Co-Working mit „Harvey“ statt Diktiergeräten
„Diktiergeräte findet man in unserer Kanzlei keine mehr“, räumt Thomas Reich, Associate bei Schönherr Rechtsanwälte, zu Beginn unseres Interviews direkt mit einem Vorurteil über seine Zunft auf. Denn: Digitalisierung, Automatisierung und KI-Tools halten nicht nur Einzug in den Arbeitsalltag von Juristinnen und Juristen –
sie erleichtern ihn auch maßgeblich.
Ob es wohl am Pokerface eines geschulten Juristen liegt? Angst erkennen wir jedenfalls keine, als wir Thomas Reich fragen, ob rechtliche Entscheidungen und Beratungen in Zukunft nur noch von der KI ausgehen und ob ihn das beunruhigen würde. Im Gegenteil. Er und seine Kollegen empfangen den technischen Fortschritt und die zunehmende Automatisierung mit offenen Armen. Die Kanzlei beschäftigt sogar ein eigenes Team, das sich mit Innovationen in Sachen Legal-Tech auseinandersetzt und hat entsprechend ihrer Vorreiterrolle kürzlich einen Director of Legal-Tech and Innovation ernannt. In der dynamischen Welt des Rechtswesens sei es schließlich unerlässlich, stets innovative Lösungen zu integrieren. „Was uns auszeichnet, ist, dass wir permanent versuchen, die Abläufe zu vereinfachen und unseren Mandanten einen besseren Service zu bieten – Automatisierungstools und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz unterstützen uns dabei maßgeblich.“
Zeit fürs Wesentliche
Gut zu erkennen sei der Mehrwert an einem größeren Projekt, bei dem die Kanzlei auf die automatisierte Anpassung und Verwaltung von Verträgen setzt. „Wir erstellen rund 250 personalisierte Franchiseverträge auf Basis eines Musters mit mehreren Varianten und Vertragspartnern im ganzen Land. In der Vergangenheit war der Aufwand immens, diese manuell zu gestalten und zu verwalten. Früher hätte das bedeutet, zahlreiche Einzeltermine und individuelle Anpassungen abwickeln zu müssen.“ Durch die Einführung einer Automatisierungssoftware konnte der Prozess beschleunigt und vereinfacht werden. „Wir passen die Vertragsinhalte basierend auf von den Mandanten gelieferten Tabellen an. Die Software füllt die erforderlichen Vertragsdaten präzise aus. Sie reduziert damit Übertragungsfehler und ermöglicht eine schnelle Anpassung bei Änderungswünschen. Anschließend erfolgt die elektronische Unterfertigung. Das spart Zeit und Kosten für unsere Mandanten und Ressourcen für uns. So bleibt mehr Zeit für das Wesentliche.“
Neben der Automatisierung in der Vertragsgestaltung verwendet man bei Schönherr außerdem KI-basierte Tools – etwa für spezifische Fragen oder zur Unterstützung der Rechtsberatung. „Harvey“, mit der die Kanzlei bereits als eine der ersten in der Region eine strategische Partnerschaft einging, bietet den Anwälten eine strukturierte Herangehensweise bei der Analyse juristischer Fragestellungen und ermöglicht die schnelle Generierung erster Lösungsansätze. „Das bedeutet keineswegs, dass die KI unsere Beratung ersetzt. Sondern wir kollaborieren mit ihr, nutzen sie als Hilfsmittel, um im direkten Austausch noch besser vorbereitet zu sein“, erklärt Reich. Die persönliche Beziehung zu den Mandanten rückt in den Vordergrund und lässt mehr Raum für Gespräche und strategische Beratungen. So bildet die Kombination aus Anwälten, Automatisierung, KI und einem Digitalisierungsteam ein eingespieltes Orchester.
Gewusst wie
Im Vergleich zu anderen Branchen bringt der Rechtsberuf im Umgang mit digitalen Tools einen entscheidenden Vorteil mit sich: die ureigene Sensibilität für sichere Datenverarbeitung. „Wir legen besonderen Wert auf rechtliche Vorgaben bei sämtlichen digitalen Prozessen. Interne Richtlinien regeln exakt, welche Daten verarbeitet werden dürfen.“ Vor diesem Hintergrund erwartet Reich in Zukunft eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. „Während KI und digitale Prozesse in den kommenden Jahren voraussichtlich noch effizienter werden, bleibt die menschliche Komponente essenziell. Die persönliche Beratung, das strategische Denken und das Einfühlungsvermögen der Juristen sind Qualitäten, die keine Technologie der Welt ersetzen kann.“_
Wie KI & Digitalisierung die Rechtsbranche revolutionieren
#1 Zeit-, Kosten- und Ressourcenersparnis: kein Postweg, weniger Papierverschwendung, Echtzeitupdates und Ortsunabhängigkeit
#2 Rechtliche Vorteile: digitale Dokumentation für Beweiszwecke, Übersichtlichkeit von Änderungen, weniger Fehlerquellen
#3 Fokus auf persönlichem Austausch: Zeitaufwendige Routinearbeiten weichen und schaffen mehr Raum für strategische Aspekte und die Beratungstätigkeit.
Redaktion
- David Bauer
Fotos
Alexander Firmberger