese konkret?
Mayra Frank: Mein Team setzt sich seit Jahren für Gründerinnen ein. Der Fokus unserer Arbeit liegt dabei darauf, sie in entscheidenden Phasen ihrer Entwicklung weiterzubringen, sie zu fördern und miteinander zu vernetzen. Über eine Vielzahl von Programmen und Initiativen stellen wir Ressourcen und Best Practices von Google bereit und schaffen damit eine Plattform für Gründerinnen, um ihre Startups weiterzuentwickeln und zuwachsen. Die Startup-Branche ist stark geprägt von Beziehungen und Netzwerken,persönliche Vorstellungen und Empfehlungen sind hier entscheidend. Daher legen wir auch einen großen Schwerpunkt auf die Bildung von Netzwerken und mobilisieren gezielt unser globales Google Netzwerk an etablierten Startup Organisationen, Expert:innen und Investor:innen.
Auf welche Erfolge können Sie dabei schon heute zurückblicken?
Mayra Frank: Mittlerweile zählen über 50 Gründerinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu unserem Google for Startups Alumni-Netzwerk. Ich bin stolz darauf, sie auf der Reise ein Stück begleiten zu dürfen. Unser Team unterstützt die meisten davon bereits seit vielen Jahren. Allein im Jahr 2021 konnten sich unsere Alumnus Investitionen in Millionenhöhe sichern, etwa Jenny von Podewils, die mit ihrem Startup Leapsome kürzlich 60 Millionen US-Dollar einsammeln konnte. Für uns ist es dabei besonders wichtig, unsere Reichweite zu nutzen, um all diesen starken Gründerinnen eine Plattform und mehr Sichtbarkeit zu geben, um damit möglichst viele angehende Gründerinnen zu inspirieren und die Szene weiblicher zu machen.
Inwiefern ist die Google Growth Academy ein Katalysator speziell für digitale Unternehmen?
Mayra Frank: Als achtwöchiges Programm für Startups, die sich in der Wachstumsphase befinden, bietet es Startups Coaching und Schulungen zu ihrer Wachstumsstrategie und Zugang zu Google-Expert:innen an. Das Programm richtet sich an Startups mit etabliertem Product-Market-Fit und mindestens einem Founder im Team, der bereit ist, die Nutzer- oder Kundenbasis zu skalieren und zu erweitern. Die Teilnehmer:innen arbeiten an konkreten OKRs („Objectives und Key Results”) auf Basis des bekannten Google-Frameworks. Für die Dauer des Programms werden sie mit engagierten Wachstumsexpert:innen vernetzt und lernen in einer Reihe an Workshops alles über ergebnisorientierte Wachstumsstrategien. Ein wesentlicher Bestandteil des Programms sind unsere „Founder Fridays“, wöchentliche Standups, in denen die Kohorte zusammenkommt, um ihre Höhen, Tiefen und Herausforderungen zu besprechen. Der Austausch auf Augenhöhe in einer offenen und ehrlichen Umgebung ist für viele Gründer:innen ein bereichernder Bestandteil des Programms.
Welche Kriterien sind für Sie ausschlaggebend, damit Sie von einer Business-Idee überzeugt sind?
Mayra Frank: Ich betrachte Startups und ihre Businessideen immer so ganzheitlich wie möglich. Bevor mein Team und ich Gründer:innen zu einem unserer Programme einladen, schauen wir ganz traditionell auf die „harten”KPIs, das sind Kennzahlen so wie Monthly Recurring Revenues, was den monatlich wiederkehrenden Umsatz beschreibt, die Höhe des Fundings, die das Startup bereits eingesammelt hat oder auch das kommerzielle Potential der Businessidee. Wichtig ist ebenso, dass das Startup ein echtes Problem löst und wir uns mit der Vision identifizieren. Am entscheidendsten ist jedoch ohne Frage das Gründerteam, also die Personen, die hinter der Idee stehen und die diese implementieren werden. Die beste Idee hat wenig Wert, wenn die Umsetzung mittelmäßig ist, weshalb wir uns erst persönlich kennenlernen, bevor wir zusammenarbeiten. Wir haben wahnsinnig tolle Persönlichkeiten in unseren Programmen, bei denen ich mir sicher bin, dass sie ihren Weg gehen werden.
Auf welche spannende Innovationen dürfen wir uns in Zukunft außerdem noch freuen?
Mayra Frank: Da gibt es viele. Unsere diesjährige Growth Academy hat fantastische Startups in diversen spannenden und innovativen Bereichen begleitet. Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr stark am wachsen – beispielsweise entwickelt Atmo Home umweltfreundliche, nachhaltige Haushaltsreiniger in dekorativen Flaschen. Eine tolle Alternative zu den oft giftigen Chemikalien. Weiterhin bin ich ein großer Fan von Formel Skin, die eine Plattform für personalisierte Hautpflege entwickelt haben. So werden echte Hautprobleme von Kund:innen durch den Einsatz von smarter Technologie und Know-How von Dermatologen gelöst. Und FinMarie erleichtert Frauen das Investieren. Ich könnte an dieser Stelle noch viele weitere Beispiele nennen, aber das würde definitiv den Rahmen dieses Interviews sprengen. Und das ist gut so, denn die Zukunft gehört den Gründer:innen.
Gedankensprung mit Mayra Frank
Mein bester Ratschlag für junge Gründer:innen_ Hab keine Angst davor zu scheitern!
Der perfekte Pitch_ wird besser, je öfter gepitcht wird.
Weibliche Gründerinnen_ sind gekommen, um zu bleiben.
Meine letzte Google-Suchanfrage_ „Choco wird Unicorn”
Das zeichnet Startups aus_ Sie gestalten die Welt von morgen.
Nachhaltiges Wachstum_ ist cool.
Wir brauchen mehr Investorinnen für mehr Erfolgsgeschichten von Gründerinnen.
Mayra Frank, Leiterin Google Startups im DACH-Raum