
Die Entdeckerin der Achtsamkeit
Eigentlich war es doch immer ganz einfach: eine Rezeption, ein Bett und vielleicht noch gute Verpflegung. Check! Dann kamen Wellness und Abenteuer dazu. Check! Aber jetzt? Check-out! Die Hotellerie wandelt sich. Gäste erwarten nicht nur Komfort, sondern eine neue Dimension von Erlebnis: nachhaltige Erholung, inspirierende Begegnungen und Orte mit Seele. Drei Pioniere zeigen, wie das (ganz unterschiedlich) gehen kann.
01 Die Visionärin neuer Angebote
„Heute wollen die Menschen Erholung, die anhält.“
Gesundheit war immer schon das wichtigste Gut, das Menschen haben. Das Bewusstsein dafür und der Wunsch, vorbeugend dafür zu sorgen, dass wir gesund alt werden können, ist weitgehend neu. Dafür gibt es nun auch einen Begriff: Longevity. Ein Megatrend. Und auf diesen setzt Elisabeth Gürtler im Alpin Resort Sacher in Seefeld. Aber den Begriff Longevity will sie dafür nicht verwenden – „der wird jetzt wohl ähnlich missbraucht wie vor 25 Jahren das Wort Wellness“.
Bitte, wie macht sie das? Das ist die erste Frage, die sich unaufhaltsam auftut, wenn man Elisabeth Gürtler ein paar Tage lang als Gastgeberin im Alpin Resort Sacher beobachtet. Das Haus ist gerade voll – vor allem mit Menschen, die die Zukunft gestalten wollen. „Future Means Chances“ nennt sich der mehrtägige Kongress, den Stefanie Winkler-Schloffer bereits zum dritten Mal im Alpin Resort Sacher veranstaltet. Und mittendrin die Gastgeberin des Hauses. Elisabeth Gürtler, Mitte 70 und kein bisschen leise. Aber auch nicht aufdringlich.
Die Kunst des Gastgebens
„Ich bin neugierig“, sagt sie und knabbert ein paar Nüsse und Weintrauben. (Das Frühstück ist also die erste Antwort auf die Frage, wie sie es schafft, mit diesem Alter sowohl geistig als auch körperlich topfit zu sein.) „Ich möchte gerne mit Menschen sprechen, möchte wissen, was sie machen und was sie dazu bewegt, hierherzukommen.“ Es sind viele Fragen, die ihr dabei durch den Kopf gehen: Was brauchen sie? Was wollen sie spüren? Wollen sie sich erholen? Wollen sie etwas erleben? „Und dann bringe ich Menschen zusammen, die ähnliche Bedürfnisse haben, dieselben Wünsche und vielleicht neugierig aufeinander sind.“ Dazu braucht es natürlich ihre Präsenz. „Es bedarf einer Gastgeberin, die die Linie des Hauses prägt.“
Außerdem überzeugt sie ihre Gäste gerne, unterschiedliche Behandlungen wie etwa die Kältekammer, EMS-Training oder eine DNA-Analyse zu machen. Das alles macht sie übrigens auch selbst regelmäßig. Minus 110 Grad, ehrlich? „Dabei empfehle ich, Walzer zu tanzen“, sagt sie und lächelt ein bisschen verschmitzt. Um die Kältekammer alleine gehe es aber nicht, wenn man sich um die eigene Gesundheit kümmern möchte. „Jedes Hotel, das eine Kältekammer hat, redet schon von Longevity. Longevity ist aber viel, viel mehr. Dazu braucht es nicht nur die Hardware, sondern den gesamten Lebensstil.“ Und genau für diesen bekommt man in ihrem Hotel jede Menge Inspiration. Dazu gehört auch eine Ärztin, die vor Ort ist und die Gäste persönlich berät – wer möchte, kann eine DNA-Analyse machen, um herauszufinden, wo etwaige genetisch bedingte Schwachstellen sind und wie man diesen vorbeugen
kann.
