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Sprint oder Marathon?
Wie schnell Bio die
Welt ernähren kann
Kann man die Landwirtschaft von heute auf morgen auf Bio umstellen und die Weltbevölkerung
satt machen? „Ja, aber nicht aus dem Stand heraus“, sagt die Geschäftsführerin von
Bio Austria, Susanne Maier. Über die Vision einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion,
die machbarer ist, als sie auf den ersten Blick erscheint.
Der Anteil an biologisch bewirtschafteten Boden verbessern. Dem Boden bei der Regenera-
Bauernhöfen in Österreich liegt bei tion helfen. In manchen Gebieten regnet es immer
26 Prozent, was im EU-Schnitt einen weniger, hier wird es ganz zentral, wie ich mit der
Spitzenwert darstellt. Bleiben noch 74 Ressource Boden umgehe. Denn ab einem gewissen
Prozent konventioneller Landbau. Wie Zeitpunkt erreicht auch die konventionelle Land-
sehen Sie als Vertreterin des größten wirtschaft mit Kunstdünger nicht mehr Ertrag.
europäischen Bioverbandes die Chance Man erkauft sich jedes Kilo zusätzlichen Ertrag –
für eine flächendeckende biologische teuer – mit dem Input aus fossilen Rohstoffen.
Landwirtschaft – kann Bio in naher Zukunft Das braucht Bio nicht. Ein sichtbares Zeichen: Im
die Welt ernähren? Supermarkt kostet die konventionelle Milch derzeit
Susanne Maier: So, wie sich unser Ernährungssys- fast so viel wie Biomilch.
tem weltweit entwickelt hat, kann man nicht ein-
fach den Schalter umlegen und ab sofort ausschließ- Was braucht es, um den Schritt hin zur
lich biologisch arbeiten. Was jedoch den Vorwurf biologischen Landwirtschaft in größerem
anbelangt, dass Biolandwirtschaft viel weniger Er- Stil zu meistern?
trag bringe als die konventionelle: Hier wird mit Susanne Maier: Bio kann in Zukunft die Welt er-
falschem Maß gemessen. In guten Anbaugebieten nähren, wenn sich die Systeme verändern. Das
schneidet Bio, was den Ertrag angeht, schlechter ab, bedeutet weniger Fleisch, mehr pflanzliche Ernäh-
das ist ein Faktum. Allerdings – belegt durch zahl- rung, mehr kleinbäuerliche Strukturen, mehr Bo-
reiche Studien – stellt sich gerade bei erschwerten denbewusstsein, kein Wegwerfen. Es ist ein Weg der
Bedingungen die Situation anders dar. Im Nord- vielen Schritte.
burgenland zum Beispiel haben viele Betriebe auf
Bioackerbau umgestellt. Warum? Weil das Wasser Bleiben wir beim Thema Verschwendung.
fehlt. Das bedeutet, dass man sich wieder mehr mit 30 Prozent der Lebensmittel landen nicht
dem Boden beschäftigen muss. auf dem Teller, sondern in der Tonne. Wie
Text Sonja Wöhrenschimmel- könnte man dies vermeiden?
Wahl Was braucht der Boden? Susanne Maier: Da steckt eine ganze Kette dahin-
Foto Gettyimages, Susanne Maier: Ich muss zum Beispiel Humus auf- ter, die verändert gehört. Beginnen wir bei uns
Sonja Fuchs,
Bio Austria bauen, ich muss das Wasserspeichervermögen im Konsument:innen. Wir sind jahrzehntelang auf
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