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Unsere Landwirtschaft war Anstatt immer nur
immer schon sehr flexibel zu überlegen, testen
und anpassungsfähig. wir vieles gerne aus.
Michaela Langer-Weninger Hannes Engl
Landesrätin der OÖ Regionen Landwirt, Sonnenfarm
haus entstanden“, sagt Engl und lacht. Gemein- sam wieder ab.“ Das Granulat wird in landwirt-
sam mit seiner Freundin sitzt er bei einem Bier schaftliche Böden eingearbeitet. „Mehr Wasser wird
und einer Schale Erdnüsse. „Sie passen gut in im Wurzelraum gehalten, so sind Pflanzen besser
unser Klima und sind beliebt, warum also nicht?“ vor Trockenstressperioden geschützt“, erklärt Tobias
Derzeit experimentiert Engl mit dem Anbau von Keplinger, COO und CFO des Startups.
Baumwolle. „Mit längeren Sommern wird das
Projekt realistischer, ob es Sinn macht, muss sich Alle beschäftigen sich mit Wasserknappheit
erst zeigen.“
Wirksam ist das Produkt drei bis fünf Jahre, in der
Bei seinen Experimenten treibt den Landwirt die Zeit löst es sich langsam zu organischem Mate-
Lust am Probieren an. „Anstatt immer nur zu rial auf. Ertl: „Das Granulat ist biozertifiziert und
überlegen, testen wir vieles gerne aus.“ Motiva- bringt aufgrund seines organischen Materials sogar
tion ist auch die Anpassung an neue Umstände. eine Bodenverbesserung.“ Derzeit kommt Agrobio-
„Man merkt schon, dass etwa bei Kartoffeln der gel vorwiegend in Spezialkulturen – wie etwa Wein –
Krankheitsdruck durch den Klimawandel höher oder in Gewächshäusern sowie Folientunnel in
wird, langfristig wird sich der Anbau wohl weiter Südspanien und Italien zum Einsatz. Für den Ein-
nach Nordeuropa verlagern“, erklärt Engl. satz in großen Feldkulturen ist das Produkt derzeit
aufgrund der großen benötigten Mengen noch
Bausteine liefern, um die Folgen des Klimawan- nicht wirtschaftlich, das soll sich aber ändern. Am
dels für die Landwirtschaft abzuschwächen, ist Gelände des Zellstoff- und Bio-Energie-Herstellers
das Ziel des niederösterreichischen BOKU-Spin- Austrocel in Hallein entsteht derzeit eine neue Pi-
offs Agrobiogel. CEO und CO-Founder Gibson lotproduktionsanlage. „Für die Skalierbarkeit brau-
S. Nyanhongo entwickelte mit seiner Forschungs- chen wir Partner in der Industrie, in Hallein wollen
gruppe an der Universität ein Wasserspeichergra- wir demonstrieren, dass wir in großen Maßstäben
nulat, das auf natürlichen Rohstoffen basiert und produzieren können“, sagt Ertl. In eineinhalb
helfen kann, längere Trockenphasen zu überbrü- Jahren will man in der Lage sein, ausreichend zu
cken. Seinen Sitz hat das 2020 gegründete Un- produzieren, um in die großflächige Vermarktung
ternehmen in einer aufgelassenen Druckerei in zu gehen. Der potentielle Bedarf sei riesig. „Es gibt
Tulln, wo auch die Produktionsanlage steht, mit keine:n Landwirt:in, der oder die sich nicht mit
der jährlich im dreistelligen Tonnenbereich Gra- dem Thema Wasserknappheit beschäftigt. Früher
nulat hergestellt werden kann. Marketing- und war das Problem in Spanien und Italien präsent,
Vertriebsleiter Christoph Ertl zeigt einen Glasbe- heute ist es in ganz Europa angekommen“, sagt
hälter, in dem sich das schwarze, körnige Produkt Keplinger. Weltweit betreiben etwa 60 Prozent der
befindet. „Ein Gramm kann zehn bis fünfzehn Getreidebauern und -bäuerinnen reinen Regenfeld-
Gramm Wasser speichern“, erklärt er, „das Gra- bau ohne künstliche Bewässerung – und sind damit
nulat saugt Flüssigkeit auf, dehnt sich aus, und von der immer unberechenbarer werdenden Wet-
gibt sie dann über einen längeren Zeitraum lang- terlage abhängig._
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