Wellness war gestern
Das alles fällt unter den Begriff Longevity, Elisabeth Gürtler hat dazu aber eine eigene Marke gegründet: die „Sacher Academy for Better Aging“. Dabei gehe es nicht um Verzicht, sondern um eine intelligente Verbindung aus Genuss und Gesundheitsförderung. Gemeinsam mit Spezialisten wie den bekannten Medizinern Johannes Huber und Augustinus Bader hat sie ein Programm entwickelt, das zum Ziel hat: Nicht nur Erholung, sondern nachhaltige Steigerung von Vitalität und Energie. „Man muss nicht in ein Sanatorium, um sich um die eigene Gesundheit zu kümmern. Hier kann man einen wunderbaren Urlaub verbringen, Genuss erleben – und gleichzeitig für die Gesundheit sorgen.“
Der Tourismus verändert sich. Und das hat die Grand Dame der Hotellerie früh erkannt. „Die Gäste wollen nicht mehr nur Urlaub machen“, erklärt sie. „Sie möchten etwas machen, das ihnen langfristig Erholung bringt. Die Menschen suchen Ruhe, Regeneration und neue Energie.“ Dazu reiche die klassische Wellnessidee nicht mehr aus. Elisabeth Gürtler kennt die Hotellerie wie kaum eine andere. Sie hat das Hotel Sacher in Wien geleitet, die traditionsreiche Spanische Hofreitschule geführt und das berühmte Seefelder Hotel in eine neue Ära begleitet. Stillstand? Nicht ihr Stil. „Ich wollte immer mehr als nur bewahren – ich wollte gestalten.“ Klimawandel, veränderte Reisebedürfnisse, digitale Transformation – sie navigiert diese Herausforderungen mit Weitblick und Kreativität und bleibt gleichzeitig ihrem Stil treu. Ihr Rezept: Flexibilität, Menschenkenntnis und der Mut, Neues zu wagen.
Die Gastgeberin, das Aushängeschild
Und woher nimmt sie nun bitte all die Energie dafür? „Ich hab von Kindheit an viel Sport gemacht, das bringt natürlich eine gewisse Grundkonstitution. Aber natürlich werden die Muskeln weniger und weniger.“ Dagegen könne man bewusst etwas machen. „Ich gehe jeden Tag schwimmen und laufen – diese zwei Dinge mache ich nicht lange, aber regelmäßig. Ich gehe in die Kältekammer, ich esse intuitiv, wenn ich Hunger habe, ich nehme Nahrungsergänzungsmittel, hab eine DNA-Analyse machen lassen und ich nehme so gut wie keine Medikamente.“ Und dann ist da noch etwas, das sie ganz offensichtlich so fit hält: „Ich habe noch viele Ideen“, sagt sie. Und lächelt.
02 Der Architekt der Gastlichkeit
„Jedes Hotel braucht ein besonderes Etwas“
Josef Schwaiger ist einer, der gerne „kreativ ums Eck denkt“, wie er selbst sagt. Und dort, hinterm Eck, findet er Ideen wie einen Airstream-Bus am Dach. Den brauche übrigens jedes Hotel. (Das muss man nicht wörtlich nehmen; aber dazu später.) Mit seiner Eder Collection – bestehend aus den Hotels eder, SEPP und EdeR FriDa – zeigt er, wie man aus Hotels Erlebnisräume macht, die mehr versprechen als ein Bett für die Nacht.
Josef, du bist im Familienbetrieb, im Hotel Eder in Maria Alm, aufgewachsen, hast dann aber Architektur studiert. Wann wusstest du, dass du die Hotellerie nicht nur weiterführen, sondern neu definieren möchtest?
Josef Schwaiger: Inspiriert haben mich die vielen Erlebnisse im Studium und in den Architekturbüros. Vor gut fünfzehn Jahren war mein Leitsatz: Ich muss mich selbst in allen Räumen wohl fühlen, nur dann können sich die Gäste auch wohl fühlen. Und dann werde ich viele Menschen um mich haben, die denselben Geschmack haben wie ich. Heute haben wir alle eine coole Zeit durch unsere Begegnungen – Gäste, Mitarbeitende und wir als Familie –, alle auf Augenhöhe und mit gutem Gefühl.
