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Nach drei Jahren war die Aufbauphase der äthi-
                                                                      opischen Brauerei vorbei – über Heineken bot
                                                                      sich Eregger eine weitere Chance: „In Jamaika
                                                                      konnte ich in einer frisch übernommenen Brau-
                                                                      erei die Verantwortung für die Abfüllung über-
                                                                      nehmen. Das war für mich eine große Leader-
                                                                      ship-Aufgabe.“ Bisher hatten dort Jamaikaner
                                                                      alle Abteilungen geleitet. „Und dann bin ich als
                                                                      vollkommen fremder Ausländer in den Betrieb
                                                                      gekommen, das war natürlich für manche etwas
                                                                      schwierig. Ich habe dann aber schnell Verbün-
                                                                      dete gefunden und ein tolles Team  aufgebaut,
                                                                      beruflich war diese Zeit ein großer Erfolg für
                                                                      mich.“ Doch auch privat habe er in in seiner
                                                                      Zeit im Ausland viel gelernt: „Oft hat man von
                                                                      Europa aus ein recht unscharfes Bild von Län-
                                                                      dern wie Äthiopien oder Jamaika. Ich habe dort
                                                                      viel Schönes erlebt und wir sind immer sehr
                                                                      freundlich aufgenommen worden.“


                                                                      HEIMKEHRER
                                                                      Heuer ging es, gemeinsam mit dem ersten Kind,
                                                                      zurück in die Steiermark: „Ich habe gehört, dass
                                                                      die Stelle als Braumeister in Puntigam frei wird,
                                                                      und eigentlich war das immer mein Ziel. Also
                                                                      hab ich mich beworben und die Stelle bekom-
                                                                      men.“ Die ersten Monate verbrachte Eregger vor
                           Arbeit studierte er an der FH Joanneum in Graz   allem damit, sich einzuarbeiten. „Ich bin immer
                           Produktions- und Verfahrenstechnik.        noch dabei, die Mitarbeiter und die Besonder-
                                                                      heiten und Chancen des Betriebes wirklich ken-
                           In dieser Zeit stand er selbst in der Produktion.   nenzulernen“, sagt er.
                           „Ich habe von der Erzeugung bis zur Abfüllung
                           des Biers in allen Stationen in der Brauerei ge-  Die Herausforderungen in der Brauerei seien da
                           arbeitet und alles miterlebt. Davon zehre ich   ganz ähnlich wie in anderen Betrieben: „Die In-
                           bis heute. Ich weiß genau, wie die Bedingun-  dustrie 4.0 macht auch vor der Brauerei nicht
                           gen sind“, sagt Eregger. Nach dem Studium trat   halt, daran müssen wir laufend arbeiten.“ Und
                           er dann eine Vollzeitstelle bei der Brau Union   auch der Trend zur Nachhaltigkeit hat in Punti-
                           Österreich an, über einen Job zur Abwicklung   gam Einzug gehalten. „Mein Vorgänger, Gerald
                           technischer Projekte landete er zum ersten Mal   Zanker, hat mir eine der modernsten Abfüllanla-
                           in der Brauerei Puntigam. Dort war er als Total   gen für Mehrwegflaschen in ganz Europa hinter-
                           Productive Manager für die kontinuierliche Pro-  lassen, die extrem ressourcenschonend arbeitet“,
                           zessverbesserung zuständig.                sagt Eregger. Als nächstes steht die zweite Phase
                                                                      beim Bau der Photovoltaikanlage an, welche ei-
                           VON FREMDEN LÄNDERN                        nen Teil des Energiebedarfs bei der Bierproduk-
                           UND MENSCHEN                               tion decken soll. Die erste Phase wurde bereits
                                                                      umgesetzt., damit wird ökologischer Strom für
                           Dann  zog es  Eregger  in die Ferne: Über  die   bis zu 600 Haushalte erzeugt.
                           Brau Union Österreich, die  Teil von Heine-
                           ken ist, erhielt er das Angebot, beim Auf-  Außerdem wird in Graz jetzt mit Bier geheizt.
                           bau einer Brauerei in Äthiopien mitzu-     „Puntigam ist ganz eng mit der Stadt verknüpft“,
                           arbeiten. Drei Jahre lebte er dort mit seiner   sagt Eregger. „Wir haben uns angeschaut, was
                           Freundin – die mittlerweile seine Frau ist –    am  Standort  passiert,  und  haben  dann  in  Zu-
                           und war mit der Errichtung neuer Anlagen, der   sammenarbeit mit der Firma Kelag dieses Kon-
                           Ausbildung der Mitarbeiter und dem Aufbau   zept entwickelt.“ Mit der Abwärme aus dem
                           einer Trainingsschule für alle afrikanischen Hei-  Gärungsprozess von Puntigamer werden  Woh-
                           neken-Brauereien betraut. „Das war für mich   nungen, Büros  und  Geschäfte  im  angrenzend
                           sehr  erfüllend:  etwas  aufzubauen,  das  sichere   neu  entstehenden  Bauprojekt  „Brauquartier“
                           Arbeitsplätze schafft“, sagt Eregger. „Außerdem   beheizt. Insgesamt 3,8 Millionen Kilowattstun-
                           eignet man sich eine gewisse Resilienz an: Es gab   den kann die Brauerei pro Jahr liefern. „Damit
                           häufig Streiks, die Sicherheitslage war schwierig.   stellen wir sicher, dass die Brauerei sich in Graz   BEZAHLTE ANZEIGE
                           Einmal hatten wir ein Monat lang kein Internet.   einfügt und ihren Beitrag zur guten Lebensqua-
                           Da lernt man, mit Krisen umzugehen.“       lität in der Stadt leistet.“_


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