Page 90 - 2023_01_DIEMACHER
P. 90
Für mich liegt der Schlüssel
in einem zeitgemäßen
Mathematikunterricht.
Joachim Haindl-Grutsch
Geschäftsführer, Industriellenvereinigung
Oberösterreich
„Einfach den Schalter umlegen
wird nicht funktionieren“
Oder: Der Arbeitskräftemangel ist für den Standort Oberösterreich sein. Wenn wir
nicht sofort zu lösen. Für Joachim hier weiterwachsen wollen – und das ist unser
Haindl-Grutsch, Geschäftsführer klarer Anspruch –, dann muss dafür gesorgt wer-
der Industriellenvereinigung den, dass der Arbeitsmarkt noch entsprechende
Oberösterreich, steht fest: Das Kapazitäten hat. Sprich, wir brauchen verfügbare
Gefühl, die eigene Leistung lohnt sich Arbeitskräfte, dessen ist sich die Politik aber voll-
wieder (mehr), sowie die zeitgemäße ends bewusst.
Ausbildung und Vernetzung von
MINT-Nachwuchstalenten müssen Betriebe früher und stärker mit jungen
mit vielen weiteren Zahnrädern Menschen zu vernetzen ist eines der Konzepte
langfristig ineinandergreifen. gegen diesen Mangel. Wie gelingt das?
Joachim Haindl-Grutsch: Die jungen Leute ha-
ben den Trumpf der Knappheit in der Hand.
Eine von Ihren Forderungen lautet, Unternehmen müssen daher jetzt als attraktive
Leistung müsse sich wieder lohnen. Wann ist der Arbeitgeber auftreten, indem sie über alle Kom-
Punkt erreicht, an dem Sie sagen würden: munikationskanäle entsprechende Signale sen-
„Jetzt lohnt sich Leistung wieder!“ den – Stichwort Employer Branding. Was wir bei
Joachim Haindl-Grutsch: Sobald der bisherige erfolgreichen Betrieben sehen, ist der intensive
Trend zum weniger arbeiten gebrochen ist, indem Kontakt zu Schulen, Weiterbildungseinrichtun-
Maßnahmen geschaffen werden, die der Bevölke- gen und lokalen Entscheidungsträger:innen. Die
rung zeigen: „Wir wollen als Regierung, dass sich eine Stellschraube gibt es nicht, sondern das sind
Leistung wieder lohnt.“ Etwa durch die Entlas- viele, viele Zahnräder, die ineinandergreifen müs-
tung von Überstunden und die Möglichkeit, in sen, um eine starke Marke zu sein.
der Pension zu arbeiten, ohne steuerlich und von
der Sozialversicherung über die Maßen belastet zu Angenommen, Sie hätten einen Wunsch frei:
werden. Ab diesem Zeitpunkt ist der Turnaround Was braucht es, um die Fachkräfte von morgen
erreicht und es geht in die richtige Richtung. Ein besser auf die Zukunft vorzubereiten?
großer Meilenstein war die Abschaffung der kal- Joachim Haindl-Grutsch: Meine Antwort darauf
ten Progression. ist relativ pragmatisch: Für mich liegt der Schlüs-
sel in einem zeitgemäßen Mathematikunterricht.
Leistungspriorisierungen in der Medizin, Das klingt vielleicht überraschend, aber durch
Pflege, Gastronomie, in den Schulen oder Mathematik entsteht die Liebe zu MINT-Fä-
Verlagerungen der Industrie ins Ausland sind chern. Fehlt diese, ist kaum ein technisches
die Folge des massiven Arbeitskräftemangels. Studium möglich, der Besuch einer HTL ergibt
Lässt sich das verhindern? wenig Sinn und selbst die Mechatronik-Lehre ist
Joachim Haindl-Grutsch: Ja, deshalb machen wir heutzutage ohne Liebe für Mathematik schwierig.
Text David Bauer entsprechend Druck. Denn die Alternative lau- In diesem Bereich sind leider die Uhren stehen-
Foto Land OÖ tet, dass stattdessen anderswo investiert wird und geblieben, gefühlt unterrichten wir Mathematik
Illu Gettyimages das kann mittel- und längerfristig nicht das Ziel wie vor 50 Jahren und das funktioniert nicht._
90