Was macht für dich ein Hotel zu einem Ort, an den Gäste immer wieder zurückkehren?
Josef Schwaiger: Ein Hotel wird dann zum Lieblingsort, wenn der Urlaub schon vor der Anreise beginnt und danach weiterwirkt. Im Familienhotel EdeR
FriDa gelingt uns das durch die Erzählung von Fridas Weltreise. Außerdem setzen wir auf ständige Neuerungen in unseren Hotels – nicht nur baulich, sondern auch emotional. Unser Ziel ist es, Gäste nicht nur mit „B wie Bauen“, sondern mit „B wie Berühren“ zu begeistern – wie eine Liebeserklärung.
Welche Trends siehst du in der Zukunft der Hotellerie und wie bereitest du dich darauf vor?
Josef Schwaiger: Ich empfinde das Urvertrauen in uns selbst und unsere Umgebung als wichtige Trendrichtung. Mit der Hotellerie darf ich eine simple, ursprüngliche Arbeit verrichten: nett sein, anderen zu einer schönen Zeit verhelfen und Kollegen motivieren. Neben allen Trends sollten wir nicht vergessen, Mensch zu sein. Echte Begegnungen sind neben Gesundheit der wichtigste Trend. In technologischer Hinsicht werden wir noch tolle Tools erleben, die zum Erlebnisfaktor beitragen.
Gibt es eine Idee, bei der du früh gesagt hast: „Das wird die Zukunft!“ – und heute bestätigt sie sich?
Josef Schwaiger: Jedes Hotel braucht einen Airstream am Dach, hatte ich immer gesagt. Damit meine ich nicht wörtlich unseren Bus auf dem Dach, sondern dass Menschen etwas brauchen, worüber sie ein Hotel abspeichern. In der Qualität gibt es viele tolle Häuser, und doch fehlt dann oft ein besonderes Etwas.
Viele Unternehmer reagieren erst auf Veränderungen – du scheinst ihnen oft einen Schritt voraus zu sein. Wie gelingt dir das?
Josef Schwaiger: Machen und tun. Oder auch durch die Einstellung: Machen wir’s gleich, brauchen tun wir’s sowieso. Es macht Spaß, Dinge schnell umzusetzen. Dann sind wir immer frei für Neues und nicht hinterher. Opa hat uns mitgegeben: „Investieren musst, wennst jung bist.“ Hier kommt auch das Vertrauen in uns und unsere Region Hochkönig und Salzburger Land zum Tragen.
Welche technologische Innovation wird die Hotellerie am stärksten verändern?
Josef Schwaiger: Ich glaube nicht, dass es die Roboter sind, die die Hotellerie revolutionieren werden. Unser Geschäft bleibt bodenständig. Digitale Check-ins, papierloses Arbeiten und personalisierte Erlebnisse sind bereits Realität. Vielleicht kommt eine Funktion, die Last-Minute-Buchungen in freie Zimmer ermöglicht – und so für eine optimale Auslastung sorgt.
Wird es in 20 Jahren noch klassische Rezeptionen geben?
Josef Schwaiger: In vielen Betrieben werden die Rezeptionen verschwinden. In den Vier- und Fünf-Sterne-Kategorien werden diese aber ein zentraler Erfolgsfaktor bleiben – mehr denn je!
Was sollte jeder Hotelier heute tun, um morgen noch relevant zu sein?
Josef Schwaiger: Die eigene Fitness ist das Wichtigste. Fühlt man sich selbst und in seiner Umgebung mit der Familie und mit den Mitarbeitern wohl, dann bleibt die Freude am intensiven Beruf. Gastgeber zu sein ist eine besondere Ehre, finde ich, aber auch ein besonderer Auftrag an sich selbst und die eigene Familie. Solange man sich dessen bewusst ist, bleibt der Spaß am ehrenvollen Beruf und damit auch der Erfolg.
03 Die Entdeckerin der Achtsamkeit
„Der wahre Luxus liegt in der Reduktion.“
Die Hotellerie ist im Wandel – und Lilly Fresacher ist eine derjenigen, die ihn aktiv mitgestaltet. Als Gastgeberin im Haus Jausern in Saalbach verbindet sie Design, Achtsamkeit und eine klare Vision von Gastfreundschaft. Ihr Erfolgsgeheimnis? Authentizität, Mut zur Veränderung und die konsequente Ausrichtung auf das Wesentliche.
Die Morgensonne taucht die Berglandschaft in ein sanftes Licht. Drinnen, im Haus Jausern, knistert das Feuer im Kamin. Ein Ort, der einlädt, sich fallen zu lassen. Genau hier empfängt uns Lilly Fresacher. Gastgeberin, Künstlerin, Visionärin. Und eine Frau, die genau weiß, was sie will. Luxus ist für Lilly Fresacher nicht der Glanz von Kristalllustern oder das Versprechen eines überbordenden Buffets. „Der wahre Luxus liegt in der Reduktion. In der Ruhe. In der bewussten Entscheidung, was wirklich wichtig ist“, sagt sie. Das Konzept ihres Hauses folgt genau diesem Ansatz: kein überladenes Wellnessprogramm, keine überflüssigen Ablenkungen. Dafür umso mehr Fokus auf Natur, ansprechendes Design und eine Atmosphäre, die Gästen Raum gibt – für sich selbst.
Herzensprojekt mit Tiefgang
Das Haus Jausern ist nicht nur ein Hotel. Es ist ein Lebensprojekt. Ursprünglich eine Pension, geführt von ihren Eltern, hat Lilly gemeinsam mit ihrem Mann Christoph das Konzept grundlegend überarbeitet. „Wir wollten nicht einfach nur den Betrieb weiterführen. Wir wollten ihn so gestalten, dass er zu uns passt.“ Dass die Reise dabei nicht immer gerad-
linig war, spricht sie offen an. „Ich musste lernen, dass nicht jeder Kritikpunkt eine Katastrophe ist. Dass das, was wir hier schaffen, nicht jedem gefallen muss – sondern nur genau den Richtigen.“
Achtsamkeit ist für Lilly kein Trendwort, sondern eine innere Haltung. Sie zeigt sich in kleinen Ritualen, in der Art, wie sie mit ihren Gästen spricht, in der Gestaltung der Räume. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einer Branche arbeiten, die Menschen nicht nur einen Schlafplatz bietet, sondern Erlebnisse schafft.“ Ein Erlebnis, das ihre Gäste besonders schätzen? Die Grüne Rate. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist und bewusst auf tägliche Zimmerreinigung verzichtet, erhält einen Rabatt. „Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen – und unsere Gäste tun das gerne.“
Wachstum ohne Grenzen – und doch mit Maß
Die Zukunft des Hauses Jausern? Kein massiver Ausbau, keine Expansion. Dafür mehr Qualität, mehr Tiefe. „Wir denken in Richtung Retreats, in Richtung Angebote, die Menschen helfen, wirklich abzuschalten.“ Ob Breathwork, Malerei oder bewusstes Nichtstun – Lilly ist sicher, dass genau hier die Zukunft der Hotellerie liegt. „Es gibt genug Orte, die laut sind, die immer mehr und größer sein wollen. Wir wollen einer der Orte sein, die Menschen wieder mit sich selbst verbinden.“
Ein Blick aus dem Fenster. Das ruhige Wasser des Teiches glitzert in der Sonne. Und für einen Moment scheint es, als wäre die Welt ein bisschen stiller geworden. Vielleicht ist genau das das Geheimnis von Lilly Fresachers Erfolg._
Redaktion
- Susanna Winkelhofer
Fotos
01: David Johansson, Alpin Resort Sacher Seefeld; 02: Eder Hotels GmbH;
03: Karin Pasterer, Captif GmbH